1249/AB

 

 

 

 

 

Die Abgeordneten zum Nationalrat Anschober, Freundinnen und

Freunde haben am 20.9.1996 unter der Nummer 1248/J-NR/1996 an den

Bundesminister für Inneres eine schriftliche parlamentarische

Anfrage betreffend Bespitzelung ausländischer Mitbürger im Auf-

trag des Landes Oberösterreich gerichtet, die lautet:

 

"Ausländer, die in Oberösterreich um die Verleihung der Staatsbür

gerschaft ansuchen, müssen seltsame Praktiken über sich ergehen

lassen. Da wird einerseits von den Landesbehörden eine regelrech-

te ''Oberösterreicher-Prüfung'' gefordert und zusätzlich werden die

Bewerber auf illegale Art durchleuchtet, Dienstgeber und Wohnort-

gemeinde als illegale Spitzel eingesetzt.

 

In einem Oberösterreich-Leitfaden werden die angeblichen Besonder

heiten Oberösterreichs dokumentiert: die "lebendige Volkskultur'' ,

die "großartigen Bauernhofformen'' , das "Brauchtum in Oberöster-

reich" , die ''geschmückten Christbäume, mit deren Hilfe das Weih-

nachtsfest gefeiert'' wird. Anschließend werden die Staatsbürger-

schaftswerber vom zuständigen Beamten über dieses spezifische

Oberösterreich-Wissen befragt.

 

''Es wird um Bekanntgabe von Art und Umfang seiner ( ihrer ) Tätig-

keit sowie um Mitteilung gebeten, ob Arbeitsleistung und Führung -

insbesondere das Verhalten des (der ) Bewerber( in ) gegenüber Vorge-

setzten und Arbeitskollegen - die Verleihung der Staatsbürger-

schaft rechtfertigen und ob die Einbürgerung befürwortet wird" ,

schreibt die Staatsbürgerschaftsabteilung des Landes Oberöster-

reich an Dienstgeber, die Ausländer beschäftigen, die um die

österreichische Staatsbürgerschaft angesucht haben. Ähnliche

Schreiben, die das wohlgefällige Verhalten der Staatsbürger-

schaftswerber prüfen sollen, gehen an die Wohnsitzgemeindeämter.

Nach Überzeugung der Anfragesteller stellt diese Praxis des Lan-

des Oberösterreich einen klassischen Verstoß gegen das Daten-

schutzgesetz dar.

 

 

 

1 . Ist dem Innenminister die 0berösterreicher-Prüfung des Lan-

des Oberösterreich für Staatsbürgerschaftswerber bekannt?

Wenn ja, seit wann? Welche konkreten Informationen liegen

vor?

 

2 . Wie bewertet der Innenminister diese Oberösterreicher-Prü-

fung? Ist sie mit den Gesetzen vereinbar?

 

3 . Ist dem Innenminister die Aufforderung des Landes , Staatsbür-

gerschaftswerber zu bespitzeln, bekannt? Wenn ja, seit wann?

Welche konkrete Informationen liegen dem Innenminister vor?

 

4 . Ist dieses Vorgehen des Landes gesetzeskonform?

 

5 . Hält der Innenminister dieses Vorgehen für vereinbar mit dem

Datenschutzgesetz?

 

6 . Welche konkreten Maßnahmen und Konsequenzen werden seitens

des Innenministeriums gesetzt? ''

Die Anfrage beantworte ich wie folgt:

 

Staatsbürgerschaftsangelegenheiten sind gemäß Art. ll B-VG in

Gesetzgebung Bundes-, in Vollziehung Landessache. Es kann daher

in einzelnen Fragen der Vollziehung immer wieder zu divergieren-

den Auffassungen einerseits zwischen dem Bund und den einzelnen

Ländern, andererseits aber auch zwischen den Ländern untereinan-

der kommen. Die Frage ist, inwieweit die Vollzugspraxis in den

geltenden Bestimmungen des Staatsbürgerschaftsgesetzes jeweils

ihre Deckung findet. Auf diese Frage wird in der Beantwortung der

einzelnen Fragen noch einzugehen sein.

 

Zunächst möchte ich aber einige grundsätzliche Überlegungen der

Beantwortung der Fragen voranstellen:

 

Da die Sprachbeherrschung unzweifelhaft einer der wesentlichsten

Faktoren für eine soziale und berufliche Integration in Öster-

reich ist, erscheint es durchaus sinnvoll, Anreize und Angebote

an künftige Staatsbürger zu geben, die deutsche Sprache zu erler-

nen. Wenn daher Länder im Rahmen ihres Ermessens bei der Verlei-

hung der Staatsbürgerschaft eine gewisse Beherrschung der deut-

schen Sprache als wesentlich ansehen, sollte den Staatsbürger-

schaftswerbern auch eine geeignete Integrationsförderung, bei-

spielsweise im Rahmen von Sprachkursen, angeboten werden. Es kann

nämlich nicht davon ausgegangen werden, daß das Arbeitsleben

allein genügt, sich Sprachkenntnisse im ausreichenden Maß zu

erwerben. Dies umso mehr, als ein Teil der Staatsbürgerschaftswer-

ber, insbesondere Frauen, die im Rahmen des Familiennachzuges

nach Österreich gekommen sind, vom Arbeitsmarkt ausgeschlossen

ist. Für Angehörige der zweiten Generation wird die Situation

wohl durch den Besuch der österreichischen Schule günstiger sein.

 

Inwieweit neben der Sprachbeherrschung ein Wissen über andere

Themenkreise, wie sie von Ihnen in der Anfrage angesprochen wer-

den, zu einer besseren Integration in Österreich führen, ist

zumindest zweifelhaft. Ich vertrete die Ansicht, daß keinesfalls

 

mehr Kenntnisse verlangt werden können, als sie der durchschnitt-

liche Österreicher aufweist.

