1337/AB

 

 

 

 

Die Abgeordneten zum Nationalrat Mag. Stoisits, Freundinnen und Freunde haben am 3. Oktober

1996 unter der Nr. 1323/J an mich eine schriftliche parlamentarische Anfrage betreffend in der

 

NS-Zeit von Österreichern oder in Österreich damals lebenden Personen gestohlenes, entwende-

 

tes, arisiertes und unter Zwang unter dem tatsächlichen Wert von den Opfern erworbenes Vermö-

gen bzw. den materiellen Schaden der NS-Opfer insgesamt gerichtet, die folgenden Wortlaut hat:

 

" 1. Wann und unter Verwendung welcher Unterlagen, Angaben, Wechselkurse und Zinsverluste

wurde zuletzt der wirtschaftliche Schaden, den die NS-Herrschaft an den von ihnen Verfolgten

verursachte, quantifiziert und welchem Wert entspricht dies heute?

 

2. Welche Gruppen von Verfolgten wurden in dieser Einschätzung erfaßt?

 

3. Wie hoch wird der Wert des zurückgelassenen, gestohlenen, arisierten und unter Zwang unter

dem tatsächlichen Wert von Verfolgten gekauften Vermögens an Grundbesitz geschätzt?

 

4. Wie hoch wird der Wert des zurückgelassenen, gestohlenen, arisierten und unter Zwang unter

dem tatsächlichen Wert von Verfolgten gekauften Vermögens an Unternehmen, Aktien, Wert-

papieren, Marken- und Musterrechten und Patenten geschätzt?

 

5. Wie hoch wird der Wert des zurückgelassenen, gestohlenen, arisierten und unter Zwang unter

dem tatsächlichen Wert von Verfolgten gekauften Vermögens an Möbeln und persönlicher

Habe geschätzt?

 

6. Wie hoch wird der Wert des zurückgelassenen, gestohlenen. arisierten und unter Zwang unter

dem tatsächlichen Wert von Verfolgten gekauften Vermögens an Gold, Juwelen und Silberge-

genständen geschätzt? Bei dieser Schätzung sollte auch der Wert von den Opfern in NS-Haft-

anstalten und KZs aus Kiefern gebrochenen und auf andere Weise entwendeten Zahngoldes

enthalten sein.

 

7. Wie hoch wird der Wert des entwendeten, gestohlenen, arisierten Vermögens an Sparguthaben

geschätzt?

 

8. Besteht die Möglichkeit, daß auf österreichischen Banken nachrichtenlose Guthaben vorhan-

den sind oder waren, die vor der Machtergreifung der Nazis Verfolgten gehörten, aber nach

dem Krieg von den Eigentümern nicht mehr beansprucht wurden? Wie hoch wird der Wert

dieser Guthaben geschätzt und was geschah damit?

 

9. Wie hoch wird der Wert des entwendeten. gestohlenen, arisierten und unter Zwang unter dem

tatsächlichen Wert von Verfolgten gekauften Vermögens an Versicherungspolicen, bzw. nicht

ausgezahlten Versicherungssummen für beispielsweise Lebensversicherungen, Pensionsver-

sicherungen, Kranken- und Unfallversicherungen, Haushaltsversicherungen, etc. geschätzt?

 

l0. Wie hoch wird der Verdienstentgang von Verfolgten während und durch die Emigration,

Flucht, Gefängnis- und KZ-Haft geschätzt?

 

11. Falls die Einschätzung des verlorenen Vermögens bisher nicht zur Gänze vorgenommen wur-

de, bis wann ist mit entsprechenden Unterlagen zu rechnen und welche Stellen wurden wann

mit der Erstellung derselben beauftragt?

 

12. Was hat die Bundesregierung bisher von sich aus unternommen, um die Eigentümer von ver-

lorenem Vermögen und deren Rechtsnachfolger ausfindig zu machen?

 

13. Welche Schritte plant die Bundesregierung, um die Eigentümer von verlorenem Vermögen

und deren Rechtsnachfolger ausfindig zu machen?

 

14. Welche Werte konnten die Betroffenen und deren Rechtsnachfolger bis heute zurückerhalten?

 

15. Was hat die Bundesregierung bisher unternommen, um Vermögen, das in andere Staaten ab-

transportiert wurde oder auf andere Weise in die Verfügungsgewalt anderer Staaten geraten ist,

zurückzubekommen und an die Betroffenen und deren Rechtsnachfolger zurückzustellen?

 

16. Welche Schritte plant die Bundesregierung, um Vermögen, das in andere Staaten abtranspor-

tiert wurde, zurückzubekommen und an die Betroffenen und deren Rechtsnachfolger zurück-

zustellen?

 

17. Sollte es der Bundesregierung gelingen, Teile des abtransportierten Goldes oder anderer Werte

aus dem Eigentum von Opfern aus der Schweiz oder anderen Staaten zurückzubekommen, wie

und wem plant die Bundesregierung diese Werte zukommen zu lassen?

 

18. Sollte es der Bundesregierung gelingen, Teile des abtransportierten Goldes oder anderer Werte

aus dem Eigentum der Oesterreichischen Nationalbank aus der Schweiz oder anderen Staaten

zurückzubekommen, wie und wem plant die Bundesregierung diese Werte zukommen zu las-

sen?"

