1466/AB XX.GP

 

Die Abgeordneten zum Nationalrat Dr. Wolfgang Riedler und Genossen haben an

mich eine schriftliche Anfrage, betreffend die Geiselnahme in der Justizanstalt Graz-

Karlau, gerichtet und folgende Fragen gestellt:

"1. Entspricht die Auskunft der Personalvertretung der Justizwachebeamten den

Tatsachen, daß zum Zeitpunkt des Vorfalls zehn Planposten nicht besetzt wa-

ren?

2. Wenn ja, welchen Einfluß hatte diese Unterbesetzung auf das Geschehen am

14. November 1996 in der Strafanstalt Karlau?

3. Wer muß in Zusammenhang mit dem Vorfall mit Disziplinarverfahren rechnen?

4. Wenn nur die beiden verletzten Justizwachebeamte ein Disziplinarverfahren zu

erwarten haben, warum?

5. Die Verletzung welcher Vorschriften wird ihnen zur Last gelegt?

6. Mit welchen Konsequenzen haben die betroffenen Beamten im für sie ungün-

stigsten Fall zu rechnen?

7. Welche Sicherheitsmaßnahmen werden ergriffen, um solche Vorfälle in Zu-

kunft zu verhindern?,'

Ich beantworte diese Fragen wie folgt:

Zu 1 und 2:

Die angesprochene Aussage der Personalvertretung bezieht sich vermutlich nicht

auf unbesetzte Planstellen, sondern darauf, daß am Tag des Vorfalls 132 Arbeitsbe-

reiche nur mit 122 Bediensteten besetzt waren. Dies bedeutet jedoch keine Unter-

besetzung, weil nicht alle Arbeitsbereiche die volle Arbeitskraft eines Mitarbeiters

über einen ganzen Tag hinweg erfordern (wie zum Beispiel die für Besucher einge-

richteten Arbeitsbereiche, die eben nur während der Besuchszeit besetzt sein müs-

sen) und weil im übrigen ja immer ein Teil der Strafvollzugsbediensteten etwa we-

gen Krankheit oder Urlaubs keinen Dienst versieht. Die durchgehende Besetzung

aller Arbeitsbereiche mit jeweils einem Bediensteten ist daher schon im Grundsatz

nicht möglich und auch nicht erforderlich. Der Tag des Vorfalls (also der 14.11.1996)

lag mit 122 Mitarbeitern im Dienst durchaus im langjährigen Durchschnitt. Ein Zu-

sammenhang zwischen der damaligen Dienststärke und der Geiselnahme besteht

daher nicht.

Zu 3 und 4:

Mit einem Disziplinarverfahren hat ein Beamter dann zu rechnen, wenn ihm eine

schuldhafte Dienstpflichtverletzung vorzuwerfen ist (§ 91 BDG 1 979). Ob und beja-

hendenfalls bei wem dies im Zusammenhang mit der Geiselnahme vom 14.1 1 .1996

der Fall war, kann derzeit noch nicht abschließend beurteilt werden, weil die diszi-

plinarbehördlichen Erhebungen dazu noch nicht abgeschlossen sind. Im Rahmen

dieser Erhebungen werden nämlich auch die beiden verletzten Beamten, die sich

derzeit noch im Krankenstand befinden, zu vernehmen sein.

Ich weise aber darauf hin, daß das Dienstrecht auch andere Arten der Erledigung

einer Disziplinarangelegenheit als die Einleitung eines Disziplinarverfahrens vorsieht

(etwa eine Belehrung oder Ermahnung nach § 109 Abs. 2 BDG 1979).

Zu 5:

Es bestand eine ausdrückliche schriftliche Weisung des für die betreffende Abtei-

lung zuständigen Zellenhauskommandanten vom 22. Oktober 1996, wonach na-

mentlich bestimmte Strafgefangene, zu denen auch alle drei Geiselnehmer gehör-

ten, innerhalb der Anstalt nur so vorzuführen sind, daß jeweils zwei Beamte einen

dieser Gefangenen bewachen. Ob im vorliegenden Fall die beiden vorführenden Ju-

stizwachebeamten schuldhaft gegen diese Weisung verstießen und bejahendenfalls

welcher Kausalzusammenhang zwischen einem solchen Verst0ß und der Geisel-

nahme bestand, ist Gegenstand der noch nicht abgeschlossenen Erhebungen.

Zu 6:

Hiezu verweise ich zunächst auf meine Ausführungen zu den Fragen 3 und 4. Eine

Prognose über die disziplinarrechtlichen Konsequenzen aus der Geiselnahme vom

14.11.1996 ist mir nicht möglich. Die Entscheidungen in einem Disziplinarverfahren

werden von der Disziplinarkommission und der Disziplinaroberkommission gefällt,

deren Mitglieder in Ausübung dieses Amtes selbständig und unabhängig sind (§ 102

Abs. 2 BDG 1 979). Ich ersuche deshalb um Verständnis dafür, daß ich mich zu die-

ser Frage inhaltlich nicht äußere, zumal dies als Eingriff in die Unabhängigkeit die-

ser Disziplinarbehörden empfunden werden könnte.

Zu 7:

Der österreichische Strafvollzug ist nicht zuletzt auf Grund seiner hohen Sicherheits-

standards über 20 Jahre lang von Geiselnahmen in den Justizanstalten verschont

geblieben. Im selben Zeitraum fanden in der Bundesrepublik Deutschland 41 , in den

Niederlanden allein in den Jahren 1992 bis 1994 13 Geiselnahmen statt. Trotzdem

ist wegen der erhöhten Aggressionsbereitschaft der Insassen auch in Österreich mit

einer schwierigeren Zukunft zu rechnen. Im Hinblick darauf war bereits vor längerer

Zeit für die Justizanstalten ein Seminar über die Verhinderung von und das Verhal-

ten bei Geiselnahmen geplant worden, das vom 19. bis 22. November 1996 statt-

fand. Neben Einzelmaßnahmen zum Ausbau der Sicherheit in den einzelnen Anstal-

ten (wie zum Beispiel der Installierung eines Gitters zur Sicherung des Verkaufsper-

sonals) wird künftig in verstärktem Maß auch ein internationaler Erfahrungsaus-

tausch vor allem mit den Vollzugsverwaltungen solcher Staaten anzustreben sein,

die auf Grund häufigerer Vorfälle dieser Art in der Vergangenheit weiterreichende

Erkenntnisse zu diesem Problemfeld gewonnen haben.