1282/AB
An den
Herrn Präsidenten des Nationalrates
Parlament
1017 Wien
Die Abgeordneten zum Nationalrat Mag. Johann Ewald Stadler und
Genossen haben am 2 . Oktober 1996 unter der Nummer
1298/J-NR/1996 an mich eine schriftliche Anfrage betreffend das
Finanzstrafverfahren gegen den österr. StB. Friedrich Dvorak in
der BRD gerichtet, welche folgenden Wortlaut hat :
1. Welche Bemühungen hat Ihr Ministerium aufgrund des zitier-
ten Schriftverkehrs zugunsten des Betroffenen mit dem Ziel
einer Enthaftung unternommen?
2. Ist die Darstellung des Anwaltes im Schreiben vom 1. Sep-
tember 1996 richtig, wonach die vorhergehende erfolglose
Vorladung eines österreichischen Staatsbürgers durch eine
deutsche Behörde in Finanzstrafsachen aufgrund eines Ab-
kommens zwischen der Republik Österreich und der Bundesre-
publik Deutschland ausdrückliche Voraussetzung für die Er-
lassung eines Haftbefehles ist?
Wenn ja, sind Ihnen die Gründe bekannt, warum dies im vor-
liegenden Fall nicht beachtet wurde?
3 . Sind Ihnen die nach einem rechtsstaatlichen Mindeststandard
argumentier- und haltbaren Gründe für die weitere Inhaftie-
rung des Betroffenen durch die deutschen Behörden mitge-
teilt worden, obwohl die behaupteten Abgabenschulden be-
glichen und die sonstigen Vorwürfe gegen den österrei-
chischen Staatsangehörigen ausgeräumt wurden?
Wenn ja, welche sind dies genau?
4. Falls Ihnen keinerlei weitere Haftgründ.e mitgeteilt wurden
- wann ist nach den Ergebnissen der Bemühungen Ihres Mini-
steriums mit der erhofften Enthaftung des F. Dvorak zu
rechnen?
5. Welche Schritte werden Sie unternehmen, um mutmaßliche Miß-
stände zu Lasten österreichischer Staatsbürger, wie sie im
vorliegenden Fall ausführlich dargestellt sind, in Deutsch-
land nach Möglichkeit für die Zukunft zu vermeiden?
Ich beehre mich, diese Anfrage wie folgt zu beantworten:
Zu Punkt 1:
Das Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten hat von
der Verhaftung von Herrn Dvorak am 3 . Juni d.J. Kenntnis erhal-
ten. Eine Verständigung durch die bayrischen Behörden erfolgte
nicht. Seitdem wurden zahlreiche Kontaktnahmen zum Verteidiger
des Beschuldigten, Rechtsanwlat Kreuzer, München, zu Amtsdirek-
tor Körner, Garmisch-Partenkirchen, sowie zu Staatsanwalt
Rieder vom Landgericht München II unternommen. Ein persönlicher
Kontakt bestand weiters zwischen der Ehegattin von Herrn Dvorak
in Wien mit der zuständigen Fachabteilung meines Ressorts.
Generalkonsul Dr. Köffler in München hat persönlich mit zustän-
digen bayrischen Behörden in der Angelegenheit Kontakt genommen.
Zu Punkt 2 :
Das gegenständliche Finanzstrafverfahren betrifft lediglich die
Hinterziehung deutscher Steuern, sodaß kein Fall der Anwendung
des Zusatzvertrages zwischen Österreich und der Bundesrepublik
Deutschland zum Europäischen Übereinkommen über die Rechtshilfe
in Strafsachen vorliegt , da es sich um den Vollzug eines
deutschen Haftbefehls in der Bundesrepublik Deutschland handelt .
Zu Punkt 3 :
Seitens des bayrischen Justizministeriums wurden am 21.
November 1996 Gründe für die weitere Inhaftierung des Betrof-
fenen durch die deutschen Behörden mitgeteilt , die auch dem
Rechtsvertreter des Betroffenen bekannt sind. Sie geben öster-
reichischerseits derzeit keinen Anlaß zu weiteren Vorstel-
lungen. Ein genaueres Eingehen auf die einzelnen Anschuldigun-
gen verbietet meine Pflicht zur Wahrung des Grundrechts auf
Datenschutz des Betroffenen gemäß § 1 DSG.
Im übrigen hat ein Gespräch zwischen Generalkonsul Köffler und
Rechtsanwalt Kreuzer vom 22.10.1996 ergeben, daß der Rechtsan-
walt aufgrund seiner Erfahrung der Ansicht ist , daß die Ein-
schaltung konsularischer bzw. diplomatischer Vertretungsbehör-
den keinen Einfluß auf das in der BRD laufende Verfahren haben
kann. Herr Dvorak sei korrekt untergebracht und werde mensch-
lich zufriedenstellend behandelt.
Zu Punkt 4 :
Da im Bezug auf eine von Herrn Dvorak in Berlin betreute Bau-
stelle ein neuer Tatverdacht aufgetaucht ist , wurde im Oktober
d.J. ein neuer, erweiterter Haftbefehl erlassen, der sowohl die
Straftatbestände des erstergangenen Haftbefehls als auch die
Baustelle in Berlin umfaßt . Ein Mitte November 1996 anberaumter
Haftprüfungstermin ist angesichts dieses erweiterten Haftbe-
fehls erfolglos verlaufen.
Das Oberlandesgericht Bayern wird daher unter Berufung auf
seine ständige Rechtssprechung den Beschluß fassen, daß im
Moment mit einer Enthaftung nicht zu rechnen ist .
Zu Punkt 5 :
In der Bundesrepublik Deutschland ist das Prinzip der General-
prävention vorherrschend, wonach selbst im Fall der Begleichung
der aushaftenden Steuerschuld eine Strafe verhängt wird, wenn
nicht rechtzeitig Selbstanzeige erstattet wird. Eine Schlech-
terstellung eines österreichischen Staatsbürgers gegenüber
deutschen Staatsangehörigen in einer vergleichbaren Situation
war im gegenständlichen Fall nicht zu beobachten, sodaß derzeit
keine Möglichkeit zu weiteren Schritten über die unter Punkt 1
der Anfrage erwähnten Maßnahmen hinaus gegeben erscheint .