1432/AB XX.GP
Die Abgeordneten zum Nationalrat MMag. Dr. Madeleine Petrovic ,
Freundinnen und Freunde haben am 14. November 1996 unter der
Nummer 1466/J-NR/96 an mich eine schriftliche parlamentarische
Anfrage betreffend den Dayton-Friedensprozeß sowie die
Teilnahme österreichischer Soldaten im Rahmen von IFOR
gerichtet, die folgenden wortlaut hat:
" 1. In welcher Art und Weise wurde sichergestellt , daß die
österreichischen IFOR-Soldaten über den Inhalt des
Vertragswerkes von Dayton informiert werden und sich
dementsprechend gegenüber mutmaßlichen Kriegsverbrechern
verhalten? (Bitte detaillierte Darstellung der zur
Einschulung verwendeten Materialien. )
2 . Welche Erklärung haben Sie dafür, daß die mutmaßlichen
Anführer bei Kriegsverbrechen ungehindert mehrmals täglich
den von österreichischen Soldaten abgesicherten IFOR-
Stützpunkt passieren können?
3 . Teilen sie die Meinung, daß eine Heimkehr von Vertriebenen
und Flüchtlingen absolut unzumutbar ist, solange inter-
national berüchtigte mutmaßliche Kriegsverbrecher ihre
Funktion völlig ungehindert weiter ausüben können?
4 . Befürchten auch Sie, daß die Untätigkeit der öster-
reichischen IFOR-Soldaten zu ähnlich negativen öffentlichen
Reaktionen führen kann wie die Untätigkeit der damaligen
UNO-Truppen bei den Massakern an Zivilisten in Srebrenica
und anderen bosnischen orten? Was gedenken Sie daher zu tun?
5 . was tun die österreichischen IFOR-soldaten, die neuralgische
Straßenanzüge in Bosnien überwachen, wenn sie nicht einmal die
berüchtigsten mutmaßlichen Kriegsverbrecher anhalten und
festnehmen? Was ist der Inhalt ihres Auftrages und wer über-
wacht den korrekten Vollzug7
6 . Sind Sie bereit über die bisherigen Erfahrungen mit dem
Bosnien Einsatz noch vor einer Verlängerung des Mandates
für österreichische IFOR-Soldaten das Parlament zu befassen
und dabei auch über die Versäumnisse bei der Umsetzung des
Dayton Prozesses zu berichten . Wenn ja , wann gedenken Sie
dies zu tun, wenn nein, warum nicht'?',
Ich beehre mich, diese Anfrage wie folgt zu beantworten:
Zu Frage 1:
Die österreichischen IFOR-Soldaten wurden vor Beginn ihres
Einsatzes im Rahmen einer ausführlichen Einschulung durch das
Bundesministerium für Landesverteidigung auch über das
Vertragswerk von Dayton informiert .
Ebenso wurden die Einsatzrichtlinien ( "Rules of Engagement" ) ,
in denen u.a. auch die Aufgaben und das Verhalten des Einzelnen
geregelt sind, in einer auf die jeweilige Funktionsebene des
Soldaten abgestimmten weise vermittelt .
Im Hinblick auf die Zuständigkeit des Bundesministeriums für
Landesverteidigung für einsatzspezifische Schulungen öster-
reichischer Soldaten bitte ich um Verständnis, wenn ich auf
diese Frage über die vorstehenden Ausführungen hinaus nicht
näher eingehe .
Zu Fragen 2,4 und 5 :
Die österreichische Transporteinheit AUSLOG/IFOR wurde mit dem
Auftrag entsandt, im Rahmen der "BELUGA-Group" Transportaufga-
ben für IFOR durchzuführen . Österreichische IFOR- Soldaten wur-
den demnach ausschließlich für Transportaufgaben der Einheit
eingesetzt, nicht aber für den Dienst an IFOR-Stützpunkten.
Soweit neuralgische Punkte von Verbänden der IFOR überwacht
oder die österreichischen Transporte eskortiert werden, nehmen
diese Aufgaben andere, dafür eigens vorgesehene und ausgerü-
stete Kontingente wahr.
Der in den einschlägigen militärischen Befehlen festgelegte
Auftrag des Kontingente, dessen Erfüllung von den militä-
rischen Vorgesetzten überwacht wird, beschränkt sich somit auf
die Durchführung von Transporten.
Die österreichischen Soldaten sind ihren Aufgaben - auch nach
Einschätzung der entsprechenden IFOR- Kommanden und anderer
truppenstellender Staaten - in hervorragender Weise nachgekom-
men .
Zu Frage 3:
Ich bedauere sehr, daß es bisher nicht gelungen ist , vom Haager
Tribunal als mutmaßliche Kriegsverbrecher angeklagte Personen
aufzugreifen und dem Gericht zuzuführen. Ohne eine Verurteilung
der Kriegsverbrecher kann es keinen dauerhaften Frieden und
keine Versöhnung in Bosnien und Herzegowina geben. Andererseits
ist es immerhin gelungen, diejenigen, die für die größten Un-
menschlichkeiten verantwortlich sind, aus ihren öffentlichen
Ämtern zu entfernen. Das hat entscheidend dazu beigetragen, daß
zumindest in einigen Gebieten Flüchtlinge in ihre Heimat zu-
rückkehren konnten. Das Vertriebenenproblem bleibt aber eines
der zentralen Themen des gesamten Friedens-
prozesses .
Zu Frage 6:
Ich habe bereits des öfteren seit Beginn des IFOR- Friedensein-
satzes das Parlament mit den Erfahrungen aus der Umsetzung des
Dayton Vertrages befaßt. So z.B. während der 38. Sitzung des
Nationalrates am 20 . September d.J. Gleichfalls war Bosnien und
Herzegowina ein zentrales Thema der 61. Sitzung des Rates für
auswärtige Angelegenheiten am 23 . Oktober d . J .
Sobald die näheren Einzelheiten einer Verlängerung der - mit
Zustimmung des Hauptausschusses des Nationalrates bislang bis
15.2.1997 beschlossenen - österreichischen Beteiligung am mul-
tinationalen Friedenseinsatz in Bosnien und Herzegowina fest-
stehen, wird die Bundesregierung den Hauptausschuß des Natio-
nalrates neuerlich befassen.