1662/AB XX.GP

 

zur Zahl 1628/J-NR/1996

 

Die Abgeordneten zum Nationalrat Öllinger, Freundinnen und Freunde haben an

mich eine schriftliche Anfrage, betreffend die Verbreitung neonazistischer und rassi-

stischer Propaganda im Internet, gerichtet und folgende Fragen gestellt.

"1. Sind trotz Zurücklegung der Anzeige des DÖW durch die Staatsanwaltschaft

Wien rechtliche Schritte bzw. Ermittlungen gegen Peter Kurt Weiß und Frank

(gemeint wohl: Franz) Swoboda eingeleitet worden?

Wenn ja, welche und in welchem Stadium befinden sich diese?

Wenn nein, warum nicht?

2. ln der Vergangenheit haben AnzeigerInnen immer wieder die Erfahrung ge-

macht, daß Voruntersuchungen und Ermittlungen gegen Neonazis und Holo-

caustleugner lange Jahre dauern können.

Wann ist mit einem Abschluß der Ermittlungen zu rechnen?

3. Besteht von Ihrer Seite aus eine Möglichkeit, die von Peter Kurt Weiß und

Frank (gemeint wohl: Franz) Swoboda fast jede Woche neu getätigten Veröf-

fentlichungen antisemitischer und neonazistischer Hetzpropaganda im Internet

zu verhindern?

Wenn ja, welche?

Wenn nein, warum nicht?

4. Werden in bezug auf die Versendung einschlägiger e-mails seitens des Justiz-

ministeriums Schritte gesetzt, um zu klären, ob Peter Kurt Weiß und Frank (ge-

meint wohl: Franz) Swoboda dafür verantwortlich sind?

Wenn nein, warum nicht?

5. Wird es aufgrund der darin verbreiteten Inhalte von seiten Ihres Ministeriums

zu rechtlichen Schritten gegen die Verbreiter dieser e-mails kommen?

Wenn ja, zu welchen?

Wenn nein, warum nicht?

6. Das Computernetz Internet umfaßt ca. 30 - 40 Millionen TeilnehmerInnen. Wie

beurteilen Sie die Aussage der Staatsanwaltschaft Wien, das Internet sei kein

öffentliches Medium?

7. Wie sehen Sie das Problem der Verbreitung rassistischer und neonazistischer

Propaganda im Internet?

8. Sind von seiten Ihres Ministeriums aus Schritte vorgesehen, um im Internet die

Verbreitung neonazistischer und rassistischer Propaganda zu unterbinden?

Wenn ja, welche?

Wenn nein, warum nicht?

9. Sind in Zusammenarbeit mit der EU Initiativen geplant, um gegen die Verbrei-

tung von rassistischer und neonazistischer Propaganda im Internet entgegen-

zuwirken?

Wenn ja, welche?

Wenn nein, warum nicht?

10. Wurden gegen Dipl.Ing. Wolfgang Fröhlich wegen der Verschickung von Brie-

fen bzw. Offenen Briefen mit holocaustleugnender Propaganda rechtliche

Schritte eingeleitet?

Wenn ja, welche?

Wenn nein, warum nicht?

11. In welchem Stadium befinden sich die Ermittlungen gegen Dipl.Ing. Walter (ge-

meint wohl: Wolfgang) Fröhlich?

12. Ist mit einem absehbaren Ende dieser Ermittlungen zu rechnen?

Wenn ja, wann?" -

Ich beantworte diese Fragen wie folgt :

Zu 1 und 2:

In der Strafsache gegen Dipl.-Ing. Franz Swoboda hat die Staatsanwaltschaft Wien

eine Anzeige des Dokumentationsarchivs des österreichischen Widerstandes wegen

diverser Einschaltungen im Internet zwar vorerst am 26.2.1 996 gemäß § 90 Abs. 1

StPO zurückgelegt, nach formloser Wiederaufnahme jedoch am 10.5.1996 beim Un-

tersuchungsrichter des Landesgerichts für Strafsachen Wien die Einleitung der Vor-

untersuchung wegen des Verdachts des Verstoßes gegen das Verbotsgesetz, allen-

falls der Verhetzung nach § 283 StGB, beantragt. Dieses Verfahren, in das weitere

ähnlich gelagerte Fakten einbezogen wurden, behängt nach wie vor im Stadium der

Voruntersuchung.

