1642/AB XX.GP

 

zur Zahl 1672/J-NR/1996

Die Abgeordneten Zum Nationalrat Dr. Helene Partik-Pablé, Dr. Harald Ofner und

Genossen haben an mich eine schriftliche Anfrage, betreffend psychologische Be-

treuung von Strafgefangenen, gerichtet und folgende Fragen gestellt:

"1 . Wie viele Psychologen und wie viele Psychotherapeuten werden jeweils in

den einzelnen Strafvollzugsanstalten eingesetzt?

2. Ist Ihnen bekannt, daß Psychotherapeuten für die Gesprächstherapie besser

geeignet sind als Psychologen, weil diese sozusagen ihr angestammtes Fach

ist?

Wenn ja, warum werden bei der Betreuung von Strafgefangenen die Psycho-

logen den Psychotherapeuten vorgezogen?"

Der Beantwortung der einzelnen Fragen sei folgendes vorangestellt:

Die therapeutische Betreuung der Insassen der Justizanstalten ist ein wichtiges Mit-

tel für die spätere Eingliederung dieser Personen in die Gesellschaft. Allerdings ist

zu betonen, daß - worauf auch eine interdisziplinäre Kommission für den Strafvoll-

zug hinwies - der Vollzug an der überwiegenden Mehrheit der Strafgefangenen nicht

im Sinn eines medizinisch-therapeutischen Behandlungskonzeptes erfolgen, son-

dern das Vollzugsmodell eines sozialen Trainings Platz greifen soll. Es müssen da-

her auch die Grenzen der Einflußnahme durch therapeutische Maßnahmen auf die

Insassen berücksichtigt werden. Neueste Forschungen in den Vereinigten Staaten

von Amerika und der Bundesrepublik Deutschland (u.a. Prof. Hare und Prof. Lösel)

gehen davon aus, daß sich die - weitgehend vom Lebensalter des Insassen abhän-

gige - Rückfallswahrscheinlichkeit bei Einsatz indizierter therapeutischer Maßnah-

men um maximal 1OO% vermindern, bei Anwendung unangemessener therapeuti-

scher Betreuungsmaßnahmen jedoch um bis zu 7 % verschlechtern kann. Therapie

ist daher nur ein Bestandteil eines aufeinander wohlabgestimmten Gesamtbe-

treuungskonzeptes. Der Schwerpunkt der Betreuung muß jedenfalls im Bereich des

"normalen" Strafvollzugs - im Sinn der schon erwähnten Ausführungen der interdis-

ziplinären Kommission für den Strafvollzug - in der Betreuung durch die Justizwache

(in der Abteilung und am Arbeitsplatz) und durch den Sozialen Dienst liegen.

Ich beantworte nun die Fragen wie folgt:

Zu1:

Eine Aufzeichnung über die Zahl der im Strafvollzug tätigen Psychotherapeuten wird

nicht geführt, weil Psychotherapie im Vollzug auf Grund therapeutischer Zusatzqua-

lifikationen der dort beschäftigten Psychiater und Psychologen zum Einsatz kommt.

Gerade im Strafvollzug ist die psychische Problemlage des Klientels meist derart

vielschichtig, daß eine Mehrfachqualifikation im therapeutischen Bereich wün-

schenswert ist.

Die folgende Tabelle zeigt die Anzahl der in den einzelnen Justizanstalten (in unter-

schiedlichem Ausmaß) tätigen Psychiater und Psychologen, die zum Teil auch zur

selbständigen Ausübung der Psychotherapie nach dem Psychotherapiegesetz,

BGBl.Nr. 361/1990, berechtigt sind.

Justizanstalt Wien-Josefstadt  8 + 1 Planstelle, die vom Bundes-

ministerium für Wissenschaft und

Verkehr verwaltet wird

Justizanstalt für Jugendliche Wien-Erdberg 1

Justizanstalt Eisenstadt 2

Justizanstalt Feldkirch 3

Justizanstalt Graz-Jakomini 2

Justizanstalt Innsbruck 2

Justizanstalt Klagenfurt 2

Justizanstalt Linz 1

Justizanstalt Salzburg 1

Justizanstalt Garsten 3

Justizanstalt Graz-Karlau 2

Justizanstalt Hirtenberg 1 (mit einem weiteren ist demnächst

zu rechnen)

Justizanstalt Schwarzau 2

Justizanstalt Stein 6

Justizanstalt Suben 1

Justizanstalt Wien-Simmering 2

Justizanstalt für Jugendliche Gerasdorf 2 (mit einem weiteren ist demnächst

zu rechnen)

Justizanstalt Wien-Mittersteig 7 + 5 Planstellen, die vom Bundes-

ministerium für Wissenschaft und

Verkehr verwaltet werden

Justizanstalt Göllersdorf 6 + 9 Planstellen, die vom Bundes-

ministerium für Wissenschaft und

Verkehr verwaltet werden

Justizanstalt Sonnberg 3

Justizanstalt Wien-Favoriten 9

in der Wiener Jugendgerichtshilfe 2 (dienen auch zur Betreuung der

Justizanstalt für Jugendliche

Wien-Erdberg)

Zu 2:

Wie bekannt, gibt es eine Vielzahl therapeutischer Methoden, von denen eine die

Gesprächspsychotherapie ist. Die Wirksamkeit der jeweiligen Methode im Einzelfall

hängt jedoch von einer Vielzahl von Umständen, nicht zuletzt auch von der Persön-

lichkeit und Problemlage des Betroffenen und damit von der jeweiligen Indikation ab.

Zweifellos kommt dem Gespräch im Rahmen der Gesamtbetreuung eines Insassen

große Bedeutung zu. Je nach Ausbildung und Fallage bringen aber nicht nur Psy-

chotherapeuten, sondern auch Psychologen, Psychiater, Sozialarbeiter und beson-

ders trainierte Justizwachebeamte (Group Counsellors) die fachliche Eignung für

Betreuungsgespräche mit. Darüber hinaus werden jedem Justizwachebeamten in

seiner theoretischen und praktischen Ausbildung die Grundlagen für die Führung

einfacher Betreuungsgespräche vermittelt.