1576/AB XX.GP
zur Zahl 1564/J-NR/1996
Die Abgeordneten zum Nationalrat Karl Öllinger, Freundinnen und Freunde haben
an mich eine schriftliche Anfrage, betreffend Resozialisierung verurteilter National-
sozialistInnen, gerichtet und folgende Fragen gestellt:
"1. In Ihrer Anfragebeantwortung betr. neonazistische Wiederbetätigung (759 AB)
haben Sie die Zahl der rechtskräftigen Verurteilungen nach dem Verbotsgesetz
für das Jahr 1993 mit 17, für 1994 mit 20 und für 1995 mit 22 beziffert.
Wie viele dieser Verurteilungen haben zum Antritt von Haftstrafen geführt und
wie viele Personen befinden sich davon noch im Gewahrsam der Justiz?
2.Wie viele der nach dem Verbotsgesetz Verurteilten kamen auf Bewahrung frei?
3. Welche Auflagen werden in den Fällen von Verurteilung nach dem NS-Ver-
botsgesetz für eine bedingte Haftentlassung erteilt?
4.lst es richtig, daß Gottfried Küssel Freigang erhält?
Wenn ja, warum und wie oft?
5.Stimmt es, daß eine bedingte Haftentlassung Gottfried Küssels vorbereitet
wird?
Wenn ja, warum?
6. Halten Sie den Umstand, daß Gottfried Küssel als politischer Gefangener von
der HNG betreut wird, für eine Resozialisierung zuträglich?
7. Stimmt es, daß eine bedingte Haftentlassung von Hans Jörg Schimanek jun.
vorbereitet wird?
Wenn ja, warum?
8. Halten Sie in diesem Fall die Betreuung durch die HNG für eine Resozialisie-
rung zuträglich?
9.Liegen lhnen Berichte bzw. Erkenntnisse des Bundesministeriums für Inneres
vor, denen zufolge der auf Bewährung entlassene Neonazi Günther Reinthaler
auf Schulungstour bei bundesdeutschen Rechtsextremisten unterwegs war
bzw. ist?
Wenn ja, haben diese Aktivitäten Reinthalers Auswirkungen auf seine vorzeiti-
ge Haftentlassung?
10. Sind den nach dem Verbotsgesetz verurteilten Personen auch in der Haft
rechtsextreme bzw. neonazistische Publikationen wie z.B. die "Nachrichten"
der HNG zugänglich?
Wenn ja, warum und um welche Publikationen handelt es sich dabei?
11.Halten Sie die Resozialisierung des wegen NS-Wiederbetätigung verurteilten
Franz Radl jun. für gewährleistet, wenn er beim Verein "Forum für ein huma-
nes und demokratisches Strafrecht ...,' angestellt ist bzw. Klaviervorträge gibt,
um so die Haftentlassung seiner noch inhaftierten Kameraden zu befördern?
12. Werden Sie vom Innenministerium über die Umtriebe von vorzeitig aus der
Haft entlassenen Neonazis informiert?
Wenn nein, warum nicht?"
lch beantworte diese Fragen wie folgt:
Zu 1:
Von den in den Jahren 1993 bis 1995 wegen Verbrechen nach dem Verbotsgesetz
verurteilten 59 Personen wurden 23 zu unbedingten bzw. teilbedingten Freiheitsstra-
fen verurteilt; die übrigen Personen wurden zu bedingt nachgesehenen Freiheits-
strafen verurteilt bzw. wurde bei einem Jugendlichen § 13 JGG angewendet und in
zwei weiteren Fällen von der Verhängung einer Zusatzstrafe abgesehen.
