1554/AB XX.GP

 

Die Abgeordneten zum Nationalrat Ing. Nußbaumer und Kollegen haben am 27. November

1996 unter der Nr. 1517/J an mich eine schriftliche Anfrage betreffend ge-

planter Eintritt Österreichs in die dritte Stufe der Wirtschafts- und Währungsunion am 1. Jänner

1999 gerichtet, die folgenden Wortlaut hat:

"1. Inwieweit erfüllt Österreich im Jahre 1996 aufgrund der vorliegenden Daten die Konver-

genzkriterien?

2. Welche Konvergenzkriterien werden nach Ihrer Ansicht von Österreich im Jahre 1997 in-

wieweit erreicht?

Welche Konvergenzkriterien werden im Jahre 1997 nicht erreicht?

3. Wird der österreichische Vertreter im Rat dafür eintreten, die Konvergenzkriterien durch

eine politische Entscheidung weiter auszulegen, um mehreren Mitgliedsstaaten (im Mo-

ment erreicht nur Luxemburg die Kriterien) die Teilnahme am EURO zu ermöglichen?

Wenn ja, welche Kriterien können aus Ihrer Sicht um wieviel aufgeweicht werden?

4. Welche Kriterien sind aus Ihrer Sicht unbedingt in welcher Höhe einzuhalten?

5. Welche Konvergenzkriterien können nach Ihrer Ansicht ohne Beeinträchtigung der Wirt-

schafts- und Währungsunion um wieviel verändert werden?

6. Deutschland erfüllt zum jetzigen Zeitpunkt nicht die Konvergenzkriterien, Halten Sie es

für realistisch, daß eine gemeinsame Währung ohne Deutschland eingeführt werden kann?

Wenn ja, wie verhält sich Österreich, wenn Deutschland nicht, aber Österreich Teilnehmer-

land sein könnte?

7. Gibt es seitens der Bundesregierung bzw. seitens ihres Ressorts über Vor- und Nachteile

einer einheitlichen Währung für Österreich Berechnungen oder Studien?

Wenn ja, welche und was besagen diese konkret für die verschiedenen Volkswirtschafts-

subjekte (Unternehmen unterschiedlicher Größe und Branchen, Arbeitnehmer, Konsumen-

ten)?

Wenn nein, warum nicht und kann Österreich dann ohne Bedenken in die dritte Stufe der

WWU eintreten?

8. Treten Sie vor Einführung des Euro in Österreich für eine österreichische Volksabstim-

mung in dieser Frage ein?

Wenn nein, warum nicht?

9. Treten Sie für die Aufnahme der Beschäftigung als zusätzliches Konvergenzkriterium ein?

Wenn ja, warum und welchen Einfluß hätte dies auf die Erreichung der Konvergenzkri-

terien?

Wenn nein, aus welchen Gründen nicht?"

Diese Anfrage beantworte ich wie folgt:

Zu Frage 1:

Österreich erfüllte Ende 1996 die Kriterien der Preisstabilität und der Konvergenz der lang-

fristigen Zinsen. Seit Anfang 1997 wird auch das Kriterium der Wechselkursstabilität erfüllt!

Im Jahr 1996 verzeichnete Österreich hingegen noch ein übermäßiges Defizit gemäß Art. lO4c

EG-Vertrag (EG-V) und erfüllte somit 1996 dieses Konvergenzkriterium gemäß

Art. 109j EG-V nicht.

Gemäß dem Konvergenzbericht der Kommission wurde das Kriterium der Preisstabilität mit

1,7 % (Referenzwert 2,6 %), jenes der Zinskonvergenz mit 6,6 % (Referenzwert 8,7 % ) er-

füllt. Die zweijährige Mitgliedschaft im Europäischen Wechselkursmechanismus ist seit

9. Jänner 1997 gegeben.

Zu Frage 2:

Österreich sollte 1997 alle Konvergenzkriterien für den Eintritt in die dritte Stufe der Wirt-

schafts- und Währungsunion gemäß Art. 109j EG-V erfüllen. Konkret wird Österreich gemäß

den Prognosen nationaler und internationaler Organisationen 1997 die Kriterien für Preis- und

Wechselkursstabilität sowie für die Konvergenz der langfristigen Zinsen erfüllen. Die Pro-

gnosen der Europäischen Kommission sowie von WIFO und IHS bestätigen auch, daß Öster-

reich 1997 sein öffentliches Defizit auf 3 % des Bruttoinlandsprodukts (BIP) reduzieren und

somit den hiefür vorgesehenen Referenzwert einhalten wird können. Zudem wird 1 997 ein

dauerhafter Abwärts-trend der öffentlichen Verschuldung eingeleitet werden, so daß ich davon

ausgehe, daß für das Jahr 1997 kein übermäßiges Defizit gemäß Art. 1O4c EG-V vorliegen

wird.