Im Fall von Peter Kurt Weiß hat das Dokumentationsarchiv des österreichischen Wi-

derstandes bereits ursprünglich eine Anzeige an die Staatsanwaltschaft Salzburg

gerichtet. Die darin enthaltenen Vorwürfe verbotsgesetzwidriger bzw. verhetzender

Einschaltungen im Internet werden neben anderen Fakten im Rahmen einer beim

Landesgericht Salzburg anhängigen Voruntersuchung gegen den eingangs Ge-

nannten geprüft.

In beiden Fällen ist ein Abschluß des gerichtlichen Vorverfahrens noch nicht verläß-

lich absehbar. Das Bundesministerium für Justiz wird den weiteren Verfahrensfort-

gang überwachen.

Zu 3

Ich verweise zunächst auf die allgemeinen Ausführungen zu Frage 8.

Zu Dipl.-Ing. Franz Swoboda sei ergänzend erwähnt, daß dieser nach einer der

Staatsanwaltschaft Wien zugekommenen Mitteilung sich eines in den USA domizi-

lierten Providers bedienen soll. Eine erfolgreiche Einwirkung auf einen solchen ist

allerdings derzeit, insbesondere mit den Mitteln des Strafrechts, sehr fraglich.

Zu 4 und 5:

Soweit derartige Vorwürfe den Strafverfolgungsbehörden bekannt sind, werden sie

in den oben angeführten Strafverfahren zu untersuchen sein; im besonderen wird

die Verantwortlichkeit für die jeweiligen Veröffentlichungen Gegenstand dieser Prü-

fung sein.

Zu 6:

Der Leiter der Staatsanwaltschaft Wien berichtet, daß ihm eine Aussage eines sei-

ner Mitarbeiter, wonach das Internet kein öffentliches Medium sei, unbekannt sei.

Zu 7:

Aus materiellrechtlicher Sicht ergibt sich meiner Ansicht nach kein unmittelbarer le-

gislativer Handlungsbedarf. Strafrechtsrelevante Internet-Inhalte lassen sich in der

Regel unter die herkömmlichen Straftatbestände subsumieren, sodaß allein durch

die Verwendung neuer Technologien zum Transport und zur Verbreitung straf-

rechtswidriger Inhalte keine Strafbarkeitslücken entstehen. Die Verbreitung spezi-

fisch nationalsozialistischen Gedankenguts über Computernetzwerke ist durch die

gerichtlichen Strafbestimmungen des Verbotsgesetzes bzw. durch die subsidiär an-

wendbare verwaltungsstrafrechtliche Bestimmung des Art. IX Abs. 1 Z 4 EGVG er-

faßt. Insbesondere der durch die Verbotsgesetznovelle 1992 eingeführte Tatbestand

des § 3h Verbotsgesetz bildet im Hinblick auf die dort vorgesehenen Begehungsmit-

tel ("in einem Medium" oder "sonst auf öffentliche Weise") eine geeignete Handha-

be, die in der Leugnung oder Verharmlosung nationalsozialistischer Verbrechen be-

stehende Verbreitung rechtsextremen Gedankenguts in Computernetzwerken straf-

rechtlich zu verfolgen. Im Zusammenhang mit der Verbreitung neonazistischer, ras-

sistischer und ausländerfeindlicher Inhalte können schließlich auch die Bestimmun-

gen der §§ 281 ("Aufforderung zum Ungehorsam gegen Gesetze"), 282 ("Aufforde-

rung zu mit Strafe bedrohten Handlungen und Gutheißung mit Strafe bedrohter

Handlungen") und 283 StGB ("Verhetzung") sowie die Verwaltungsstrafbestimmung

des Art. IX Abs. 1 Z 3 EGVG zum Tragen kommen. In diesem Zusammenhang ist zu

erwähnen, daß die Strafdrohung für "Verhetzung" durch das am 1 . März 1997 in

Kraft tretende Strafrechtsänderungsgesetz 1996 verdoppelt wurde.

