1386/AB XX.GP
An den
Herrn Präsidenten
des Nationalrates
Dr. Heinz Fischer
Parlament
1017 Wien
Auf die - aus Gründen der besseren Übersichtlichkeit in Kopie bei-
geschlossene - schriftliche Anfrage der Abgeordneten Wabl,
Petrovic, Freundinnen und Freunde vom 28.10.1996 , Nr. 1380/a,
betreffend Anrainerschutz bei Massentierhaltung, beehre ich mich
folgendes mitzuteilen :
Zu Frage 1:
Gemäß § 13 Abs . JL3 des viehwirtschaftsgesetzes (VWG) 1983 waren die
Bezirksverwaltungsbehörden verpflichtet, tierhaltende Betriebe auf
die Einhaltung der sich aus den Abs. 1 und 3 bis 12 ergebenden Ver-
pflichtungen zu kontrollieren. Nähere Details wurden in einem eige-
nen Kontrollerlaß den Ämtern der Landesregierung übermittelt und
damit in Zusammenhang stehende Probleme in diversen Besprechungen
erörtert. Zusätzlich haben Beamte des Bundesministeriums für Land-
und Forstwirtschaft regelmäßig stichprobenweise bestimmte Bezirke
unter Beiziehung der zuständigen Landesbediensteten einer überkon-
trolle unterzogen.
Gemäß § 13 Abs. 15 VWG 1983 hatten die Bezirksverwaltungsbehörden
über das Ergebnis der Kontrollen bis Ende Mai des folgenden Jahres
dem Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft im Wege des Lan-
deshauptmannes zu berichten. Der Bundesminister für Land- und
Forstwirtschaft hatte die gesammelten Berichte unverzüglich an den
Hauptausschuß des Nationalrates weiterzuleiten. Diese Bestimmung
ist mit der VWG-Novelle 1994 , BGBl . Nr . 664 , ersatzlos entfallen .
Hinsichtlich des in der Anfrage genannten Zeitraumes liegen dem
Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft keine Detailberich-
te für die Jahre 1994 und 1995 vor. Demnach wurden 1994 20 Betriebe
kontrolliert, wovon bei 4 Betrieben ein verwaltungsstrafverfahren
eingeleitet und eine Geldstrafe ausgesprochen wurde. Bei allen Be-
trieben war der. gesetzeskonforme Zustand durch die Erhöhung der
Tierbestandsobergrenzen auf das 1, 5-fache gemäß § 13 Abs. 1 VWG im
Zuge der VWG-Novelle 1994 wieder gegeben. Im Jahre 1995 wurden
ebenfalls 20 Betriebe kontrolliert . Es wurde kein Verwaltungsstraf-
verfahren eingeleitet .
Zu Frage 2:
In der Sonderrichtlinie des Bundesministeriums für Land- und
Forstwirtschaft für die Förderung von Investitionen in der Land-
wirtschaft aus Bundesmitteln (Investitionsrichtlinie) wird tier-
gerechten produktionsweisen insoferne ein entsprechender Stellen-
wert eingeräumt, als bei tierfreundlichen Investitionen im Stallbau
sowohl in den "benachteiligten landwirtschaftlichen Gebieten" als
auch in den "sonstigen Gebieten" höhere Investitionszuschüsse
gewährt werden. Die Investitionsrichtlinie verlangt bei Stallbau-
maßnahmen die Einhaltung des 'Tierschutz-Mindeststandard gemäß
Vereinbarung nach Artikel 15a B-VG über den Schutz von Nutztieren
in der Landwirtschaft" und Obergrenzen von max. 2, 5 GVE/ha land-
wirtschaftlicher Nutzfläche (LN) . Für die Fleischrinderproduktion
gilt ab dem Jahre 1996 eine Obergrenze von max. 2 , O GVE/ha LN. Bei
der Umstellung auf besonders tierfreundliche Haltung wird in der
Invstitionsrichtlinie auf die Kriterien des Arbeitsplatzes der
Bundesanstalt für alpenländische Landwirtschaft Gumpenstein "Geho-
bener Tiergerechtigkeitsstandard für die bäuerliche Nutztier-
haltung" bezug genommen.
