1434/AB XX.GP

 

Die Abgeordneten zum Nationalrat Mag. Stoisits, Freundinnen und Freunde haben am 28. Okto-

ber 1996 unter der Nr. 1383/J an mich eine schriftliche parlamentarische Anfrage betreffend

rechtswidrige Ausstrahlung von Werbefenstern über das Kabelnetz in Österreich gerichtet, die

folgenden Wortlaut hat:

" 1 . Wurde vom Bundeskanzleramt die Zulässigkeit der Verbreitung der Österreichwerbefenster

von RTL und der Österreichwerbung von SAT 1 im Rahmen der Übertragung eines Fußball-

spieles über die Kabelnetze in Österreich rechtlich überprüft?

Wenn ja, zu welchem Ergebnis ist das Bundeskanzleramt gekommen?

2. Wurde vom Bundeskanzleramt das Bundesministerium für Wissenschaft, Verkehr und Kunst

bzw. die zuständige Fernmeldebehörde von dieser Rechtslage verständigt?

3 . Werden Sie sich dafür einsetzen, daß der Bundesminister für Wissenschaft, Verkehr und Kunst

dafür sorgt, daß diese rechtswidrige Ausstrahlung von Österreichwerbefenstern über die

Kabelnetze geahndet wird?"

Wenn nein, warum nicht?

Diese Anfrage beantworte ich wie folgt:

Zu Frage 1:

Der Verfassungsdienst des Bundeskanzleramts hat die Frage geprüft, ob die Verbreitung der

Österreichfenster von RTL und SAT 1 durch österreichische Kabelnetze zulässig ist und ist dabei

zum Schluß gekommen, daß im Hinblick auf die mit Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs vom

27. September 1995, G 1256-1264/95, erfolgte Aufhebung der Worte "die empfangenen" und "'nur

zeitgleich sowie dem Inhalt nach vollständig und unverändert" im zweiten Satz des § 20 Abs.1

der - gemäß Art. 1 Abs. 1 Z 7 des Bundesgesetzes BGBl.Nr. 267/1972 als Bundesgesetz geltenden

- Verordnung über die Errichtung und den Betrieb von Rundfunk- und Fernsehrundfunk-

Empfangsanlagen, BGBl.Nr. 333/1965, in der Fassung der Bundesgesetze BGBl.Nr. 345/1977

und 507/1993, (im folgenden: Rundfunkverordnung) die Verbreitung dieser Österreichfenster seit

Wirksam werden der Aufhebung, das ist der 1. August 1996, zulässig ist. Gleichzeitig hat der Ver-

fassungsdienst aber auch darauf hingewiesen, daß aufgrund der Aufhebung der Worte " im Kabel-

text" in § 24b Abs. 2 der Rundfunkverordnung durch das erwähnte Erkenntnis des Verfassungs-

gerichtshofs Werbung im Kabelfernsehen zur Gänze untersagt ist.

Der Verfassungsdienst des Bundeskanzleramts ist davon ausgegangen, daß die beiden erwähnten

Fensterprogramme verschlüsselt über Satelliten ausgestrahlt werden und die Entschlüsselung in

den österreichischen Kabelnetzen vorgenommen wird. Dieser Sachverhalt hat bewirkt, daß erst die

Kabelbetreiber in Österreich die jeweiligen Programmfenster an die Allgemeinheit verbreiten. das

heißt, daß die Kabelnetzbetreiber erst den rundfunkrechtlich relevanten Sachverhalt verwirklichen.

Damit ist das Programm ihnen als Rundfunkveranstalter zuzurechnen. wobei diese Programm-

verbreitung seit dem 1. August 1996 erlaubt ist. Im Hinblick auf das Weiterbestehen des § 24b

Abs. 2 der Rundfunkverordnung mußte aber die Zulässigkeit der Verbreitung von Werbung

verneint werden.

