1448/AB XX.GP

 

In Beantwortung der schriftlichen parlamentarischen Anfrage Nr.

1479/J betreffend Neuordnung der Elektrizitätswirtschaft, welche

die Abgeordneten Georg Oberhaidinger und Genossen am 27. November

1996 an mich richteten und aus Gründen der besseren Übersicht-

lichkeit in Kopie beigelegt ist, stelle ich fest:

Antwort zu Punkt 1. der Anfrage:

Unmittelbar nach meinem Amtsantritt wurde anläßlich eines EU-

Energieministerrates am 20. Juni 1996 in Luxemburg die Binnen-

marktrichtlinie Elektrizität einstimmig beschlossen, die nach der

am 11. Dezember erfolgten Verabschiedung durch das Europäische

Parlament demnächst in Kraft treten wird. Darin - aber auch in

den seit dem Eu-Beitritt für Österreich verbindlichen Wettbe-

werbsregeln - sind eine Reihe von Bestimmungen enthalten, die den

Wettbewerb in diesem von einem "natürlichen Monopol,' geprägten

Wirtschaftszweig betreffen. unbeschadet der noch auszuverhandeln-

den Neukonzeption der Organisation der Elektrizitätswirtschaft

muß im Zuge der bevorstehenden Umsetzung der Binnenmarktricht-

linie in Zukunft Großabnehmern, und zwar ab Beginn der Marktöff-

nung jenen mit mehr als 100 GWh Jahresverbrauch, die Möglichkeit

eröffnet werden, sich ihren Lieferanten aussuchen und somit den

bisher bestehenden Gebietsschutz jedenfalls punktuell durch-

brechen zu können. Die Frage, ob auch Verteilunternehmen im Zuge

der Marktöffnung dieses Wahlrecht erhalten und wie die Stellung

der Verbundgesellschaft, der Landesgesellschaften, der privaten

und kommunalen Elektrizitätsversorgungsunternehmen in Zukunft

sein wird, ist Gegenstand intensiver, vorerst noch branchenin-

terner Verhandlungen, die auf meine Anregung von Verbund und

Landesgesellschaften auch mit den privaten und kommunalen Elek-

trizitätsversorgungsunternehmen geführt werden.

Antwort zu Punkt 2 der Anfrage:

Der Schutz der sogenannten "Kleinabnehmer" umfaßt im wesentlichen

zwei Bereiche, nämlich die Anschluß- und Versorgungspflicht durch

das jeweilige Elektrizitätsversorgungsunternehmen einerseits und

die Versorgung zu einem volkswirtschaftlich gerechtfertigten,

angemessenen Preis andererseits. Zum Strompreisaspekt ist festzu-

halten , daß auf Grundlage des mit der Elektrizitätswirtschaft

vereinbarten neuen " Strompreis - Aufsichtssystems " die Verstär-

kung der wettbewerbselemente flankiert und dabei sicherzustellen

sein wird, daß mögliche Erlöseinbußen bei Großabnehmern durch

Ausschöpfung von Synergie- und Rationalisierungspotentialen mög-

lichst kompensiert und nicht auf Kleinabnehmer übergewälzt werden

können. Darüberhinaus weise ich darauf hin, daß aufgrund von

Eigenanlagen in Industrie etc. bereits seit längerem Wettbewerbs-

elemente innerhalb der Elektrizitätswirtschaft mit entsprechenden

Auswirkungen auf das Preisniveau für Großabnehmer gegeben sind.

Antwort zu Punkt 3 der Anfrage:

Derzeit ist die angesprochene Angelegenheit in § 9 des Elektrizi-

tätswirtschaftsgesetzes geregelt, in dem es wörtlich heißt:

