1257/AB
Die schriftliche parlamentarische Anfrage Nr. 1217/J-NR/1996
betreffend DrogenvertrauenslehrerInnen in Tirol, die die Abge-
ordneten DDr. Niederwieser und GenossInnen am 20. September 1996
an mich richteten, wird wie folgt beantwortet :
1. In welchem Rahmen können Sie sich eine Dienstfreistellung für
die Tiroler DrogenvertrauenslehrerInnen vorstellen, damit sie
die erworbenen Kenntnisse auch über ihre Klasse oder Schule
hinaus vermitteln und anwenden können?
2 . In welchem Ausmaß ist Ihnen der Anspruch auf Dienstfrei-
stellungen, um die Tätigkeit eines Drogenvertrauenslehrers
auszuüben, aus den anderen Bundesländern bekannt?
3. Bis zu welchem Zeitpunkt und in welcher Zahl können Sie sich
Dienstfreistellungen für die DrogenvertrauenslehrerInnen in
Tirol, vor allem unter dem Gesichtspunkt der immer jünger
werdenden Drogenkonsumenten, vorstellen?
Antwort :
Das Dienstrecht bietet in § 44 des Landeslehrer-Dienstrechts-
gesetzes die Möglichkeit, einem Lehrer zur Besorgung von Tätig-
keiten, die mit seinen Dienstpflichten in Zusammenhang stehen,
eine Ermäßigung der Lehrverpflichtung zu gewähren.
Eine Lehrpflichtermäßigung für DrogenvertrauenslehrerInnen kann
nur gemäß § 44 Abs . 1 Z 3 Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz ''zur
Ausübung anderer der Aufgabe der österreichischen Schule gemäßer
Tätigkeiten auf kulturellem, sozialem, religiösem, sportlichem
oder wissenschaftlichem Gebiet, wenn von der Einrichtung, für
die der Landeslehrer tätig wird, Ersatz . . . geleistet wird'' , in
Betracht kommen.
Diese Möglichkeit wird von den Landeslehrer-Dienstbehörden im
eigenen Zuständigkeitsbereich und ohne gesonderte Befassung
meines Ressorts in Anspruch genommen. Festzuhalten ist weiters,
daß diese Möglichkeit keine Kosten für den Lehrerpersonalaufwand
verursachen darf.
4 . Die Tiroler Drogenkoordinatorin schlägt im Falle von Sucht-
giftanzeigen gegen SchülerInnen ein Verfahren vor, in dessen
Rahmen die DrogenvertrauenslehrerIn gehört werden soll .
Werden Sie diesen Vorschlag prüfen und gegebenenfalls die
entsprechenden Maßnahmen veranlassen?
Antwort :
Ich muß in diesem Zusammenhang ausdrücklich darauf hinweisen,
daß meinem Ressort diesbezüglich keine Zuständigkeit zukommt;
dies deswegen, weil es sich hier um strafprozessrechtliche
Gesichtspunkte handelt, für deren legistische Umsetzung jeden-
falls das Bundesministerium für Justiz allenfalls im Zusammen-
wirken mit dem Bundesministerium für Gesundheit und Konsumenten-
schutz tätig werden muß . Strafrechtlich zu erfolgende Suchtgift-
delikte fallen jedenfalls in Kompetenz der ordentlichen Straf-
gerichte .
In der angesprochenen Problematik wird auch noch auf § 10 des
Suchtgiftgesetzes hingewiesen. In dieser Norm wird speziell im
Hinblick auf die erziehlichen Kompetenzen der Schule und die
besondere Situation des jugendlichen Schülers primär auf eine
Entkriminalisierung des Suchtgiftverhaltens von Schülern Bedacht
genommen; § 10 leg. cit . hat daher das Ziel, zunächst einmal den
Schüler keinem Strafverfahren zuzuführen, wenn bestimmte
Auflagen erfüllt werden. Der Schüler hat sich einer Schulärzt-
lichen Untersuchung zu unterziehen und einer von der Bezirksver-
waltungsbehörde als Gesundheitsbehörde für zweckmäßig erachteten
medizinischen Behandlung zu unterwerfen. In diesen Fällen
erfolgt keine Einleitung eines Strafverfahrens . Wenn eine ärzt-
liche Behandlung sichergestellt ist, ist nicht einmal eine Ver-
ständigung der Bezirksverwaltungsbehörde erforderlich. In einem
Erlaß des Bundesministeriums für Gesundheit und Konsumenten-
schutz wird festgehalten, daß der an sich gegebenen Anzeige-
pflicht der Schule hinsichtlich gerichtlich strafbarer Hand-
lungen nach § 84 Strafprozeßordnung durch die Einschaltung der
Bezirksverwaltungsbeh"rde genüge getan wird. Schon aus der
zuletzt dargestellten Situation folgt, daß ''Suchtgiftanzeigen''
gegen Schüler nur dann erfolgen werden, wenn eine entsprechende
ärztliche Betreuung des Suchtgiftkonsumenten nicht gewährleistet
ist .