Diese Rechtslage hat sich mit dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs vom 8. Oktober 1996,

G 93 bis G 100/96, G 230 bis G 238/96, insoweit wesentlich geändert, als der Verfassungsge-

richtshof § 24b Abs. 2 der Rundfunkverordnung aufgehoben hat. Eine Frist für das Außerkraft-

treten dieser Regelung wurde nicht gesetzt, die Aufhebung wird daher mit der Kundmachung -

womit in den nächsten Tagen zu rechnen ist - wirksam.

Zu Frage 2:

Ja.

Zu Frage 3:

Unbeschadet des Umstands, daß die in Rede stehende Angelegenheit den Zuständigkeitsbereich

des Bundesministeriums für Wissenschaft, Verkehr und Kunst betrifft, weise ich auf folgendes

hin:

Soweit dem Bundeskanzleramt bekannt ist. haben die Fernmeldebehörden Veranstalter von Kabel-

rundfunk, deren Tätigkeit in Widerspruch zur geschilderten Rechtslage vor dem 1 . August 1 996

gestanden ist, bestraft. So hat etwa das Fernmeldebüro für Oberösterreich und Salzburg über einen

Kabelnetzbetreiber ein Straferkenntnis verhängt, da dieser zwischen Oktober 1 995 und April 1 996

bewegte Bilder im Kabelnetz verbreitet hatte. Der vom Fernmeldebüro vertretenen Rechtsauffas-

sung, daß auf diese Veranstaltung noch bis zum 1. August 1996 unter anderem jene Vorschriften

der "Rundfunkverordnung" anzuwenden seien, welche aktiven Kabelrundfunk untersagten. trat

jedoch in der Folge der Unabhängige Verwaltungssenat (UVS) des Landes Oberösterreich entge-

gen und hob das betreffende Straferkenntnis mit Erkenntnis vom 1. Oktober 1996,

VwSen. 390027/2/Gf/Km, auf.

Als Begründung führte der UVS zwar zunächst aus, "daß in all jenen Fällen, wo eine gesetzliche

Bestimmung zwar bereits als verfassungswidrig festgestellt (dies hatte der Verfassungsgerichtshof

mit Erkenntnis vom 27. September 1995 getan), für deren Außerkrafttreten jedoch vom Verfas-

sungsgerichtshof gleichzeitig eine Frist gesetzt (diese hatte der Verfassungsgerichtshof mit Ab-

lauf des 31. Juli 1996 festgesetzt) und zudem das Straferkenntnis noch vor Ablauf dieser Frist

erlassen wurde, ein Zuwiderhandelnder weiterhin legalerweise aufgrund dieser rechtswidrigen

Norm bestraft werden kann". Dies ergibt sich aus der bestehenden Verfassungsrechtslage. Bei

Aufhebung eines Gesetzes durch den Verfassungsgerichtshof unter gleichzeitiger Setzung einer

Frist ist das aufgehobene Gesetz gemäß Art. 140 Abs. 7 B-VG auf alle bis zum Ablauf dieser Frist

verwirklichten Tatbestände noch anzuwenden; nur der Anlaßfall der Aufhebung - welcher der

gegenständliche Fall jedoch nicht war - ist bereits nach der neuen Rechtslage zu beurteilen.

In der Folge leitet der UVS jedoch aus Art. 7 Abs.1 der Europäischen Menschenrechtskonvention

(wonach u.a.niemand wegen einer Handlung verurteilt werden kann, die zur Zeit ihrer Begehung

nach inländischem Recht nicht strafbar war) folgendes ab:

"Um einen Widerspruch zwischen beiden (gemeint ist Art. 140 Abs. 7 B-VG und Art. 7 Abs. 1

EMRK) auf Verfassungsstufe stehenden Normen zu vermeiden, gebietet . . . Art. 7 Abs. 1 EMRK

eine teleologische Reduktion der bloß innerstaatlichen Norm des Art. 140 Abs. 7 B-VG dahin, daß

letztere Anordnung, wonach das als verfassungswidrig festgestellte Gesetz auf alle bis zum Ablauf

der Frist verwirklichten Tatbestände weiterhin anzuwenden ist, nur für Vorschriften sonstigen

Inhalts, nicht jedoch für Straftatbestände gilt."