Dem Umstand, daß die Urheber strafrechtswidriger Netzinhalte häufig vom Ausland

aus tätig werden, wird durch den weiten Tatortbegriff des § 67 Abs. 2 StGB ausrei-

chend Rechnung getragen. Nach dieser Bestimmung hat der Täter eine mit Strafe

bedrohte Handlung an jedem Ort begangen, an dem er gehandelt hat, hätte handeln

sollen oder ein dem Tatbild entsprechender Erfolg ganz oder zum Teil eingetreten

ist. Jedenfalls bei den hier in Rede stehenden Delikten ist davon auszugehen, daß

mit dem "Einstellen" strafgesetzwidrigen Materials in das Internet und dem folgen-

den Abruf und Speichern dieses Materials in Österreich zufolge § 67 Abs. 2 StGB

auch ein österreichischer Tatort begründet wird, was nach § 62 StGB die Geltung

österreichischen Strafrechts mit sich bringt.

Für eine wirksame grenzüberschreitende Strafverfolgung in diesem Bereich wäre in

erster Linie eine Harmonisierung der materiellen Straftatbestände in den einzelnen

Staaten anzustreben. Allgemein läßt sich aber festhalten, daß mit den bestehenden

materiellen Strafbestimmungen eine weitreichende Grundlage für die strafrechtliche

Verfolgung der Verbreitung strafrechtswidriger Inhalte über Datennetze zur Verfü-

gung steht. Das Hauptproblem bei der strafrechtlichen Verfolgung derartiger Delikte

dürfte somit nicht in der mangelnden Anwendbarkeit des materiellen Strafrechts lie-

gen, sondern vor allem in den praktischen Schwierigkeiten der Rückverfolgbarkeit

des Urhebers eines Netzinhalts.

Zu 8:

Ein Schwerpunkt allgemeiner Uberlegungen im Bundesministerium für Justiz im Be-

reich des Strafrechts liegt im Verfahrensrecht, wobei die einschlägigen Instrumenta-

rien der StPO, wie die Haus- und Personsdurchsuchung, die Beschlagnahme sowie

die Überwachung des Fernmeldeverkehrs, auf ihre Anwendbarkeit und Tauglichkeit

für Ermittlungen im elektronischen Datenverkehr zu überprüfen sind.

Grundsätzlich ist diesbezüglich festzuhalten, daß das bestehende strafprozessuale

Instrumentarium auch für eine Suche nach bzw. Untersuchung von Datenverarbei-

tungsanlagen und Datenbeständen geeignet scheint. So ist etwa nach den Bestim-

mungen der §§149a ff. StPO eine Überwachung des über Fernmeldeleitungen ab-

gewickelten On-line-Datenverkehrs unter den dort vorgesehenen Voraussetzungen

möglich und grundsätzlich auch nicht auf öffentliche Leitungen beschränkt. Die Not-

wendigkeit der Festlegung entsprechender technischer Anforderungen und Mitwir-

kungspflichten für private Netzbetreiber führte auch zur Aufnahme von entsprechen-

den, das Fernmeldegesetz abändernden Bestimmungen in den Artikel V der Regie-

rungsvorlage eines Bundesgesetzes über besondere Ermittlungsmaßnahmen zur

Bekämpfung organisierter Kriminalität (49 BlgNR XX. GP). Allgemein zugängliche

Netze, wie das Internet, unterliegen allerdings nicht dem Fernmeldegeheimnis, wes-

halb die bloße Verschaffung des Zugangs zu ihnen durch die Strafverfolgungsbe-

hörden ("Surfen") keine Überwachung des Fernmeldeverkehrs nach den § 149a ff.

