1286/AB

 

 

 

zur Zahl 1283/J-NR/1996

 

 

Die Abgeordneten zum NationaIrat Dr. Kostelka und Genossen haben an mich eine

schriftliche Anfrage, betreffend allgemeine Geschäftsbedingungen bei Kreditaufnah-

men, gerichtet und folgende Frage gestelIt:

 

"Wie beurteilen Sie die Vorgangsweise der Banken aus der Sicht Ihres Ressorts?''

 

 

lch beantworte diese Frage wie folgt:

 

Vorauszuschicken ist, daß Kreditunternehmungen schon seit langer Zeit mit ihren

Kunden Vereinbarungen über die Verpfändung von Lohn- oder Gehaltsforderungen

zur Sicherstellung von Kreditverbindlichkeiten treffen. Demgemäß enthalten ihre

Vertragsformulare (die von den allgemeinen Geschäftsbedingungen der Kreditunter-

nehmungen zu unterscheiden sind) schon seit langem Bestimmungen über die Ver-

pfändung des pfändbaren TeiIs der gegenwärtigen und künftigen Ansprüche der

Kreditnehmer aus Arbeitsverhältnissen.

Die Abtretung und Verpfändung dieser Ansprüche zu Sicherungszwecken war be-

reits Gegenstand der Beratungen zur Stammfassung des Konsumentenschutzge-

setzes, BGBl.Nr. 140/1979. Damals entschied sich der Gesetzgeber dafür, in § 12

KSchG zwar die Abtretung, nicht aber die Verpfändung zu verbieten. Die Gesetzes-

materialien weisen ausdrücklich darauf hin, daß eine Lohn- oder GehaItsforderung

eines Arbeitnehmers oft das einzige Sicherungsmittel sei, das er bei einer notwendi-

gen Kreditaufnahme anbieten könne; die Verpfändung solcher Forderungen sei an-

dererseits nicht mit den gIeichen Gefahren für den Rechtsschutz des Arbeitnehmers

verbunden wie deren Abtretung, weil hier weiterhin der Dienstnehmer Gläubiger

bleibe und der Unternehmer nur im Exekutionsweg auf die ihm verpfändete Forde-

rung greifen könne (RV 744 BIgNR 14. GP, 32 f). An diesem Befund hat sich seither

grundsätzlich nichts geändert.

 

Die Verständigung des Schuldners einer Lohn- oder Gehaltsforderung ist nach

österreichischem Recht (von hier nicht in Betracht kommenden Ausnahmefällen ab-

gesehen) für die Entstehung des Pfandrechts an der Forderung unbedingt erforder-

lich. Die bloße vertragliche Vereinbarung zwischen Kreditgeber und Kreditnehmer

über die Verpfändung begründet noch kein Pfandrecht. Der Zeitpunkt der Verständi-

gung des Arbeitgebers (DrittschuIdners) ist dafür ausschlaggebend, an welchen von

mehreren Pfandgläubigern der Drittschuldner zu leisten hat, wenn der Kreditnehmer

mit seinen Zahlungen gegenüber den Gläubigern in Verzug gerät. Der Zeitpunkt der

vertraglichen Vereinbarung der Verpfändung ist für den Rang des Pfandrechts ohne

Bedeutung.

 

Wenn sich tatsächlich - worüber mir keine gesicherten lnformationen vorliegen - die

Praxis der Kreditinstitute bei Verständigung des Drittschuldners dahingehend geän-

dert haben sollte, daß diese Verständigungen nun früher und häufiger vorgenom-

men werden als bisher, so kann dazu unter anderem eine zum Schutz und im lnter-

esse der (Privat-)Kreditnehmer getroffene gesetzliche Maßnahme beigetragen ha-

ben. Die Konkursordnungsnovelle 1993, BGBl.Nr. 974/1993, hatte vor allem das

Ziel, die Regelungen der Konkursordnung für Privatschuldner in höherem Maß nutz-

bar zu machen (''Privatkonkurs''). Damit eine Entschuldung im Rahmen eines ''Pri-

vatkonkurses'' aber überhaupt erreicht werden kann, muß das laufende, pfändbare

Einkommen des Schuldners zur Befriedigung aller (also nicht nur der durch Pfand-

rechte gesicherten) Gläubiger zur Verfügung stehen. Deshalb wurde vorgesehen,

daß vertraglich begründete Pfandrechte zwei Jahre nach Konkurseröffnung, im Rah-

men eines Gehaltsexekutionsverfahrens begründete Pfandrechte bereits mit Kon-

kurseröffnung erlöschen. Neue Pfandrechte können während des Verfahrens über-

haupt nicht begründet werden. Darüber hinaus sind im Konkursfall Pfandrechte, die

