1250/AB
An den
Herrn Präsidenten des Nationalrates
W i e n
zur ZahI 1256/J-NR/1996
Die Abgeordneten zum Nationalrat Anschober, Freundinnen und Freunde haben an
mich eine schriftliche Anfrage, betreffend Autobahnskandal - Detailermittlungen, ge-
richtet und folgende Fragen gestelIt:
''1. Gibt es Richtlinien für die Hausdurchsuchung bei Rechtsanwälten und Steuer-
beratern?
2. Wie wird sichergestellt, daß Rechtsanwälte und Steuerberater nicht während
der Hausdurchsuchung für sie und ihre Klienten beIastendes Material beiseite
schaffen und dem Staatsanwalt damit zum Narren haIten?
3. Geht die Justiz von der Vermutung aus, daß Rechtsanwälte und Steuerberater
bei Hausdurchsuchungen grundsätzlich nicht versuchen, den Klienten zu dek-
ken? Worauf gründet sich gegebenenfalIs eine solche Vermutung?
4. Kann sich die Staatsanwaltschaft mit einer ''Nobelhausdurchsuchung'' (den
freiwilligen herausgegebenen Unterlagen) ohne die geringste zusätzliche Kon-
trolIe zufrieden geben, noch dazu, wenn gegen den Steuerberater bereits der
Verdacht der Mittäterschaft bestand?
5. Wird die Justiz in Zukunft Maßnahmen treffen, um zu verhindern, daß während
einer Hausdurchsuchung Akten verschwinden (z.B. Hausdurchsuchungsproto-
kolle, die von aIlen mit dem Klienten beschäftigten Mitarbeitern unterschrieben
werden, fortwährende Beobachtung des Rechtsanwaltes während der Haus-
durchsuchung, Stichproben in den Aktenschränken und im Safe)?
6. Teilt die Justiz die Auffassung der Staatsanwaltschaft, daß ein Rechtsanwalt
und Steuerberater, der während der Hausdurchsuchung einen KIientenakt
wegräumt, auf Grund der Rechtslage oder der mangelnden Beweisbarkeit
straflos bleibt? Wenn ja, hält die Justiz eine solche Rechtslage für vertretbar?
7. Wie endete jene in der Begründung angeführte Anzeige? ln welchem Verfah-
rensstadium befindet sie sich derzeit?
8. lst es richtig, daß es einen Unterschied macht, ob der Hausdurchsuchungsbe-
fehl überreicht worden ist? Wenn ja, warum hat der Staatsanwalt im konkreten
FalI den Hausdurchsuchungsbefehl nicht überreicht und damit dem Steuerbe-
rater die Möglichkeit gegeben, den Akt straflos wegzuräumen?
9. Teilt die Justiz die Auffassung, daß der Steuerberater den Akt wegräumen
kann und die Staatsanwaltschaft beweispflichtig ist, daß der Akt beschlagnah-
. .mefähig war? Oder ist die Sache gegenteilig zu beurteilen, daß nämlich der
Steuerberater sich grundsätzlich strafbar macht, wenn er Aktenteile während
der Hausdurchsuchung wegräumt und beweispflichtig ist, wenn er behauptet,
daß der von ihm beiseite geschaffte Akt dem Beschlagnahmeverbot unterlag?
10. Warum wurde die Hausdurchsuchung nicht wiederholt, und zwar wie kurz nach
der Hausdurchsuchung als der dringende Verdacht bestand, daß sich die feh-
lenden Aktteile nach wie vor im Besitz des Steuerberaters befunden haben,
noch auch ein zweites Mal nach der förmlichen Strafanzeige, und zwar obwohl
gegen den Steuerberater von Anfang an der Verdacht der Mittäterschaft be-
standen hat?
11 . WeIche Maßnahmen kann die Justiz im konkreten Fall noch unternehmen, um
der beiseite geschafften Unterlagen habhaft zu werden und den Steuerberater
gegebenenfaIls strafrechtlich zu belangen?
12. lst es richtig, daß nicht einmal der Versuch unternommen wird, den Steuerbe-
rater wegen Beweismittelverfälschung bzw. Beweismittelunterdrückung zu ver-
folgen? Handelt es sich bei dem beschlagnahmten Akt tatsächlich nur um be-
schlagnahmefähige Unterlagen? Von wem erhielt der Steuerberater den Auf-
trag, den Akt zu zerlegen? Da die Zerlegung eines Aktes mehrere Stunden be-
nötigt: Wurde dem KIienten dafür ein Honorar in Rechnung gestellt?''
lch beantworte diese Fragen wie folgt:
Zu 1 :
Für Hausdurchsuchungen bei Rechtsanwälten, Notaren und Wirtschaftstreuhändern
gelten die gleichen gesetzlichen Bestimmungen (§§ 139 ff StPO) wie für andere
Hausdurchsuchungen. Allerdings wurde den Gerichten und Sicherheitsbehörden mit
den Erlässen des BMJ vom 21.7.1972 und 3.9.1981 (JABl 1972/13 und 1981/20)
empfohlen, einem Vertreter der jeweiligen Kammer die Teilnahme an der Haus-
durchsuchung zu ermöglichen (um die Schonung der mit dem Gegenstand der Un-
tersuchung nicht zusammenhängenden Privat- und Berufsgeheimnisse zu gewähr-
leisten).
