1301/AB
Die Abgeordneten zum Nationalrat HAIDLMAYR, Freundinnen und Freunde haben am
2. Oktober 1996 unter der Nr. 1292/J an mich eine schriftliche parlamentarische Anfrage
betreffend ,,Zivildienst bei der Polizei" gerichtet, die folgenden Wortlaut hat:
,,1 . Wieviele Zivildiener sind bei der Bundespolizei eingesetzt?
2. Bei welchen verschiedenen Dienststellen sind Zivildiener eingesetzt?
3. Welche dieser Einrichtungen lassen sich dem Bereich ,,Vorsorge für die öffentliche
Sicherheit" und welche dem Bereich ,,Sicherheit im Straßenverkehr" zuordnen?
4. Inwieweit werden ZiviIdiener bei der Bundespolizei in Bereichen eingesetzt, die sich nicht
der ,,Vorsorge der öffentlichen Sicherheit" oder der ,,Sicherheit im Straßenverkehr", sondern
der sonstigen Sicherheitsverwaltung zuordnen lassen?
5. Inwieweit werden Zivildiener im Weisungsverhältnis von Exekutivbeamten eingesetzt?
6. Wie schätzen Sie, Herr Minister, den Widerspruch zwischen dem im § 2 Abs. 1 normierten
Grundrecht, auf einen Dienst außerhalb bewaffneter Körper und der Polizei als Zivildienststelle
ein?
7. Wie sehen Sie, Her Minister, den Gegensatz, daß ein Gewissensverweigerer, der einem
Wachkörper angehört, vom Zivildienst ausgeschlossen ist, umgekehrt jedoch Zivildienststellen
bei einem ebensolchen Wachkörper bestehen?"
Diese Anfrage beantworte ich wie folgt:
Die in der Einleitung zur Anfrage zum Ausdruck gebrachte Annahme, daß es sich bei der
Sicherheitsexekutive insgesamt um eine ,,uniformierte bewaffnete und nach militärischem
Muster organisierte Institution" handle, trifft nicht zu. Die Zivildienstleistenden sind den
Bundespolizeidirektionen zur Dienstleistung zugewiesen, bei denen es sich um Sicher-
heitsbehörden (Art. 78a B-VG), nicht aber um Wachkörper (Art. 78d B-VG) handelt. Diese
Bundespolizeidirektionen sind zivile Behörden, denen zur Erfüllung ihrer Aufgaben Organe des
öffentlichen Sicherheitsdienstes sowie Beamte der allgemeinen Verwaltung (Beamte des
allgemeinen Verwaltungsdienstes) angehören. Träger der Vorgesetztenfunktion ist die
jeweilige Präsidialabteilung der Bundespolizeidirektion, eine Organisationseinheit ohne
Wachkörperzu sammenhang; sie hat demnach dafür zu sorgen, daß die Zivildiener im Rahmen
der in § 3 Abs. 2 des Zivildienstgesetzes genannten Dienstleistungsgebiete ,,Vorsorge für die
öffentliche Sicherheit und die Sicherheit im Straßenverkehr" zum Einsatz kommen.
Es trifft auch nicht zu, daß aus dem Grundrecht, vom Wehrdienst befreit zu werden, ein
Anspruch auf Bewahrung vor organisatorischer oder funktioneller Nähe zu Wachkörpern
erfließt; das Grundrecht schafft vielmehr nur einen Anspruch auf Verschonung vor Tätigkeiten,
die in der Anwendung von Gewalt gegen Menschen bestünden. Würde nämlich ein Recht auf
,,Gewaltferne" bereits aus dem Grundrecht auf Befreiung vom Wehrdienst ableitbar sein, so
bedürfte es der ausdrücklichen in § 2 Abs. 3 ZDG enthaltenen Feststellung, daß der Zivildienst
außerhalb des Bundesheeres zu leisten sei, nicht mehr. Es kann daher aus meiner Sicht gegen
die Einbindung von Zivildienstleistenden in sicherheitsbehördliche Tätigkeit solange nichts
sprechen, als gewährleistet ist, daß die Zivildienstleistenden in Ausübung ihres Dienstes
keinesfalls physische Gewalt auszuüben haben.
Schließlich halte ich es - im Gegensatz zur Anfrage - durchaus für wünschenswert, wenn es zu
Kontakten zwischen der Sicherheitsverwaltung und Zivildienstleistenden kommt, da ich davon
ausgehe, daß andernfalls auf beiden Seiten wenig Möglichkeit bestünde, mit Mitbürgern aus
diesem Bereich zu kooperieren und in deren Aufgaben und Motivation Einsicht zu erhalten.