 

Um Staatsbürgerschaftswerbern einen zusätzlichen Anreiz zu bie-

ten, ihre Sprachkenntnisse zu verbessern, könnte im Rahmen einer

in die Bundeskompetenz fallenden künftigen Änderung des Staatsbür

gerschaftsrechtes vorgesehen werden, daß bei Vorliegen entspre-

chender Sprachnachweise ein ''Bonus'' bei der Wartefrist gewährt

wird. Man könnte etwa daran denken, daß das Gesetz die Möglich-

keit einer weiteren Fristverkürzung eröffnet.

 

Unbeschadet den in der Vorbemerkung getroffenen grundsätzlichen

Feststellungen meinerseits wurde zu den nachstehenden Fragen eine

Stellungnahme des Amtes der Oberösterreichischen Landesregierung,

welches zur Vollziehung zuständig ist, eingeholt. Auf dieser

Grundlage wurde die Beantwortung erstellt.

 

 

Zu Frage 1 :

 

Ich habe bei einem Besuch in Oberösterreich durch zahlreiche

Anfragen und Hinweise von Bürgern und Interessensvertretern sowie

in weiterer Folge aus den Medien von dieser Praxis der oberöster-

reichischen Landesvollziehung erfahren und mich unverzüglich

darüber informiert.

 

 

Zu Frage 2 :

 

Zur Frage der Bewertung der Oberösterreicher-Prüfung verweise ich

auf meine einleitenden Ausführungen.

Nach Mitteilung der zuständigen Behörden handelt es sich nicht um

eine Prüfung, sondern um ein Informationsgespräch in zwanglosem

Rahmen, wobei darauf geachtet wird, daß das Gespräch vom Staats-

bürgerschaftswerber getragen wird. Ohne hier nochmals auf die

grundsätzliche Frage der Eignung solcher Maßnahmen im Staatsbür-

gerschaftsverfahren eingehen zu wollen, kann gesagt werden, daß

 

sich die rechtliche Grundlage zur Verwendung des angesprochenen

Leitfadens und zur Führung des Informationsgespräches in § ll des

Staatsbürgerschaftsgesetzes findet , wonach sich die Behörde bei

der Ermessensausübung von "Rücksichten auf das allgemeine Wohl,

die öffentlichen Interessen und das Gesamtverhalten der Partei''

leiten zu lassen hat.

 

Bei der in Rede stehenden ''Prüfung" handelt es sich nach Auskunft

der zuständigen Behörden nicht um eine Verleihungsvoraussetzung,

von deren Bestehen oder Nichtbestehen der Ausgang des Verleihungs-

verfahrens abhängt.

 

 

Zu Fraqe 3 :

 

Die Befragung des Dienstgebers und die Einbindung der Gemeinden

in das Ermittlungsverfahren können auf der Grundlage der Bestim-

mungen des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 , des Allgemeinen

Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 und des Artikels 22 des Bundes-

Verfassungsgesetzes erfolgen.

 

 

Zu Frage 4 :

 

Nach den Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgeset-

zes 1991 ist dem Staatsbürgerschaftswerber das Ergebnis des Er-

mittlungsverfahrens im Rahmen des Parteiengehöres zur Kenntnis zu

bringen, sodaß eine geheime Beschaffung und Verwendung von Infor-

mationen von vornherein ausgeschlossen ist.

Die Einbindung der Gemeinden in das Ermittlungsverfahren nach dem

Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 und die Weitergabe des Ergebnisses

der Ermittlungen sind gesetzlich möglich und können daher nicht

als Rechtswidrigkeit bezeichnet werden.

 

Zu Frage 5 :

 

Gemäß § 1 Abs. 1 des Datenschutzgesetzes hat jedermann Anspruch

auf Geheimhaltung der ihn betreffenden personenbezogenen Daten,

soweit er danach ein schutzwürdiges Interesse, insbesondere im

Hinblick auf Achtung seines Privat- und Familienlebens hat.

 

Absatz 2 verfügt, daß Beschränkungen dieses Rechtes nur zur Wah-

rung berechtigter Interessen eines anderen oder aufgrund von

Gesetzen zulässig sind, die aus den in Artikel 8 Abs. 2 der Euro-

päischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfrei-

heiten genannten Gründen notwendig sind. Auch im Falle solcher

Beschränkungen muß der vertraulichen Behandlung personenbezogener

Daten Vorrang gegeben werden. Dieses ist jedenfalls durch die

Amtsverschwiegenheit im Rahmen des jeweils individuell geführten

Staatsbürgerschaftsverfahrens gesichert.

 

Voraussetzung für diesen Grundrechtsanspruch ist allerdings das

Vorliegen eines schutzwürdigen Interesses , wobei diesem Interesse

berechtigte Interessen anderer entgegenstehen können. Dies bedeu-

tet, daß eine Interessensabwägung vorzunehmen ist. Für das Auffin-

den berechtigter Interessen ist die Gesamtrechtsordnung heranzu-

ziehen, wobei in der Regel die verfassungsrechtliche Verankerung

von Interessen zu ihrem Überwiegen und damit zu einem Durchbre-

chen des Geheimhaltungsanspruches führen. Dem gleichzuhalten ist

die Durchbrechung des Geheimhaltungsgrundsatzes aufgrund von

Gesetzen, deren Erlassung wieder als im Interesse der Öffentlich-

keit gelegen anzusehen ist.

 

 

Zu Frage 6 :

 

Wesentlich ist, in Österreich ein politisches Klima zu schaffen,

das Integration fördert und nicht weitere Hindernisse aufbaut.