 

Diese Anfrage beantworte ich wie folgt:

 

Da die Fragen 1 bis 9 bzw. 10 den Zuständigkeitsbereich des Bundesministeriums für Finanzen

bzw. des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales betreffen und meinem Ressort keine dies-

bezüglichen Unterlagen vorliegen, ersuche ich um Verständnis, daß ich von einer Beantwortung

dieser Fragen absehe.

 

Auch die Fragen 11 bis 18 betreffen überwiegend den Kompetenzbereich des Bundesministeriums

für Finanzen. Der Bundesminister für Finanzen hat mir jedoch eine Stellungnahme übermittelt, auf

dessen Grundlage ich diese Fragen wie folgt beantworte:

 

Zu Frage 11 :

Da mangels konkreter Unterlagen und Informationen verläßliche Daten nicht vorhanden sind, ist

es auch nicht möglich, Schätzungen vorzunehmen. Somit wurden und werden auch keine Stellen

mit einer derartigen Arbeit beauftragt.

 

 

Zu Frage 12:

Die österreichische Bundesregierung hat immer wieder versucht, Berechtigte ausfindig zu

machen, um sie auf die Möglichkeit der Geltendmachung ihrer Rechte aufmerksam zu machen. Im

Bereich des Ersten und Zweiten Rückstellungsgesetzes erfolgte dies durch die Finanzlandesdirek-

tionen, im Bereich der Kunst- und Kulturbereinigungsgesetze durch die österreichischen Vertre-

tungen im Ausland. Informationen über die Rückstellungsmöglichkeiten an die Verbände der

rassisch und politisch Verfolgten gab es immer wieder, ebenso Hinweise und Einschaltungen in

verschiedenen Medien.

 

Auch auf die Möglichkeit der Antragstellung an den Alten und Neuen Hilfsfonds I und II, die

Sammelstellen A und B oder den Abgeltungsfonds wurde von den österreichischen Vertretungen

im Ausland und den ausländischen Vertretungen in Wien sowie den führenden Tageszeitungen in

den wichtigsten Emigrationsländern hingewiesen.

 

 

Zu Frage 13 :

Ich verweise zunächst auf die Entfertigungserklärung des Präsidenten des Commitee for Jewish

Claims on Austria, Dr. Nahum GOLDMANN, vom 19. Dezember 1961 , in der dieser erklärt, daß

das Komitee keine Schritte gegenüber der österreichischen Bundesregierung setzen werde, um

weitere gesetzgeberische Maßnahmen zugunsten von in Österreich durch das NS-Regime verfolg-

ten jüdischen Opfern zu verlangen.

Da die Bundesregierung davon ausgehen kann, daß alle Forderungsberechtigten in den vergange-

nen 50 Jahren ihre Verluste in irgendeiner Form geltend gemacht haben bzw. Rückstellungsan-

sprüche durch die Sammelstellen A und B erhoben wurden, sind weitere Schritte in diesem Zu-

sammenhang nicht geplant.

 

 

Zu Frage 14:

Abgesehen von Bestandrechten, bei denen durch andere Maßnahmen Abhilfe geschaffen wurde

(Opferfürsorgegesetz), dürften im großen und ganzen alle nach Kriegsende auf dem Gebiet der

Republik Österreich vorhandenen Werte der durch das NS-Regime Geschädigten den Betroffenen

oder deren Rechtsnachfolgern wieder ausgefolgt bzw. dementsprechende Entschädigungen in die

Wege geleitet worden sein. Die Versteigerung jener Kunst- und Kulturgüter, die der Israelitischen

Kultusgemeinde Östereich übereignet worden sind, erfolgte am 29. und 30. Oktober l996.

 

 

Zu Frage 15 :

Im Staatsvertrag vom 15. Mai 1955 haben sich die Alliierten verpflichtet, Vermögenswerte an

Österreich zurückzustellen, soweit sie selbst eine Entziehung österreichischen Vermögens ange-

nommen haben.

 

 

Zu Frage 16:

Soferne Indizien bestehen, daß österreichisches Vermögen vom Ausland noch nicht rückerstattet

wurde, hat das jeweils zuständige Ressort die geeigneten Schritte zu setzen, um eine Ausfolgung

im Verhandlungsweg zu erreichen. Es muß aber betont werden, daß durch das Abkommen von

Potsdam den in die Kriegsereignisse einbezogenen Staaten das Recht eingeräumt wurde, deutsches

Eigentum in Anspruch zu nehmen.

 

 

Zu Frage 17:

Sollte noch Eigentum von Opfern an die Republik Österreich gelangen, ist selbstverständlich be-

absichtigt, es diesen bzw. deren Rechtsnachfolgern zukommen zu lassen.

 

 

Zu Frage 18:

Über die österreichischen Rückstellungsansprüche auf Währungsgold hatte die Brüsseler Gold-

kommission zu entscheiden. Mit Beschlußprotokoll vom 9. Juni 1958 wurde der Anspruch der

 

Oestereichischen Nationalbank auf das am 17. März 1938 in ihrem Besitz befindliche Währungs-

gold mit 78.267 '1478 kg f anerkannt. Tatsächlich wurden 64 % dieser Goldmenge, das sind

50. 181'8249 kg f, der Oesterreichischen Nationalbank rückerstattet, sodaß hinsichtlich des Dif-

ferenzbetrags aus Sicht der Oesterreichischen Nationalbank nach wie vor ein Rückgabeanspruch

besteht.

 

Sollte ehemals im Besitz der Oesterreichischen Nationalbank befindliches Währungsgold bekannt

werden, so wäre es an diese rückzuerstatten.