zeitlich knapp vor Konkurseröffnung begründet wurden, häufig Gegenstand von An-

fechtungen wegen Benachteiligung der anderen, nicht pfandrechtlich gesicherten

Gläubiger. Vor der Konkursordnungsnovelle 1993 war die Eröffnung eines Konkur-

ses über das Vermögen eines ''Privaten'' ein Ausnahmefall, sodaß der Kreditgeber

davon ausgehen konnte, daß sich sein Pfandrecht und damit seine Forderung -

wenn schon nicht sogleich, so doch in absehbarer Zeit - realisieren ließe. Aus all

diesen Gründen tut der Kreditgeber nunmehr aus seiner Sicht gut daran, das Pfand-

recht möglichst frühzeitig, nämlich noch zu einem Zeitpunkt zu erwerben, in dem der

Kreditnehmer seinen Verpflichtungen (noch) ordnungsgemäß nachkommt.

 

Würde diese Möglichkeit durch eine gesetzliche Einschränkung oder gar ein Verbot

der Verständigung des Drittschuldners vor Eintritt des Verzuges ausgeschlossen, so

hätte dies wohl dieselbe Konsequenz wie ein Verbot der Verpfändung selbst. Der

Kreditnehmer könnte dem Kreditgeber keine ausreichende Sicherstellung anbieten,

er verIöre seine unter Umständen einzige Kreditbasis. Jedenfalls aber müßten die

Kreditgeber dieses objektiv höhere AusfalIrisiko durch verschiedene Maßnahmen

ausgleichen; es wäre zu erwarten, daß sich die übrigen Bedingungen, zu denen

(Privat-)Kredite vergeben werden, verschlechterten.

 

Der Verpfändung als Sicherheit dürfte in Hinkunft noch größere Bedeutung zukom-

men als bisher. lm Zusammenhang mit Bürgschaften und Solidarhaftungen sind vor

allem Angehörige von Kreditnehmern in letzter Zeit immer häufiger in existenzbedro-

hende Situationen geraten. Den durchaus berechtigten Forderungen, diesen Perso-

nen zu helfen, wird der Gesetzgeber voraussichtlich in nächster Zeit nachkommen.

Am 20. November 1996 hat der Justizausschuß eine Vorlage zur Änderung des

Konsumentenschutzgesetzes einstimmig angenommen, die unter anderem vorsieht,

daß Bürgschaften und Solidarhaftungen künftig nur nach umfassender Aufklärung

durch den Kreditgeber über mögliche Risken und über eine allenfalls dem Kreditge-

ber bekannte schlechte finanzielle Situation des Hauptschuldners rechtswirksam

eingegangen werden können. Es wird erwartet, daß sich Angehörige nach umfas-

sender AufkIärung seItener zu solchen Haftungsübernahmen bereitfinden werden.

Weiters soll, selbst wenn diese Verpflichtungen rechtswirksam eingegangen wur-

den, in besonderen Fällen ein richterliches Mäßigungsrecht allzu große Härten ver-

meiden. Sofern das Kreditinstitut feststellen muß, daß die Leistungsfähigkeit des in

Aussicht genommenen Bürgen oder mithaftenden Angehörigen zur besicherten Ver-

bindlichkeit in einem auffallenden Mißverhältnis steht, wird man in vielen Fällen auf

die Vereinbarung dieses Sicherungsmittels verzichten. So sehr diese Maßnahmen

aus meiner Sicht notwendig sind, um beispielsweise den einkommenslosen Ehe-

partner besser als bisher vor existenzbedrohenden Verpflichtungen etwa aus einer

Bürgschaft zu schützen, so sehr werden durch diese beabsichtigten Maßnahmen

die Sicherungsmittel Bürgschaft und Mitschuldnerschaft aus der Sicht des Gläubi-

gers problematischer werden und wird damit die Forderungsverpfändung noch stär-

ker in den Vordergrund rücken.

 

Eine Einschränkung oder gar das Verbot der Anzeige von Vereinbarungen über die

Verpfändung von Lohn- oder Gehaltsforderungen gegenüber dem Arbeitgeber wäre

daher nicht im wohlverstandenen lnteresse von Bewerbern um einen Privatkredit.

Die Praxis der Verständigung durch die Kreditunternehmungen entspricht der gel-

tenden Rechtslage, zumal der Kreditnehmer im Rahmen des Kreditvertrags das

Kreditinstitut zur Verständigung des Drittschuldners ausdrücklich ermächtigt.