Zu 2 und 5:
Das Anliegen der StrafverfoIgungsbehörden, ManipuIationen während einer Haus-
durchsuchung hintanzuhalten, ist ein allgemeines und nicht auf die Durchsuchung in
Kanzleien von Parteienvertretern (Berufsgeheimnisträgern) beschränkt. ln der Regel
sind an Hausdurchsuchungen mehrere Exekutivbeamte beteiIigt, die unter anderem
sicherzustellen haben, daß während der Durchsuchung keine Beweismittel unter-
drückt werden. Die näheren Maßnahmen sind von der Lage des jeweiligen Falles
sowie von Art und Umfang des in concreto bestehenden Verdachtes abhängig.
Zu 3:
Allfälligen Pauschalverdächtigungen ganzer Berufsstände kann ich mich nicht an-
schließen. lch sehe grundsätzlich auch keinen Anlaß dafür, an Hausdurchsuchun-
gen bei Rechtsanwälten und Steuerberatern andere Maßstäbe anzulegen als an
Hausdurchsuchungen bei Angehörigen anderer Berufsgruppen.
Zu 4:
Nach den einschlägigen Bestimmungen der Strafprozeßordnung ist eine Haus-
durchsuchung in der Regel nur insofern zulässig, als durch die Vernehmung des-
sen, bei oder an dem sie vorgenommen werden soll, weder die freiwillige Herausga-
be des Gesuchten noch die Beseitigung der die Durchsuchung veranlassenden
Gründe herbeigeführt wird (§ 140 Abs. 1 StPO). lm vorliegenden Fall wurden - un-
abhängig von der Erklärung seitens der Steuerberatungsgesellschaft, die im Haus-
durchsuchungsbefehl angeführten Unterlagen freiwillig herauszugeben - auf Anwei-
sung des beigezogene Staatsanwalts zusätzlich sämtliche Büroräumlichkeiten
durchsucht. lm übrigen weise ich darauf hin, daß zum Zeitpunkt der Hausdurchsu-
chung gegenüber den Geschäftsführern der Steuerberatungsgesellschaft kein Ver-
dacht der Mittäterschaft bestand (siehe zu 9 und 10).
Zu 6: .
Weder die zuständige Staatsanwaltschaft noch das Bundesministerium für Justiz
sind der Auffassung, daß ein solcher Sachverhalt straflos wäre. Wenn aber derarti-
ge Vorwürfe nicht erweislich sind, muß eine weitere strafrechtIiche Verfolgung unter-
bleiben.
Zu 7:
Die in diesem Zusammenhang eingeleitete gerichtliche Voruntersuchung wurde
nach einer entsprechenden Erklärung der Staatsanwaltschaft Wien vom
4. September 1996 mit Beschluß des Untersuchungsrichters vom 10. September
1996 gemäß § 109 StPO eingestellt, weil die durchgeführten Ermittlungen den Ver-
dacht gegen F. entkräftet haben.
Zu 8:
Dieser Fragepunkt geht insofern von unrichtigen Voraussetzungen aus, als der
Hausdurchsuchungsbefehl des Landesgerichts Innsbruck von Beamten der Wirt-
schaftspolizei Wien zu Beginn der Hausdurchsuchung an den zweiten Geschäftsfüh-
rer der Beratungsgesellschaft L. überreicht wurde.
Zu 9 und 10:
Grundsätzlich ist es die Aufgabe der Staatsanwaltschaft, strafbares Verhalten unter
Beweis zu stellen. lm Anlaßfall ist allerdings der Vorwurf, F. habe während der
Hausdurchsuchung Beweismaterial beiseite geschafft, erst zu einem wesentlich
späteren Zeitpunkt erhoben worden. Die gegenständliche Hausdurchsuchung wurde
am 25.2.1993 durchgeführt, die bezughabende Anzeige erst am 2.11.1995 erstattet.
Da die durch die Hausdurchsuchung zu klärenden Fragen in der Zwischenzeit be-
reits durch andere Erhebungen gelöst worden waren, erübrigte sich eine Wiederho-
lung der Hausdurchsuchung.
Zu 11 und 12:
Ich verweise zunächst auf die Antwort zu den Fragen 7,9 und 10. Bei der Haus-
durchsuchung am 25.2.1993 wurden nur beschlagnahmefähige Unterlagen sicher-
gestellt. Ob und von wem der Steuerberater den Auftrag erhalten hat, den Akt zu
zerlegen und ob dem Klienten dafür ein Honorar in Rechnung gestellt wurde, ent-
zieht sich der Kenntnis des Bundesministeriums für Justiz, wobei insbesonders dar-
auf hinzuweisen ist, daß durch kein Beweismittel der Verdacht erhärtet werden
konnte, der angezeigte Steuerberater hätte tatsächlich Manipulationen vorgenom-
men.