"§ 9.(1) Zeigt sich ein Elektrizitätsversorgungsunternehmen

außerstande, die ihm gesetzlich auferlegten Pflichten, insbeson-

dere seine Versorgungsaufgaben, zu erfüllen, so ist ihm von der

zuständigen Landesregierung aufzutragen, die hindernden Umstände

innerhalb angemessener Frist zu beseitigen. ungeachtet dessen

kann die Landesregierung, soweit dies zur Beseitigung einer Ge-

fahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen oder zur

Abwehr schwerer volkswirtschaftlicher Schäden notwendig ist, ein

anderes Elektrizitätsversorgungsunternehmen zur vorübergehenden

Abgabe elektrischer Energie gegen entsprechende Schadloshaltung

heranzuziehen. Sind die hindernden Umstände derart, daß eine

Wiederaufnahme der ordnungsgemäßen Versorgung mit elektrischer

Energie durch das zuständige Elektrizitätsversorgungsunternehmen

in absehbarer Zeit nicht zu erwarten ist, kann die zuständige

Landesregierung diesem Elektrizitätsversorgungsunternehmen den

Betrieb ganz oder teilweise untersagen und - unter Bedachtnahme

auf die Bestimmungen des § 4 - ein anderes Elektrizitätsversor-

gungsunternehmen zur dauernden Übernahme der Versorgung ver-

pflichten .

(2) Die Landesregierung hat dem gemäß Abs. 1 verpflichteten Un-

ternehmen über dessen Antrag gegen angemessene Entschädigung den

Gebrauch von Elektrizitätserzeugungs- und Verteilungsanlagen des

Unternehmens, das von der Untersagung betroffen wird, soweit zu

gestatten, als dies zur Erfüllung der Versorgungsaufgaben notwen-

dig ist .

(3) Die Landesregierung kann nach Rechtskraft des Bescheides

gemäß Abs. 1 dritter Satz auf Antrag des verpflichteten Untereh-

mens zu dessen Gunsten die in Gebrauch genommenen Elektrizitäts-

erzeugungs- und Verteilungsanlagen gegen angemessene Entschädi-

gung enteignen .

(4) Für die Durchführung der Enteignung und die behördliche Er-

mittlung der Entschädigung sind Enteignungsvorschriften nach den

Grundsätzen des Eisenbahnenteignungsgesetzes 1954 vorzusehen.

(5) Im Verfahren gemäß Abs. 1 kommt der betreffenden Landesge-

sellschaft Parteistellung zu. "

Es bleibt meines Erachtens abzuwarten, ob sich dieses Problem

aufgrund des sich verstärkenden Wettbewerbsdrucks überhaupt

stellt , zumal in einer ganzen Reihe von Ländern wie z . B . Großbri-

tannien, Norwegen, den Niederlanden u.a. , die ihre Elektrizitäts-

märkte bereits zu einem hohen Prozentsatz liberalisiert haben,

diesbezügliche Erfahrungswerte vorliegen.

Antwort zu den Punkten 4 und 5 der Anfrage:

Einer Enteignung liegt definitionsgemäß eine Vermögensverschie-

bung zugunsten einer dritten Person zugrunde. Eine solche kann

ich bei der Änderung der gegebenen Rahmenbedingungen nicht fest-

stellen. Es liegt daher begrifflich keine Enteignung vor.

Eine vollständige Aufhebung des Gebietsschutzes wäre nur bei

Einräumung des Wahlrechts für alle Elektrizitätsverbraucher gege-

ben, während bei einem Netzzugang von Großabnehmern - in der

ersten Etappe zumindest alle über 100 GWh Jahresverbrauch -

lediglich ein punktuelles Aufbrechen des Gebietsschutzes erfolgen

würde. Im übrigen halte ich fest, daß im Falle eines Versorgungs-

überganges auch die Versorgungspflicht entfällt, weshalb in die-

sem Fall ein Gebietsschutz nicht argumentierbar ist.

Die Frage einer allfälligen zeitlichen Befristung von Gebietskon-

zessionen, die zu sehr konträren Meinungen Anlaß gab und gibt,

aber z . B . auch die nach der Kompatibilität von langfristigen

Verträgen mit EU-Primärrecht wird unter besonderer Berücksichti-

gung der EU-Wettbewerbsregelungen derzeit noch geprüft.

Vollständigkeitshalber möchte ich auch darauf hinweisen, daß

allfällige Entschädigungszahlungen auch unter dem Aspekt "uner-

laubte Subventionierung" im Rahmen des EU-Wettbewerbsrechts als

problematisch bzw. sogar als unzulässig anzusehen wären.

Antwort zu Punkt 6 der Anfrage:

Siehe Antworten zu den Punkten 1 sowie 4 und 5.