1400/AB XX.GP

 

Die Abgeordnete zum Nationalrat Ing. Langthaler, Freundinnen und Freunde

haben an mich eine schriftliche Anfrage, betreffend strafrechtliche Verfahren MVA

Flötzersteig IV, gerichtet und folgende Fragen gestellt:

"1.a) Warum wurde lediglich der Luftschadstoff Dioxin untersucht, wo doch schon

das DKEG und seine Ausführungsverordnungen zur Vermeidung einer Ge-

sundheitsbeeinträchtigung Grenzwerte für eine Reihe von Luftschadstoffen

festgelegt haben (so die 2. DKVO, Grenzwerte für Dampfkesselanlagen der

Müllverbrennung: für Staub, Chlorwasserstoff, Fluorwasserstoff, Schwefeldi-

oxid, Blei, Zink, Arsen, Chrom, Cadmium und Quecksilber)?

b) Welche Untersuchungen zur Stickoxid-Belastung durch den LKW-Verkehr

wurden von der Strafbehörde herangezogen, um zum Ergebnis zu kom-

men, daß die Stickoxid-Emissionen aus dem Verkehr höher waren als aus

der MVA Flötzersteig?

2. Warum ist die Strafbehörde darüber hinweggegangen bzw hat keine strafrecht-

liche Verantwortlichkeit daraus abgeleitet, daß

a) der Betreiber der MVA Flötzersteig (die Heizbetriebe Wien) die jährliche

Überprüfung der Anlage nach § 7 DKEG unterlassen hat (siehe Antwort des

BMwA) bzw.

b) die zuständige Behörde ebenfalls die Überprüfung des Betriebes nach § 11

Abs. 3 DKEG unterlassen hat?

3. Erst aufgrund der parlamentarischen Anfrage der Grünen und den Nachprüfun-

gen der Oberbehörde wurden erstmals die - nunmehr nach dem LRG-K - ge-

setzmäßigen Messungen durchgeführt. Wie kann der Bundesminister für Justiz

zur Auffassung gelangen, daß die Grenzwerte in den Jahren 1981 - 1988 ein-

 

gehalten wurden, wenn eine objektive Überprüfung v0n außen unterlassen

wurde?

4. Wird das Justizministerium zumindest das v0m BMwA in Auftrag gegebene

Gutachten zur Überprüfung der Anlage (siehe Zitat 0ben) beischaffen, oder

hält das Justizministerium es mit dem Grundsatz der Objektivität der Erhebun-

gen für vereinbar, lediglich Messungen des Betreibers selbst, die 0fferibar auch

nie der Behörde übermittelt wurden, zur Beurteilung der Strafwürdigkeit in den

Zeiträumen 1981 - 1988 (Geltungsdauer des DKEG) heranzuziehen?

5. Welche Dioxinkonzentrationen wurden in den Jahren 1 986 bis 1 994 durch die

ARGE Technischer Umweltschutz ua wie in der Antwort des BMJ zu Punkt 2a)

angegeben bei den Abgasen der MVA Flötzersteig gemessen?

6. Sind dem Justizministerium die Grenzwertüberschreitungen nach dem

1.1.1995 bekannt und wurde überprüft, ob es sich hier - wie von der Behörde

in der Anfragebeantwortung vom 1 1 .9.1 995 Nr. 1 594/J angegeben, bloß um ei-

nen erhöhten Schadstoffausstoß wegen kurzfristiger Ausfälle der Filteranlagen

handelt?

7. a) Ist die Strafbehörde bei Beurteilung des Transports der MVA-Rückstände

von dem Sachverhalt ausgegangen, daß die Rückstände in loser Schüttung

im 0ffenen LKW transportiert werden, wenn nicht, von welchem Sachverhalt

dann?

b) Wenn die HBW selbst diesen Transport nicht zu verantworten hat, wurde

gegen den Transporteur ermittelt?

8. Ist die Strafbehörde der Lagerung von Filterkuchen mit einer Dioxinkonzentration-

 von 14.100 ng TE/kg in einer Halle in Simmering (Greenpeace-Anzeige vom

3. Juli 1989) nachgegangen oder wurde kein derartiger Sachverhalt festge-

stellt?

9. ln der Anfragebeantwortung zu strafrechtliche Verfahren MVA Flötzersteig 111

wird hervorgehoben, daß nicht nur die akute Wirkung von Dioxin sondern auch

die Langzeitwirkung berücksichtigt wurde. Um welche ',Reihenuntersuchungen"

handelt es sich hier und auf welche (große Zahl) "wissenschaftliche(r) Studien,'

wird hier unter Pkt. 3c) verwiesen?,'

Ich beantworte diese Fragen wie folgt:

Zu 1a:

Wie bereits anläßlich der Beantwortung von Punkt 3c der schriftlichen Anfrage, be-

treffend strafrechtliche Verfahren zur MVA Flötzersteig 111, Zahl 1 105/J-NR/1996,

festgehalten wurde, liegen keine konkreten Hinweise dafür vor, daß die vor Inkraft-

 

treten des Luftreinhaltegesetzes geltenden Grenzwerte überschritten wurden. Für

die Zeit vor Einbau der Rauchgasreinigungsanlage fehlen verläßliche Messungen.