Von den erwähnten 23 Personen befinden sich derzeit 3 in Strafhaft, einem Verur-
teilten wurde Strafaufschub gewährt. Die übrigen Verurteilten haben, von einem Fall
abgesehen, zum Teil die Strafe - fallweise auch unter Anrechnung der
Untersuchungshaft - bereits verbüßt, zum Teil wurden sie bedingt entlassen (Nähe-
res dazu in den Ausführungen zu den Fragen 2 und 3). In dem eben erwähnten ei-
nen Fall steht eine Entscheidung über einen Antrag auf bedingte Entlassung nach §
265 StPO bzw. auf Strafaufschub noch aus.
Zu 2 und 3:
Die Gerichte haben von den zu Frage 1 erwähnten 23 Personen insgesamt 7 Verur-
teilten eine vorzeitige Entlassung aus der Haft gewährt. In 5 Fällen handelte es sich
um eine bedingte Entlassung gemäß § 46 StGB, in 2 Fällen um die bedingte Nach-
sicht eines Teiles der Strafe gemäß § 3 Amnestie 1995. ln einem Fall einer beding-
ten Entlassung wurde die Weisung erteilt, dem Vollzugsgericht binnen einer be-
stimmten Frist die Aufnahme eines Arbeitsverhältnisses oder die Meldung als Ar-
beitssuchender bei der Arbeitsmarktverwaltung nachzuweisen.
zu 4:
Der Strafgefangene Gottfried Küssel befindet sich seit 8. Oktober 1993 in der Justiz-
anstalt Stein und wird im Normalvollzug angehalten. Er hat bisher weder um einen
Ausgang noch um eine Strafunterbrechung angesucht. Derartige Vollzugslockerun-
gen wurden ihm daher weder vom Anstaltsleiter noch vom Landesgericht Krems ge-
währt.
Zu 5 und 7:
Die bedingte Entlassung eines Strafgefangenen setzt bei günstiger Prognose die
Vollstreckung zumindest der halben Strafe, bei einer nicht gerade ungünstigen Pro-
gnose den Vollzug von zumindestens zwei Dritteln der Strafe voraus. Es besteht
schon aus zeitlichen Gründen derzeit in beiden angesprochenen Fällen kein Anlaß,
die gerichtliche Entscheidung über die Frage der bedingten Entlassung vorzuberei-
ten.
zu 6:
Der Justizanstalt Stein sind keine Umstände bekannt, die darauf hinweisen würden,
daß Gottfried Küssel unmittelbar von der HNG während der Haft "betreut" würde.
Zu 8:
Der Justizanstalt Sonnberg sind keine Umstände bekannt, die darauf hinweisen wür-
den, daß Hans-Jörg Schimanek unmittelbar von der HNG während der Haft "be-
treut" würde.
Zu 9:
Derartige Berichte liegen dem Bundesministerium für Justiz nicht vor.
Zu 10:
Gemäß § 60 Abs. 2 StVG dürfen Strafgefangene Zeitungen und Zeitschriften nur
durch Vermittlung der Justizanstalt beziehen. Für Zeitungen und Zeitschriften neo-
nazistischen Inhaltes wird von der Anstaltsleitung keine Bezugsbewilligung erteilt.
Die für Strafgefangene eingehende Post wird nach den Bestimmungen des Strafvoll-
zugsgesetzes eingehend kontrolliert Auch haben Haftraumdurchsuchungen bislang
keinen Hinweis darauf ergeben, daß Strafgefangenen neonazistische Publikationen
unter Umgehung der Zensur zugänglich geworden wären.
Zu 11:
Franz Radl junior hat die über ihn verhängte Freiheitsstrafe noch nicht angetreten.
Über eine allfällige bedingte Entlassung nach § 265 StPO oder einen allfälligen
Strafaufschub werden die unabhängigen Gerichte zu entscheiden haben. Ich ersu-
che daher um Verständnis dafür,
daß ich mich zu dieser Frage - um solchen gericht-
lichen Entscheidungen nicht vorzugreifen - nicht inhaltlich äußern kann. Umstände,
die nach den dafür geltenden gesetzlichen Bestimmungen die sofortige Einleitung
des Strafvollzugs gebieten würden, sind dem Bundesministerium für Justiz jeden-
falls nicht bekannt geworden.
Zu 12:
Wenn die Sicherheitsbehörden bzw. das Innenministerium vom Verdacht strafbarer
Handlungen Kenntnis erlangen, werden davon die Strafverfolgungsbehörden unter-
richtet. Für die Mitteilung strafrechtlich nicht relevanter Vorgänge besteht keine ge-
setzliche Verpflichtung. Allerdings können die Gerichte im Zusammenhang mit von
ihnen zu treffenden Entscheidungen über eine bedingte Entlassung oder deren Wi-
derruf sicherheitsbehördliche Erhebungen veranlassen.