Zu Ihren Feststellungen, daß "das derzeitige Förderungssystem
hauptsächlich Betriebe mit hohem Tierbestand begünstigt', darf
ausgeführt werden, daß gerade das ÖPUL als zentrales Element des
landwirtschaftlichen Förderungsinstrumentariums in Österreich
eindeutige Begrenzungen vorsieht, denen zufolge Betriebe mit hohem
Tierbestand nicht in den Genuß der entsprechenden Förderungen ge-
langen können. Auf die bestehende Fördergrenze von max. 2 , O GVE pro
ha landw. Nutzfläche, welche für einen Großteil der Förderungsmaß-
nahmen zur Anwendung gelangt, darf in diesem Zusammenhang besonders
hingewiesen werden .
Auch in der EU setzt Österreich Aktivitäten, damit seine bekannt
hohen Standards der Tierhaltung, die bereits seit Jahren Kriterien
für den biologischen Landbau darstellen und in den codex Alimen-
tarius Austriacus (Teilkapitel A 8 B) Eingang gefunden haben, auch
in den Rechtsvorschriften der EU verankert werden. Im Zuge der ge-
rade laufenden Diskussionen zur Erweiterung der "EU-Verordnung Nr .
2092/91 über den ökologischen Landbau und die entsprechende Kenn-
zeichnung der landwirtschaftlichen Erzeugnisse und Lebensmittel', um
den Bereich der tierischen Erzeugung wurden von Österreich bereits
Vorschläge unterbreitet und Kriterien für ein umfassendes Beurtei-
lungssystem in der Tierhaltung präsentiert . Solche Kriterien sind:
Bewegungsmöglichkeit, Sozialkontakt, Bodenbeschaffenheit, Stallkli-
ma (Licht, Luft, Lärm) und Betreuungsintensität.
EU-weit gültige Rechtsvorschriften müssen einerseits im Hinblick
auf die Verbrauchererwartungen und das Selbstverständnis der biolo-
gischen Landwirtschaft verbindliche und mit vertretbarem Aufwand
kontrollierbare Normen darstellen, andererseits muß die große Viel-
falt der Erzeugungsbedingungen berücksichtigen, daß die biologische
Landwirtschaft in allen Regionen der EU ermöglicht wird. Daher ist
ein Beurteilungssystem erforderlich, das einerseits flexibel ist,
andererseits aber bestimmte Mindestauflagen auf der Basis von
bestimmten Kriterien vorgibt.
Für den Bereich der gemeinsamen Marktorganisation Rindfleisch darf
darauf hingewiesen werden, daß auch hier umweltrelevante Einschrän-
kungen bestehen, welche extensiv wirtschaftende Betriebe begünsti-
gen. In diesem Zusammenhang darf auf die Extensivierungsprämie
hingewiesen werden, wonach bei einem förderbaren Viehbestand
(einschließlich Milchkühe) unter 1, 4 GVE/ha ein sogenannter Exten-
sivierungszuschlag in Höhe von derzeit rd. S 500, -- je beantragtem
männlichen Rind bzw. Mutterkuh bezahlt wird. Ab dem .Jahre 1997 gilt
eine zweistufige Regelung, nämlich S 497 , -- für männliche Rinder
bis unter 1, 4 GVE und S 713, -- für männliche Rinder unter 1, O GVE.
Für Anträge des Jahres 1995 wurden im Rahmen dieser Aktion öster-
reichweit insgesamt 175, 3 Mio Schilling ausbezahlt .
. Für alle Mitgliedstaaten der EU wurde im Rahmen der Gemeinsamen
Marktorganisation Rindfleisch bei der Gewährung der Sonderprämie
für männliche Rinder eine Obergrenze von 90 Stück pro Betrieb fest-
gelegt. Sinn dieser Obergrenze soll die Begrenzung der Produktion
und damit eine Einschränkung der intensiven Rinderhaltung sein.
