1403/AB XX.GP
Die Abgeordneten zum Nationalrat Dr. Helene Partik-Pablé, Mag. Schweitzer haben
an mich eine schriftliche Anfrage, betreffend ',Häfenurlaub'" gerichtet und folgende
Fragen gestellt:
"1 . Wurde der flüchtige Häftling wieder in die Strafanstalt Hirtenberg rückgeführt?
2. Von wem und wie wird überprüft, ob das Risiko einer Flucht bei solchen
Ausflügen minimal ist?
3. Aus welchem Grund wurde für diesen "Erholungsurlaub" gerade der "City
Club" ausgewählt?
4. Nach welchen Kriterien und von wem wird entschieden, wo Häftlinge ',Erho-
lungsurlaube', verbringen?
5. Wird generell jedem Häftling die Inanspruchnahme von kulturellen und sportli-
chen Angeboten außerhalb der Strafanstalt zugestanden oder wird abgestellt
auf die Art des von ihm verübten Deliktes?
6. Halten Sie es für fahrlässig, zur Bewachung von fünf Häftlingen in einer öffent-
lichen und überdies ausgesprochen weitläufigen Freizeitanlage lediglich einen
einzigen Justizwachebeamten abzustellen?
Wenn ja, aus welchem Grund wurden nicht entsprechende Vorsichtsmaßnah-
men getroffen und genügend Beamte zur Bewachung abgestellt?
Wenn nein, wie erklären Sie den gelungenen Fluchtversuch des Häftlings
Zoran B. am Samstag, dem 5. Okt0ber 1996?
7. Wievielen Insassen der Strafanstalt Hirtenberg wurde im Jahr 1995 und 1996
ein derartiger ,'Häfenurlaub" gestattet und wegen welcher Delikte verbüßen
bzw. verbüßten diese eine Haftstrafe?
8. Wievielen Häftlingen anderer Strafanstalten - aufgeschlüsselt nach den einzel-
nen Strafanstalten - wurde in den Jahren 1995 und 1996 ein derartiger "Erho-
lungsurlaub" zugestanden und aufgrund welcher Delikte sind bzw. waren die
betreffenden Strafgefangenen in Haft?
9. Zu wievielen Fluchtversuchen im Zuge des gelockerten Strafvollzuges und der
damit zusammenhängenden Möglichkeit für Strafgefangene, an kulturellen und
sportlichen Angeboten außerhalb der Strafanstalt teilzunehmen, kam es in den
Jahren 1995 und 1996?
1O. Wieviele dieser Fluchtversuche gelangen?
11 . Werden die bei der Inanspruchnahme von kulturellen oder sportlichen Angebo-
ten seitens der Strafgefangenen eventuell anfallenden Kosten vom Staat getra-
gen?
Wenn ja, auf welche Höhe belaufen sich diese Kosten aufgeschlüsselt nach
den einzelnen Strafanstalten für das Jahr 1995 und das Jahr 1996?',
Ich beantworte diese Fragen wie folgt.
Vorweg weise ich darauf hin, daß nach § 126 Abs. 4 StVG Strafgefangenen, die im
Strafvollzug in gelockerter Form angehalten werden, die Teilnahme an einem Aus-
gang in kleinen Gruppen und in Begleitung einer im Strafvollzug tätigen Person ge-
stattet werden kann. Solche Gruppenausgänge dienen
a) als erzieherisches Instrument zur Belohnung für die Mitarbeit an der Erreichung
der Zwecke des Strafvollzuges (§ 20 StVG) und zur Weckung und Förderung kul-
tureller, sportlicher und sozialer Interessen im Hinblick auf die Wiedereingliede-
rung in die Gesellschaft sowie
b) zur Beobachtung des Verhaltens des Insassen unter Freiheitsbedingungen und
dem Zweck des s0zialen Trainings.
Die Voraussetzungen für die Anhaltung im gelockerten Vollzug und damit für die Ge-
währung von Gruppenausgängen ergeben sich aus § 126 Abs. 1 StVG. Nach dieser
Bestimmung schließt nicht die Art eines Delikts, sondern lediglich die Verhängung
einer lebenslangen Freiheitsstrafe von der Anhaltung im gelockerten Vollzug aus. Es
muß allerdings zu erwarten sein, daß der Insasse die mit dieser Art des Vollzuges
verbundenen Vollzugslockerungen nicht mißbrauchen werde.
Zu 1:
Der flüchtige Strafgefangene konnte bis jetzt nicht wieder in diese Anstalt zurückge-
bracht werden.
Zu 2:
Der Anstaltsleiter bzw. der von ihm damit beauftragte Bedienstete hat zu entschei-
den, ob ein Strafgefangener im gelockerten Vollzug angehalten wird und ob und
welche Vollzugslockerung ihm gewährt werden. Die Erwartung eines Mißbrauchs ei-
ner Vollzugslockerung schließt nicht nur die Gewährung der Vollzugslockerung
selbst, sondern überhaupt die Anhaltung im gelockerten Vollzug aus. Darüber hin-
aus muß für die Gewährung einer konkreten Vollzugslockerung nach § 126
Abs. 4 StVG einer der 0ben genannten pädagogischen Gründe vorliegen.
Zu 3:
Der City-Club wurde als Ziel des Gruppenausganges gewählt, weil verschiedene na-
heliegende öffentliche Bäder der Anstalt gegenüber bedeutet hatten, daß der Be-
such durch Strafgefangene in Begleitung von Justizwachebeamten unerwünscht sei.