StPO darstellt.

Im übrigen ist aber festzuhalten, daß sich die Überlegungen zur Bekämpfung der

Mißbräuche von Datennetzen in erster Linie auf außerstrafrechtliche Lösungen kon-

zentrieren sollten, die wiederum wohl nur im internationalen Kontext gefunden wer-

den können. Zu denken ist dabei etwa an die Ausarbeitung internationaler Instru-

mente, in denen Mindeststandards für Netzanbieter und -benützer sowie Sanktionen

bei deren Verletzung festgelegt werden. Solche Maßnahmen scheinen in weit höhe-

rem Maße dazu geeignet, Mißbräuchen rasch und effizient entgegenzuwirken, als

der Einsatz des klassischen Strafrechts, der im grenzüberschreitenden Bereich

überdies unvermeidlichen praktischen Schwierigkeiten begegnet.

Zu 9:

Die Kommunikationstechnologien entwickeln sich in ihren technischen Gegebenhei-

ten ebenso wie in ihren konkreten Erscheinungsformen äußerst rasch fort, was ihre

rechtliche Erfassung erschwert. Überdies sind davon nicht nur der in der Frage an-

gesprochene strafrechtliche Bereich, sondern auch andere Rechtsgebiete - bei-

spielsweise das Medienrecht, das Datenschutzrecht, europarechtliche Grundsätze

(insbesondere des Binnenmarktes), zivilrechtliche und nicht zuletzt grundrechtliche

Fragen (etwa das Recht auf freie Meinungsäußerung) - betroffen.

Rechtliche Regelungen werden in diesem Bereich prinzipiell von der zukünftigen

technischen Ausgestaltung der neuen Informationstechnologien (wie dem Internet)

auszugehen haben, weshalb hier wohl die Wahl eines interdisziplinären Ansatzes

geboten ist. Die dabei zu lösenden Fragen gehören primär nicht zu meinem Vollzie-

hungsbereich.

Mir wurde jedoch berichtet, daß im Rahmen der Europäischen Union durch den Rat

der Telekommunikationsminister eine Arbeitsgruppe über illegale Inhalte im Internet

eingerichtet wurde. Im Rahmen dieser Arbeitsgruppe wurde über Strategien bera-

ten, die

- realisierbar sind und helfen, die Verbreitung schädigender und illegaler Inhalte

im Internet einzudämmen,

- nicht übermäßig in das Recht auf freie Meinungsäußerung oder die normale

Entwicklung des Internet eingreifen und

- mit den Grundsätzen des Binnenmarktes, insbesondere dem Grundsatz des freien

Dienstleistungsverkehrs, im Einklang stehen.

Als erste Lösungsansätze wurden in diesem Rahmen vor allem der Beginn einer

breiten öffentlichen Debatte, insbesondere über Regulierungsmaßnahmen, die Sti-

mulierung von Selbstkontrolle, die Förderung der Entwicklung und Benützung von

Filtersoftware und Bewertungssystemen im Rahmen einer Kooperation der Mitglied-

staaten der Europäischen Union und internationaler Zusammenarbeit mit Drittstaa-

ten ins Auge gefaßt.

An dieser europäischen Initiative, die einen ersten Schritt zur internationalen Be-

kämpfung illegaler Inhalte im Internet darstellt, hat sich das Bundesministerium für

Justiz auf Expertenebene schon bisher beteiligt und wird seine Mitwirkung daran

auch künftig fortsetzen.

Zu 10 bis 12:

Auch gegen Dipl.-Ing. Wolfgang Fröhlich wurde über Antrag der Staatsanwaltschaft

Wien wegen des Verdachts des Verstoßes gegen das Verbotsgesetz eine Vorunter-

suchung eingeleitet, die nach wie vor beim Landesgericht für Strafsachen Wien an-

hängig ist. Mit ihrem Abschluß ist innerhalb der nächsten Monate zu rechnen.