Zu Frage 3:
Diesbezüglich wurden und werden durch das Bundesministerium für
Land- und Forstwirtschaft eine Reihe von Initiativen gesetzt, wie
z . B . :
- Im Jahr 1995 wurde ein bundesweites Seminar zur Qualifizierung
von Beratungs- und Lehrkräften zum Thema "Tiergerechte, ko-
stengünstige und arbeitswirtschaftlich optimierte Stallgebäu-
de" abgehalten;
- das Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft trat als
Mitveranstalter der internationalen Fachtagung "Tierzucht und
Ethik in der Landwirtschaft - Probleme, Analysen, Perspekti-
ven" im Jahr 1996 auf;
- im Rahmen einer Lehrer- und Beraterweiterbildungsveranstaltung
1996 zum Thema "Aktuelle Fragen und Probleme des biologischen
Landbaues" an der Bundesanstalt für. alpenländische Landwirt-
schaft Gumpenstein wurden die rechtlichen Rahmenbedingungen
der biologischen, artgerechten Tierhaltung in Österreich und
in der EU erörtert sowie über tiergerechte Fütterung anhand
von Praxisbeispielen referiert; an die 100 Teilnehmer kamen
aus der Beratung, aber auch aus Bioverbänden und aus dem
Bereich der landwirtschaftlichen Fachschulen,
- die Spezialberaterausbildung ',biologischer Landbau,' in den
Jahren 1996 und 1997 sieht eine vierteilige Ausbildung vor.
Das Modul 2 mit dem Thema "Komplexe tiergerechte Haltung und
Fütterung" ist vorgesehen;
- die Bundesanstalt für alpenländische Landwirtschaft Gumpen-
stein veranstaltet im September 1997 eine Bautagung, wobei
aktuelle Fragen des landwirtschaftlichen Bauens behandelt
werden sollen und dabei auch Aspekte der Tiergerechtheit
diskutiert werden;
- das Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft trat als
Mitveranstalter der "Freilandtagung" im Oktober 1996 auf, wo-
bei es unter anderem auch um die Thematik "Anbindehaltung/con
tra/Laufstallhaltung " ging .
- das Österreichische Kuratorium für Landtechnik setzt sich in-
tensiv mit Fragen der umwelt- und tiergerechten Haltung ausei
nander; unter anderem wurden zu diesem Themenbereich Baumerk-
blätter, welche in der Beratung zum Einsatz gelangen, erarbei
tet .
Zu den Fragen 4 und 5:
In denjenigen Fällen, wo die Bewilligungspflicht nach § 32 Abs . 2
lit.g des Wasserrechtsgesetzes greift, hat die Behörde im Rahmen
der Wahrung öffentlicher Interessen auch auf den Anrainerschutz bei
Massentierhaltungen zu achten. Einer Neuerung bedarf es daher
nicht. Darüber hinausgehende Regelungen sind im Rahmen der Vor-
schriften über Emission, Lärm, Staubbelästigung u.a. zu treffen.
Die Materie des Tierschutzes (mit Ausnahme der Tiertransporte und
Tierversuche) fallt gemäß der bundesstaatlichen Kompetenzverteilung
in Gesetzgebung und Vollziehung in die Zuständigkeit der Länder.
Die Tierschutzgesetze der Länder stimmen inhaltlich weitgehend
überein. Die Vereinbarung gemäß Art . 15a B-VG über den Schutz von
Nutztieren in der Landwirtschaft ist im wesentlichen umgesetzt. Die
Länder verpflichten sich darin, hinsichtlich der Haltung von Rin-
dern, Schweinen, Geflügel und Pelztieren Vorschriften bezüglich
Bewegungsmöglichkeit, Sozialkontakt, Bodenbeschaffenheit, Stallkli-
ma und Betreuungsintensität zu erlassen. In manchen Bundesländern
wurden darüber hinausgehende, weiterreichende Tierschutzbestimmun-
gen erlassen .
Das Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft war und ist
jedenfalls bemüht den Belangen der artgerechten Tierhaltung sowohl
auf nationaler Ebene durch eine gezielte Förderungspolitik und
durch Schwerpunkte in der Information und Beratung, als auch im
Bereich der EU den gebührenden Stellenwert zu verschaffen.
Beilage
Der Bundesminister :