Zu Frage 3:

Der Bundesminister für Finanzen wird im ECOFIN-Rat dafür eintreten, daß die Konvergenz-

kriterien den Bestimmungen des EG-Vertrags entsprechend erfüllt werden. Weiters sollte auf

die Dauerhaftigkeit der Erfüllung der Kriterien Bedacht genommen werden, so wie es im Ver-

trag vorgesehen ist. Derzeit erfüllen bekanntlich drei Staaten (Dänemark, Irland, Luxemburg)

die Kriterien.

Zu Frage 4:

Alle vier Kriterien sind vertragsgemäß gleichwertig und sollten vertragskonform eingehalten

werden.

Zu Frage 5:

Die Konvergenzkrlterien sind vertraglich festgelegt. Es wäre daher zu erwarten, daß jede Ver-

änderung zu einer Beeinträchtigung der WWU im Sinne der Schlußfolgerungen der Euro-

päischen Räte von Madrid und Dublin führen würde.

Zu Frage 6:

Die deutsche Bundesregierung hat in allen ihren Erklärungen bekräftigt, an der dritten Stufe

der Wirtschafts- und Währungsunion teilnehmen zu wollen und alle dementsprechenden

Schritte zur Erfüllung der Konvergenzkriterien zu unternehmen, Ich habe keinerlei Zweifel an

diesen Erklärungen. Die gegenständliche Frage sollte sich daher nicht stellen.

Zu Frage 7:

Der Bundesminister für Finanzen hat - soweit mir bekannt ist - das WIFO beauftragt, eine

dementsprechende Studie zu erstellen.

Zu Frage 8:

Grundsätzlich wurde die Entscheidung über die Teilnahme an der Währungsunion bereits einer

Volksabstimmung unterzogen, nämlich der Abstimmung über den Beitritt Österreichs zur

Europäischen Union. Der Vertrag von Maastricht, der die Bildung einer Währungsunion vor-

sieht, war bereits damals geltendes EU-Recht, das von Österreich mit dem Beitritt über-

nommen wurde. Die Einführung des Euro wird in den nächsten Jahren sicherlich eines der

wichtigsten öffentlichen Diskussionsthemen sein. Die Bundesregierung wird daher im Rahmen

einer umfassenden Informationsinitiative die Öffentlichkeit über die Auswirkungen des Euro

beziehungsweise der Währungsumstellung informieren.

Zu Frage 9:

Die durch den Vertrag von Maastricht geschaffene Wirtschafts- und Währungsunion wird auch

von Österreich vollinhaltlich unterstützt. Die dort vorgesehene Koordination der nationalen

Wirtschaftspolitiken sowie insbesondere die einheitliche Währung werden positive wirtschaft-

liche Effekte und damit auch positive Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt bringen,

Die Bestimmungen des Maastrichter Vertrags über die WWU stellen das Ergebnis eines Komm-

promisses dar. Die letztendlich gefundene Lösung wird sicherstellen, daß die Stabilität einer

künftigen gemeinsamen europäischen Währung bestmöglich gewahrt wird. Diese Kriterien

beziehen sich auf die Inflation, die Stabilität der nationalen Währung, die Konvergenz der

langfristigen Zinsen und die Staatsfinanzen.

Ein "Aufschnüren" dieses Pakets bzw. die Ergänzung der bestehenden Kriterien um ein Be-

schäftigungskriterium würde das gesamte Projekt WWU in Gefahr bringen. Dies wäre nicht im

wirtschaftspolitischen Interesse Österreichs,

Die Einführung eines Beschäftigungskriteriums wäre darüber hinaus kaum operationalisierbar.

Angesichts der gegenwärtig hohen Arbeitslosenraten in der EU gäbe es zwei Möglichkeiten:

Wird das Kriterium so angesetzt, daß es eine politisch und wirtschaftlich auch nur einiger-

maßen vertretbare Höhe der Arbeitslosigkeit nennt, so wäre es in der Realität von vielen Mit-

gliedstaaten nicht erfüllbar, was das Scheitern der Währungsunion bedeuten würde. Würde das

Kriterium jedoch so festgesetzt, daß eine nennenswerte Anzahl von Mitgliedstaaten es erfüllen

könnte, bedeutete dies, die Europäische Union toleriere hohe Beschäftigungslosenraten.

Ein Lösungsansatz für die Beschäftigungsproblematik muß von der EU daher auf anderen

Ebenen gefunden werden:

- Die Verwirklichung der WWU selbst wird mittel- und langfristig positive Auswirkungen auf

die Wirtschaftslage und damit auch auf den Arbeitsmarkt haben.

- Die nach wie vor primäre Verantwortung der Mitgliedstaaten für die Beschäftigungspolitik

soll auf Gemeinschaftsebene durch Kooperation in Bereichen, wo dies sinnvoll erscheint,

ergänzt werden. Österreich hat in diesem Sinne im Rahmen der Regierungskonferenz Vor-

schläge zur Aufnahme eines neuen Beschäftigungskapitels in den EG-Vertrag vorgelegt.

Dies soll sicherstellen, daß die Beschäftigungspo)itik sowohl in der Vorbereitung der WWU als

auch nach deren vollständigen Inkrafttreten einen wesentlichen Bestandteil der gemeinsamen

Wirtschafts- und Währungspolitik bildet.