163/AB
Anfrage der Abgeordneten
Dr. Friedhelm Frischenschlager
und Genossen
(Nr. 158/J)
An den
Herrn Präsidenten des Nationalrates
Parlament
1017 Wien
Die Abgeordneten zum Nationalrat Dr. Friedhelm Frischenschlager und Genossen haben am 27. 2. 1996 unter der Nummer 158/J-NR/1996 an mich eine schriftliche Anfrage betreffend ein Interview des österreichischen Botschafters in Islamabad Über Kinderarbeit in Pakistan gerichtet, welche den folgenden Wortlaut hat:
111. Entspricht die Wiedergabe des Interviews mit Dr. Posch in der pakistanischen Zeitung (siehe Beilage) den tatsächlich von ihm getroffenen Aussagen? Wenn nein, warum haben Sie keine Entgegnung veranlaßt?
2. Sind Sie auch der Ansicht, daß das Problem der Kinderarbeit in Pakistan von der westlichen Presse 'aufgeblasen' wird, um der pakistanischen Teppichindustrie zu 'schaden'?
3. Hat Dr. Posch bzgl. dieses Interviews irgendwelche dienstrechtlichen Folgen zu befürchten? Wenn ja, welche? Wenn nein, warum nicht?
4. Welche Bemühungen unternimmt Ihren Informationen nach Pakistan, um die Kinderarbeit abzuschaffen, und in welcher Weise wird es dabei von Österreich unterstützt?
5. Welche Informationen besitzen Sie Über das Problem der Kinderarbeit in Pakistan und in anderen Ländern der Dritten
Welt? In welchen Ländern ist sie auch heute noch legal?
6. In welcher Weise beeinflußt die Existenz von Kinderarbeit in welchem Staat auch immer - die diplomatischen Beziehungen zu Österreich?"
Ich beehre mich, diese Anfrage wie folgt zu beantworten:
Zu 1:
Die Wiedergabe des Interviews mit Dr. Friedrich Posch in der pakistanischen Zeitung "The News" beruhen auf einem Gespräch, welches dieser der Agentur "News Network International" gegeben hat und welches völlig verzerrt wiedergegeben wurde.
Botschafter Dr. Friedrich Posch ging gegen Ende des Interviews auf die Frage des Journalisten betreffend die Zwangs- und Kinderarbeit in Pakistan ein und legte dar, daß es sich hiebei um krasse Menschenrechtsverletzungen handle und dies von österreich verurteilt werde. In diesem Zusammenhang fügte er hinzu, daß man bei der Beurteilung der Problematik allerdings auch die Frage, was das Land selbst zur Abschaffung dieser menschenunwürdigen Situation beitrage, miteinbeziehen sollte und wies darauf hin, daß es sich hier um ein Problem handle, welches nicht nur Pakistan betreffe.
Einzelne Passagen des Interviews wurden aus ihrem Zusammenhang gerissen und überzeichnet, wobei eine einseitige Darstellung entstand, die weder den Ansichten des Botschafters noch jenen Österreichs und seiner Regierung entspricht.
Botschafter Dr. Friedrich Posch hat im Wege des spanischen Botschafters in Islamabad, welcher zu dieser Zeit den Vorsitz in der Gruppe der EU-Missionschefs führte, zur Richtigstellung ein Schreiben gesandt, welches allen EU-Missionschefs in Islamabad Übermittelt wurde. Von einer Entgegnung in den pakistanischen Printmedien wurde abgesehen, da dies erfahrungsgemäß nur zu weiteren Verzerrungen der Darstellung der österreichischen Haltung geführt hätte.
Zu 2:
Keinesfalls bin ich der Ansicht, daß das Problem der Kinderarbeit in Pakistan von der westlichen Presse aufgeblasen wird, um der pakistanischen Teppichindustrie zu schaden. Die Internationale Arbeitsorganisation hat einen Bericht einer Expertengruppe über die Anwendung der Konventionen und die diesbezüglichen Schlußfolgerungen betreffend Pakistan publiziert, welcher dem "Committee on the Application of Standards" im Mai oder Juni 1996 zur Abgabe von Empfehlungen im Zusammenhang mit der Kinder- und Kinderzwangsarbeit in Pakistan zugeleitet wird. Diese Empfehlungen bzw. dieser Bericht wird dem Ständigen Konferenzausschuß der alljährlich tagenden ILO-Arbeitskonferenz vorgelegt und von diesem noch geprüft. Die genannte Tagung wird im Juni 1996 stattfinden.
Der Ständige Konferenzausschuß kann jedoch nur eine bestimmte Anzahl von Fällen prüfen, die vom Vorsitz der 83. ILO-Arbeitskonferenz im Juni ausgewählt werden. Der Vorsitz besteht aus je einem Regierungsvertreter, einem Arbeitgeber- und einem Arbeitnehmersprecher. Wird ein Fall zur Prüfung ausgewählt, muß sich der jeweilige Staat verantworten. Im Hinblick darauf, daß derzeit Verletzungen von Konventionen betreffend Menschenrechte besondere Beachtung finden und vorrangig bearbeitet werden, könnte ein Fall von Kinderarbeit einer Prüfung unterzogen werden.
