1514/AB XX.GP
Die Abgeordneten zum Nationalrat Mag. Gilbert Trattner, Dr. Michael Krüger,
Dr. Martin Graf und Kollegen haben an mich eine schriftliche Anfrage, betreffend die
Medienberichterstattung über von der Justiz eingeleitete Verfahren, bevor die zu-
ständige Staatsanwaltschaft darüber informiert respektive den betroffenen Personen
entsprechende Benachrichtigungen zugestellt wurden, gerichtet und folgende Fra-
gen gestellt:
"1. Wie viele Fälle sind Ihnen bekannt, in denen vor Einleitung eines Verfahrens
eine Medienberichterstattung darüber stattgefunden hat, in der aus Vorha-
bensberichten zitiert wird und in der beispielsweise Aktenzahlen angeführt wer-
den ?
2. Beurteilen Sie diese Berichterstattung in den Medien als Verletzung der Amts-
verschwiegenheit?
3. Wenn ja, welche Maßnahmen haben Sie bereits ergriffen, um die verantwortli-
chen Beamten auszuforschen?
4. Wenn nein, welche Maßnahmen beabsichtigen Sie zu ergreifen, um die Ver-
antwortlichen auszuforschen?
5. ln wie vielen Fällen wurde auf Grund der Verletzung der Amtsverschwiegenheit
bereits Strafanzeige erstattet?
6. Welche disziplinarrechtlichen Schritte haben Sie gegen die Verantwortlichen
ergriffen oder werden Sie ergreifen?
7. Welche Schritte haben Sie intern gesetzt oder werden Sie setzen, um derartige
Vorfälle hinkünftig zu verhindern?"
Ich beantworte diese Fragen wie folgt:
Zunächst sei allgemein darauf hingewiesen, daß das Bundesministerium für Justiz
dem Spannungsfeld zwischen dem gerechtfertigten Informationsbedürfnis der Öf-
fentlichkeit einerseits und der Verpflichtung zur Amtsverschwiegenheit in den verfas-
sungsrechtlich vorgegebenen Konstellationen andererseits schon in der Vergangen-
heit besonderes Augenmerk für seinen Vollziehungsbereich gewidmet hat. Bereits
mit Erlaß vom 14. März 1984, JABI.Nr. 19 (JMZ 451 4/1 -Pr 2/1 984), über die Zusam-
menarbeit mit den Medien und die Errichtung von Justizpressestellen wurden nicht
nur Organisationsvorschriften für diese Pressestellen geschaffen, sondern wurde in
Abschnitt 11 u.a. auch ausdrücklich darauf hingewiesen, daß Auskünfte nicht zu ertei-
len sind, soweit ihnen Vorschriften über die Geheimhaltung entgegenstehen oder
durch sie die sachgemäße Durchführung eines schwebenden Verfahrens gefährdet,
erschwert, verzögert oder vereitelt werden könnte. Nach diesem Erlaß sollen die Ju-
stizpressestellen den Medien auch nahelegen, nicht in einer Weise zu berichten, die
geeignet ist, die Unbefangenheit des Gerichts, der Zeugen und der Sachverständi-
gen oder sonst die Erforschung des wahren Sachverhalts zu beeinträchtigen.
ln einem weiteren Erlaß des Bundesministeriums für Justiz vom 4. November 1 988,
JABI.Nr. 33 (JMZ 4514/3-Pr 2/88), über das Zusammenwirken mit den Sicherheits-
behörden bei der Öffentlichkeitsarbeit und betreffend Hinweise und Richtlinien zur
Medienbetreuung durch die Justizbehörden wurde den Gerichten und Staatsanwalt-
schaften unter Hinweis auf vom Österreichischen Rechtsanwaltskammertag wieder-
holt vorgebrachte Kritik mitgeteilt, daß
es dem Grundsatz des Art. 6 Abs. 2 MRK (al-
so der verfassungsgesetzlich verankerten ',Unschuldsvermutung',) widerspreche,
wenn im Zuge des Vorverfahrens gegenüber den Medien die Beweislage näher er-
örtert und hervorgehoben werde, welche Umstände zu einer Verurteilung des Ver-
dächtigen führen könnten. ln beiden Erlässen wurde überdies empfohlen, bei Kon-
takten mit den Medien diesen in geeigneter Form bewußt zu machen, daß verdäch-
tige Personen bis zu ihrer rechtskräftigen Verurteilung als unschuldig gelten.
Weiters wurde am 25. Oktober 1 996 über meinen ausdrücklichen Wunsch das Pro-
blem des Bekanntwerdens von staatsanwaltschaftlichen Vorhabensberichten in der
Öffentlichkeit bei der Dienstbesprechung mit den Leitern der Oberstaatsanwalt-
schaften, den Ersten Oberstaatsanwälten und den Leitern der Staatsanwaltschaften
im Bundesministerium für Justiz ausführlich erörtert. Hiebei wurden die Behördenlei-
ter nachdrücklich an die Bedeutung einer strengen Handhabung der Amtsver-
schwiegenheit in diesem Zusammenhang erinnert.