Zu 4:
Gruppenausgänge sind im Hinblick auf ihre pädagogische Bedeutung ein unver-
zichtbarer Bestandteil eines modernen Strafvollzuges. Sie dienen, wie ausgeführt,
zur Beobachtung des Sozialverhaltens des Insassens, zur Förderung von Interes-
sen auf sportlichem und kulturellem Gebiet sowie zur Belohnung des Insassen für
seine Mitarbeit an der Erreichung der Zwecke des Strafvollzugs. Sie wirken erfah-
rungsgemäß rückfallvermeidend.
Die Entscheidung, die Insassen in einen als exklusiv geltenden Fitneßclub zu füh-
ren, entspricht nach Ansicht des Bundesministeriums für Justiz allerdings nicht dem
Sinn der Bestimmung des § 126 Abs. 4 StVG. Ich werde daher dafür sorgen, daß die
Anstaltsleiter, die bisher über das Ziel von Gruppenausgängen allein entschieden
haben, diesbezüglich entsprechende Vorgaben durch das Bundesministerium für
Justiz erhalten.
Zu 5:
Gruppenausgänge werden nur Strafgefangenen, die im gelockerten V0llzug ange-
halten werden, gewährt. Im Jahr 1995 wurden insgesamt 1.683 Strafgefangene im
gelockerten Vollzug angehalten, von denen ca. 655 an Gruppenausgängen teilnah-
men.
Zu 6:
Wie bereits ausgeführt, dürfen im gelockerten V0llzug nur Insassen angehalten wer-
den, bei denen der Mißbrauch von Vollzugslockerungen nicht zu erwarten ist. Die
Aufgabe des einen Gruppenausgang begleitenden Bediensteten ist daher nicht die
Bewachung der Insassen, sondern deren Überwachung im pädagogischen Sinn. Es
gehört daher durchaus auch zu seinen Aufgaben, einzelne Insassen kurzfristig sich
selbst zu überlassen, um deren Verhalten in Alltagssituationen zu überprüfen. In
diesem Sinne war die Begleitung von fünf Insassen durch einen Bediensteten durch-
aus angemessen.
Was die Entscheidung anlangt, Zoran B. in den gelockerten Vollzug zu übernehmen,
so hat sich diese rückblickend als falsch herausgestellt. Wie die Überprüfung der
Angelegenheit durch das Bundesministerium für Justiz ergab, bestanden jedoch
zum Zeitpunkt dieser Entscheidung keine Anzeichen dafür, daß Zoran B. die ge-
währten Vollzugslockerungen mißbrauchen werde.
Zu 7 und 8:
Im Zeitraum vom 11.11.1995 bis 9.11.1996 nahmen insgesamt 80 Insassen der Ju-
stizanstalt Hirtenberg an 26 Gruppenausgängen teil. V0n den österreichweit Im Jahre
1995 gewährten 655 Gruppenausgängen nach § 1 26 Abs. 4 StVG entfielen auf
die
Justizanstalt Eisenstadt 1O
Justizanstalt für Jugendliche Gerasdorf 328
Justizanstalt Hirtenberg g
Justizanstalt Innsbruck 70
Justizanstalt Leoben 93
Justizanstalt Schwarzau 13
Justizanstalt St. Pölten 21
Justizanstalt Wien-Favoriten 26
Justizanstalt Wien-Mittersteig 5
Justizanstalt Wien-Simmering 80
Über die Art der Delikte, derentwegen die an Gruppenausgängen gemäß § 126 Abs. 4
StVG teilnehmenden Strafgefangenen in Haft gehalten wurden, liegen im Hinblick
auf die einzigartige geschilderte Rechtslage keine statistischen Aufzeichnungen vor.
Soweit den vorhandenen Unterlagen entnommen werden kann, handelt es sich bei
den Teilnehmern an Gruppenausgängen hauptsächlich um Vermögenstäter, die bei
der Tatbegehung keine Gewalt gegen Personen ausgeübt haben.
Zu 9 und 10:
Das Bundesministerium für Justiz führt keine eigene Statistik über Entweichungen
bei Gruppenausgängen. Derartige Vorfälle werden statistisch gemeinsam mit Fluch-
ten von Ausführungen und Überstellungen und anderen bewachten und begleiteten
Aufenthalten außerhalb der Anstalt erfaßt. Im Jahr 1995 fanden insgesamt 54 Ent-
weichungen statt, w0bei unter anderem auf die Justizanstalt Hirtenberg 4, auf die
Justizanstalt Stein 1 , auf die Justizanstalt Suben 2 entfielen. Erfahrungsgemäß ist
dav0n auszugehen, daß der weitaus überwiegende Teil der Entweichungen nicht
bei Gruppenausgängen, sondern bei Ausführungen und Überstellungen stattfindet,
weil zu Gruppenausgängen nur Insassen herangez0gen werden, die einer beson-
ders sorgfältigen Sicherheitsüberprüfung unterzogen worden sind. In diesem Zu-
sammenhang weise ich darauf hin, daß es durch entsprechende Maßnahmen ge-
lungen ist, die Zahl der Entweichungen von 218 im Jahre 1994 auf 54 im Jahre 1995
zu reduzieren,
Zu 11:
Die Kosten der Gruppenausgänge werden von den Insassen - entsprechend dem
pädagogischen Charakter der Maßnahme - in der Regel, wie auch im Anlaßfall,
selbst getragen. In besonders gelagerten Fällen (z.B. bei einkommenslosen Jugend-
lichen, die besonders dieser pädagogischen Maßnahme bedürfen) werden geringfü-
gige Kosten auch von der Strafvollzugsverwaltung übernommen. Im Hinblick auf die
Geringfügigkeit dieser Ausgaben bestehen hierfür keine eigenen Budgetansätze, so-
daß darüber auch keine Statistik geführt wird.