Grundsätzlich kann mein Ressort nur einem Vorschlag beitreten,
der das Ziel hat, bei einem Strafverfahren gegen Schüler im
Zusammenhang mit Suchtgiftmißbräuchen eine besonders fachkundige
und auch das Vertrauen des Schülers genießende Person im
Verfahren anzuhören.
5 . Wie beurteilen Sie die in Tirol gehandhabte Praxis des Schul-
ausschlusses infolge einer Suchtgiftanzeige?
Antwort :
Sowohl die Frage 5 als auch die einleitenden Bemerkungen zu den
einzelnen Detailfragen gehen wahrscheinlich davon aus , daß im
Zuständigkeitsbereich des Landesschulrates für Tirol eine
größere Zahl von Schulausschlußfälen stattgefunden hat, wobei
der Schulausschluß der betreffenden Schüler mit deren Drogenmiß-
brauch in Zusammenhang gebracht wird.
Nach Rücksprache mit dem Landesschulratsdirektor des Landes-
schulrates für Tirol, Hofrat Dr. Anton Neururer, ergibt sich
jedoch, daß es in den letzten Jahren - wie in den übrigen
Landesschulratsbereichen ebenso - nur wenige Fälle gab, in denen
Schüler tatsächlich im Rahmen eines gesetzlich vorgesehenen
Schulausschlußverfahrens von der Schule ausgeschlossen wurden.
Vor diesem Hintergrund kann man daher nicht von ''laufend
belegten Beispielen'' sprechen.
Im übrigen ist dies auch die Erfahrung meines Ressorts, das in
Schulausschlußverfahren als Berufungsbehörde zweiter Instanz
fungiert. Derartige Verfahren sind höchst selten.
Der Ausschluß eines Schülers ist ausschließlich aufgrund eines
in § 49 des Schulunterrichtsgesetzes geregelten Verfahrens durch
die zuständige Schulbehörde zulässig. Materielle Voraussetzungen
für einen Ausschluß sind schwerwiegende Pflichtverletzungen des
Schülers und Erfolglosigkeit der Anwendung von Erziehungsmitteln
oder ein Schülerverhalten, das eine dauernde Gefährdung anderer
Schüler hinsichtlich ihrer Sittlichkeit, körperlichen Sicherheit
oder ihres Eigentums darstellt. Suchtgiftkonsum eines Schülers
stellt a priori noch keine dauernde Gefährdung anderer Schüler
hinsichtlich ihrer Sittlichkeit bzw. ihrer körperlichen Sicher-
heit dar. Daher ist der Ausschluß eines Suchtgift konsumierenden
Schülers nur dann rechtmäßig, wenn die oben angeführten Tatbe-
stände in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren zweifels-
frei festgestellt worden sind.
Anders verhält es sich jedoch mit Schülern, die als sogenannte
''Dealer`' festgestellt würden. In diesem Fall stellt diese straf-
rechtlich zu qualifizierende Tätigkeit eine dauernde Gefährdung
anderer Schüler hinsichtlich ihrer Sittlichkeit und körperlichen
Sicherheit dar und ist ein Ausschlußgrund.
Es hieße, dem Geist des Suchtgiftgesetzes zuwiderzuhandeln, wenn
sich eine Schule von allen einschlägigen Verpflichtungen dadurch
entledigt glaubt, daß der Schüler, der im Verdacht des Sucht-
giftmißbrauches steht, gleichsam automatisch die Schule zu
verlassen hat . In einem ordnungsgemäß durchgeführten Verfahren
müssen alle Für und Wider abgewogen werden, und erst dann darf
ein Ausschluß behördlich ausgesprochen werden.