Wie mir berichtet wurde, ist das Problemfeld der Indiskretion im angesprochenen
Bereich kaum darin begründet, daß Informationen durch Justizangehörige unmittel-
bar an Vertreter der Medien weitergegeben würden. Noch viel weniger kann - wie in
der Anfragebegründung unterstellt - von "einer besonderen Form der Öffentlichkeits-
arbeit des Bundesministeriums für Justiz', gesprochen werden. ln vielen Fällen dürf-
te vielmehr davon auszugehen sein, daß Informationen über Verteidiger sowie Pri-
vatbeteiligte und deren Vertreter den Weg in die Öffentlichkeit finden. Die - auch aus
meiner Sicht durchaus beklagenswerten - Folgen dieser Problematik sind vorwegge-
nommene und zum Teil spekulative mediale Erörterungen. Umso mehr müssen die
zuständigen Organe der Justiz in solchen Fällen darum bemüht sein, unabhängig
von äußeren Einflüssen ausschließlich nach objektiven Kriterien zu entscheiden.
Das Bundesministerium für Justiz pflegt im Umgang mit den Medien schon seit län-
gerem die Vorgangsweise, daß anfragenden Journalisten - auch wenn sie über das
Vorliegen und mitunter sogar über den Inhalt eines Vorhabensberichts informiert
scheinen - über eine Anklage (frühestens) erst dann Mitteilung gemacht werden
darf, wenn diese dem Angeklagten bzw. seinem Verteidiger bereits zur Kenntnis ge-
bracht wurde, und daß eine Verfahrenseinstellung erst nach endgültiger Genehmi-
gung des Vorhabens bekanntgegeben werden darf.
Diese und darüber hinausgehende Überlegungen waren am 22. und 23. April 1 996
Gegenstand einer vom Oberlandesgericht Linz gemeinsam mit Vertretern des Bun-
desministeriums für Justiz in Weißenbach am Attersee abgehaltenen Informations-
veranstaltung zum Thema "Öffentlichkeit in der Justiz - Justiz in der Öffentlichkeit',.
Diese Veranstaltung, die bei den Pressesprechern der Gerichte und Staatsanwalt-
schaften auf reges Interesse gestoßen ist, wird Ausgangspunkt für weitere Fachver-
anstaltungen und Gespräche sein, deren Ergebnisse mittelfristig in ein neues Kon-
zept für die Öffentlichkeitsarbeit der Justiz einfließen sollen. ln diesem Rahmen sol-
len den Gerichten und Staatsanwaltschaften praxisbezogene Orientierungshilfen
und Handlungsanleitungen zur Bewältigung der der Anfrage zugrundeliegenden
Problemstellungen geboten werden.
Zu den konkreten Einzelfragen führe ich aus:
Zu 1:
Da solche Fälle bei den staatsanwaltschaftlichen Behörden nicht zahlenmäßig er-
faßt werden, ist mir eine verläßliche Beantwortung dieser Frage leider nicht möglich.
Zu 2 bis 4:
Bei amtlichen Wahrnehmungen oder Anzeigen, wonach Medien Informationen die-
ser Art auf unerlaubte Weise zugekommen sein könnten, wird im Wege staatsan-
waltschaftlicher Erhebungen die Ausforschung von in Richtung des Tatbestandes
der Verletzung des Amtsgeheimnisses (§ 31 O StGB) verdächtigen Personen ver-
sucht. Bisher ist es allerdings - zumeist wegen der Vielzahl der im Gelegenheitsver-
hältnis stehenden Personen sowie angesichts des gesetzlichen Schutzes des Re-
daktionsgeheimnisses (§ 31 Mediengesetz) - noch in keinem Fall gelungen, konkret
Tatverdächtige in einer Weise zu ermitteln, die die weitere Strafverfolgung aus-
sichtsreich erscheinen ließ.
Zu 5 und 6:
Wegen des Vergehens nach dem § 31 O StGB erstattete Anzeigen werden statistisch
nicht gesondert erfaßt. Konkrete Anzeigen wegen der Preisgabe von Vorhabensbe-
richten der Staatsanwaltschaften an die Medien sind nicht erinnerlich, ebensowenig
diesbezügliche Disziplinarverfahren.
Zu 7:
Hiezu verweise ich auf meine einleitenden Ausführungen und insbesondere auf das
dort erwähnte Projekt zur Neugestaltung der Öffentlichkeitsarbeit im Ressortbereich,
in dessen Rahmen man sich auch dem hier angesprochenen Problemfeld verstärkt
zuwenden wird.