Zu 1b:

Die Staatsanwaltschaft Wien hat sich bei ihrer Einschätzung auf den Bericht des

Umweltbundes 1994 gestützt, wonach ca. zwei Drittel der Emissionen von

Stickoxyden aus dem Straßenverkehr resultieren.

Zu 2:

Die Unterlassung von in Verwaltungsvorschriften vorgeschriebenen Messungen

allein verwirklicht keinen Tatbestand des Umweltstrafrechtes. Vielmehr müßte den

Verantwortlichen nachgewiesen werden, durch den Betrieb entgegen einer Rechts-

vorschrift oder einem behördlichen Auftrag eine umweltrelevante Verunreinigung

verschuldet zu haben (Verwaltungsakzessorietät).

Zu 3:

Unabdingbare Voraussetzung für die Strafverfolgung ist der sichere Nachweis eines

strafrechtlich relevanten Fehlverhaltens. Bloße Hypothesen, in denen Meßwerte

mangels objektiver Überprüfung angezweifelt werden stellen keine taugliche Ent-

scheidungsgrundlage dar.

Zu 4:

lch muß davon ausgehen, daß auch von anderen Behörden im Zusammenhang mit

dem Betrieb der MVA Flötzersteig veranlaßte Untersuchungen keine Hinweise auf

ein strafrechtlich relevantes Fehlverhalten erbracht haben, weil sie ansonsten ge-

mäß § 84 Abs. 1 StPO zur Anzeigeerstattung an die Strafverfolgungsbehörden ver-

pflichtet gewesen wären. Außerdem ist in diesem Zusammenhang zu berücksichti-

gen, daß auf Grund der laufenden Umrüstung der MVA Flötzersteig fehlende Mes-

sungen für vergangene Zeiträume, insbesondere für jene vor Einbau der Rauchgas-

reinigungsanlage, nicht mehr nachgeholt werden können.

 

Zu 5:

lch verweise auf die dem gerichtlichen Sachverständigengutachten von

Univ.Prof. Dr. Schulte-Hermann vom 23.10.1995 entnommene Zusammenstellung

der vorliegenden Meßwerte, die als Beilage angeschlossen ist.

Bedauerlicherweise ist es anläßlich der Beantwortung der schriftlichen Anfrage der

Abgeordneten zum Nationalrat Ing. Monika Langthaler, Freundinnen und Freunde,

betreffend strafrechtliche Verfahren zur MVA Flötzersteig 111, zu einem Übertra-

gungsfehler aus den mir vorliegenden Unterlagen gekommen. Die Messungen von

Dipl.-lng. Dr. Rolf Boos haben demnach nicht im Jänner 1984, sondern im Jänner

1994 stattgefunden.

Zu 6:

Der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten hat in Beantwortung der

schriftlichen Anfrage Nr. 1594/J, betreffend MVA Flötzersteig, festgehalten, daß die

Grenzwertüberschreitungen auf Störungen im Betrieb zurückzuführen sind und daß

die hierfür geltenden Bestimmungen des § 1O Abs. 4 bis 6 LRG-K vom Betreiber ent-

sprechend beachtet wurden (Punkt 1 dieser Anfragebeantwortung). ln Beantwortung

von Punkt 5 b dieser Anfrage wurde zu den im ersten Halbjahr 1995 festgestellten

Grenzwertüberschreitungen Stellung genommen. Mangels Verdachtes einer gericht-

lich strafbaren Handlung ist eine neuerliche Überprüfung durch die Strafverfolgungs-

behörden nicht indiziert.

Zu 7a:

Die Staatsanwaltschaft Wien ist davon ausgegangen, daß die Transporte seit dem

Jahre 1988 in angefeuchtetem Zustand, jeweils mit einer Plane abgedeckt, durchge-

führt wurden.

Zu 7b:

Gegen die Transporteure hat die Staatsanwaltschaft Wien nicht ermittelt, weil

konkrete Hinweise auf einen allfälligen Verstoß gegen die jeweils geltenden Aufla-

gen nicht vorlagen. Überdies wäre nunmehr Verjährung eingetreten.

 

Zu 8:

Wegen dieses Sachverhaltes hat die Staatsanwaltschaft Wien am 29.5.1991 nach

der Durchführung einer gerichtlichen Voruntersuchung gegen insgesamt drei Perso-

nen wegen §§ 180 ff. StGB die Einstellungserklärung nach § 109 Abs. 1 StPO ab-

gegeben. -

Zu 9:

Ich verweise insbesondere auf die vom Sachverständigen Univ.Prof. Dr. Rolf Schul-

te-Hermann in seinem Gutachten erörterte Untersuchung von Zwick, Popp, Wagner

zur Auswirkung der Müllverbrennungsanlage Flötzersteig auf den Atmungstrakt und

das Immunsystem von Kindern (Forschungsprojekt "Lunge und Umwelt" an der Lun-

genabteilung des Krankenhauses Lainz, März 1991), nach der gesundheitliche Aus-

wirkungen von Emissionen der MVA Flötzersteig nicht nachweisbar gewesen seien.

Diese Ergebnisse sollen mit ähnlichen, im Ausland durchgeführten Untersuchungen

übereinstimmen. lnsgesamt wird auf das Literaturverzeichnis zum Gutachten von

Univ.Prof. Dr. Rolf Schulte-Hermann verwiesen, das ebenfalls in,: Ablichtung ange-

schlossen ist.