Gerade die Abschottung der Menschen voneinander, hindert am wechselweisen Verständnis
und schafft dadurch unnötige Ängste.
Zu Ihrer Behauptung, Zivildienstleistende hätten sich im Frühjahr l996 während einer
Demonstration zwischen Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes und Manifestanten
befunden, hat mir die Bundespolizeidirektion Wien berichtet, daß dies nicht zutreffe.
Tatsächlich seien im März 1996 acht Zivildienstleistende zur Aufstellung von Tretgittern aus
Anlaß einer angemeldeten, aber noch nicht im Gang befindlichen Demonstration eingesetzt
worden. Es gebe jedoch keinerlei Hinweis dafür, daß diese Zivildienstleistenden sich während
der Demonstration zwischen den eingesetzten Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes und
den Demonstranten befunden hätten. Mir scheint kein Zweifel daran möglich zu sein, daß das
Aufstellen von Tretgittern zum Zwecke der Gewährleistung eines friedlichen und
eskalationsfreien Vers ammlungsablaufs unter den Tatbestand der ,,Vorsorge für die öffentliche
Sicherheit" zu subsumieren ist.
Die einzelnen Fragen b eantworte ich wie folgt:
Zu den Fragen 1 und 2:
Bei den Bundespolizeidirektionen Eisenstadt, Klagenfurt, Villach, St. Pölten, Schwechat,
Wr. Neustadt, Salzburg, Graz, Leoben, Innsbruck und Wien wurden 345 Zivildienstplätze
geschaffen. Zum Dienstantrittstermin Oktober 1996 wurden diesen Behörden 158
Zivildienstpflichtige zur Dienstleistung zugewiesen, sodaß zum Stande 1. November 1996
205 Zivildienstleistende dort eingesetzt waren.
Zu den Fragen 3 und 4: .
Die Bundespolizeidirektionen sind sowohl für den Bereich ,,Vorsorge für die öffentliche
Sicherheit" als auch für den Bereich ,,Sicherheit im Straßenverkehr" zuständig. Eine Trennung
nach Tätigkeitsbereichen ist nicht möglich. Der Einsatz von Zivildienstleistenden zur Mithilfe
beim kriminalpolizeilichen Beratuugsdienst ist dem Bereich ,,Vorsorge für die öffentliche
Sicherheit" zuzuordnen, die Tätigkeit bei der Schulwegsicherung sowie Hilfsdienste beim
Sicherheit" zuzuordnen, die Tätigkeit bei der Schulwegsicherung sowie Hilfsdienste beim
Transport von Verkehrsleiteinrichtungen und im Bereich der Kfz-Technik zählen zum Bereich
,,Sicherheit im Straßenverkehr". In der schulfreien Zeit werden Zivildienstleistende im
Administrativbereich zu den genannten Dienstleistungsgebieten beschäftigt.
Zu Frage 5:
Dienstvorgesetzter der Zivildienstleistenden ist der jeweilige Stadthauptmann, der kein
Angehöriger eines Wachkörpers ist. Lediglich bei der Kraftfahrabteilung, bei der acht
Zivildienstpflichtige Dienst versehen, übt diese Funktion ein leitender Sicherheitswachebeamter
aus. Bei dieser Dienststelle handelt es sich jedoch um eine ausschließlich auf die Beistellung
kraftfahr- und verkehrspolizeilicher Infrastruktur ausgerichtete Stabseinheit, bei der die
Ausübuug verwaltungsbehördlicher Befehls- und/oder Zwangsgewalt nicht zur
Standarddienstverrichtung gehört.
Zu den Fragen 6 und 7:
Der Zivildienst ist als Wehrersatzdienst konzipiert. Eine Befreiung von der Wehrpflicht kommt
nur in Betracht, wenn der Betroffene - außer in Fällen der Notwehr oder Nothilfe - den Einsatz
von Waffengewalt gegen Menschen aus Gewissensgründen ablehnt. Die Zugehörigkeit zu
einem Wachkörper verlangt allenfalls einen dienstlichen Waffengebrauch, der über Notwehr
und Nothilfe hinausgeht. Der Ausschluß der Angehörigen von Wachkörpern von der
Möglichkeit der Wehrpflichtbefreiung ergibt sich somit aus dem Konzept des
Wehrersatzdienstes.