Im Expertenbericht wird festgestellt, daß die bisherigen Bemühungen der pakistanischen Regierung, sich mit dem Problem der Kinderzwangsarbeit auseinanderzusetzen, ungenügend seien. Zudem hat die pakistanische Regierung kein glaubwürdiges zahlen- -. material über die Kinderarbeit vorlegen können. Darüber hinaus wird bemängelt, daß die Rolle der Gerichtsbarkeit und auch der Bezirksverwaltung, was die Implementierung der diesbezüglichen pakistanischen Gesetze betrifft, unzureichend und undurchsichtig sei.
Das Expertenkomitee gibt seiner Hoffnung Ausdruck, daß die ordnungsgemäße Implementierung der pakistanischen Gesetze und die rasche Verurteilung jener, die sich derartige Praktiken zu Schulden kommen lassen, auch administriert werden sollte.
Der diesbezügliche Expertenbericht betreffend Pakistan ist dieser Antwort als Beilage A beigeschlossen.
Zu 3:
Wie in der Beantwortung zu Punkt 1 dieser Anfrage ausgeführt, entspricht die Wiedergabe des Interviews mit Botschafter Dr. Posch vom 28. Oktober 1995 nicht dessen tatsächlichen Aussagen. Da auch sonst kein dienstrechtliches Fehlverhalten des Genannten zu Tage getreten ist, kommen aufgrund der geltenden gesetzlichen Bestimmungen keine dienstrechtlichen Folgen in Betracht.
Zu 4:
Pakistan hat in einem Aide Memoire vom 10. Oktober 1995, welches sämtlichen EU-Vertretungen in Islamabad zugegangen ist, die Initiativen der pakistanischen Regierung zur Abschaffung der Kinder- und Kinderzwangsarbeit dargelegt. Immerhin ist zu erwähnen, daß Pakistan sich insoferne kooperativ zeigt, als es zumindest versucht, diverse Anfragen der ILO (Internationale Arbeitsorganisation) und auch der Mitgliedstaaten der EU zu beantworten. Auf die diesbezüglichen Ausführungen zu Punkt 2 der Anfrage - Bericht des Expertenkomitees - wird verwiesen.
Eine Kopie des Aide Memoires (Beilage B) ist beigeschlossen.
Pakistan hat das Übereinkommen über die Zwangs- oder Pflichtarbeit vom 28.6.1930 ratifiziert, ebenso wie das Übereinkommen über die Abschaffung der Zwangsarbeit vom 25.6.1957. Ersteres Übereinkommen ist von 129 Staaten (Österreich BGBl. 86/1961), letzteres von insgesamt 108 Staaten (Österreich BGBl. 81/1958) ratifiziert worden.
Was die Frage nach der Hilfestellung Österreichs für Pakistan zur Abschaffung der Kinderzwangsarbeit betrifft, wird auf die dsbzgl. Ausführungen in Punkt 6 verwiesen.
Zu 5:
Über das Problem der Kinderarbeit in Pakistan ist Österreich durch die ausführliche Berichterstattung der österreichischen Botschaft in Islamabad, durch seine Mitgliedschaft in der ILO sowie durch seine Mitgliedschaft im APS-Verwaltungsausschuß der EU informiert.
österreich verurteilt die Kinderzwangsarbeit, wo immer sie auch vorkommt. Allerdings ist diese nicht nur in Pakistan anzutreffen. Laut ILO-Angaben verschlechtert sich die Situation auch in Afrika und Lateinamerika, sodaß "das Herausstellen" Pakistans alleine nicht sinnvoll erscheint. Pakistan hat das Problem eingestanden - wenn auch verharmlosend - und arbeitet mit der ILO zusammen. Diese Zusammenarbeit sollte auch von den 15 EU-Mitgliedstaaten, die ebenfalls der ILO angehören, unterstützt werden.
Österreichs Haltung geht dahin, die Untersuchung und Schlußfolgerungen der ILO abzuwarten. Sobald der Abschlußbericht der ILO und ihre Empfehlungen vorliegen, sollte sodann die Europäische Kommission tätig werden, d. h., diese Fragen im APS-Verwaltungsausschuß (Allgemeines Präferenzsystem) diskutieren. Als .härteste Sanktion käme die Suspendierung Pakistans von der Anwendung des Allgemeinen Präferenzsystems in Frage.
Zu 6:
Österreich ist der Einhaltung der Menschenrechte verpflichtet, wobei dem Verbot der Kinder- und Kinderzwangsarbeit ein ganz hoher Stellenwert beigemessen wird. In welchem Staat auch immer diese Problematik erkennbar ist, ist Österreich, welches die diesbezüglichen ILO-Konventionen ratifiziert hat, bestrebt, gemeinsam mit seinen Partnerstaaten innerhalb der EU dazu beizutragen, Kinder- und Kinderzwangsarbeit abzuschaffen.
Zwischenzeitlich hat die Europäische Kommission eine Erkundungsmission nach Pakistan entsandt, welche Vorschläge zur Unterstützung der pakistanischen Regierung bei der Beseitigung von Kinderzwangsarbeit erarbeiten soll. Der Bericht der Mission sollte in den nächsten zwei Monaten vorliegen. In diesem Zus enhang sei darauf hingewiesen, daß diese Aktion der Europäischen Kommission den Intentionen der österreichischen Politik entspricht, konstruktiv die Kinderzwangsarbeit zu bekämpfen und insbesondere das soziale Umfeld, in welchem diese gedeihen kann, zu verändern und zu verbessern.
Der Bundesminister
für auswärtige Angelegenheiten