1670/AB XX.GP

 

zur Zahl 1644/J-NR/1996

Die Abgeordneten zum Nationalrat Großruck, Auer, Freund, Schuster und Kollegen

haben an mich eine schriftliche Anfrage, betreffend Fall "H.", gerichtet und folgende

Fragen gestellt: .

"1 . Ist Ihnen bekannt, daß in diesem Zusammenhang seit 1974 im Sprengel des

OLG Linz mehr als 500 Verfahren anhängig gemacht wurden?

2. Ist es richtig, daß trotz lastenfreier Übernahme der Liegenschaft Raitenberg 7

den Nachbarn Ersitzungsrechte daran zugesprochen worden sind?

3. Ist es richtig, daß in der Entscheidung im Erstverfahren (C 117/76, C 124/78

BG Frankenmarkt) das Berufungsgericht (LG Wels) entgegen einer zweimali-

gen Entscheidung des Erstgerichts den Nachbarn ein ersessenes Fahrtrecht

zugesprochen hat?

4. Ist es richtig, daß das BG Frankenmarkt und als Berufungsinstanz das

LG Wels drei Nachbarn ersessene Eigentumsrechte an der Waldparzelle

1707/1 EZ 124 KG Höhnhart zugesprochen haben?

5. Ist es richtig, daß in diesem Zusammenhang die StA Wels die angezeigten

strafrechtlichen Gesetzesverletzungen nicht verfolgt hat und die Ratskammern

der LG Linz, Ried und Wels die Anträge auf Einleitung der Voruntersuchung

zurückgewiesen haben?

6. Wie beurteilen Sie die angeführten Sachverhalte, ohne der unabhängigen

Rechtsprechung vorzugreifen, aus rechtlicher Sicht?

7. Ist Ihnen bekannt, daß dem Landwirt Josef H. vom OLG Linz Verfahrenshilfe

für eine Amtshaftungsklage gegen die Republik Österreich bewilligt worden ist?

8. Ist Ihnen die Eingabe der Pensionistin Maria H., geboren 1.1.1911 , Raitenberg

7, 4873 Frankenburg, bekannt?

9. Wurde diese Eingabe von Ihren Ministerium an zuständige Stellen weitergelei-

tet, um den darin geschielderten Sachverhalt aufzuklären?

1O. Warum wurde diese Eingabe nicht beantwortet?

11 . Wurden von Ihnen auf Grund dieser Eingabe irgendwelche Konsequenzen ge-

zogen?

12. Wenn ja, welche?

13. Warum wurde der pflegebedürftigen Pensionistin Maria H. vom LG St. Pölten

die Verfahrenshilfe zur Einbringung einer Amtshaftungsklage verweigert?"

Ich beantworte diese Fragen wie folgt:

Zu 1:

Einleitend ist festzuhalten, daß der "Fall H." bereits im Jahr 1990 Gegenstand einer

an den Bundesminister für Justiz gerichteten parlamentarischen Anfrage der Abge-

ordneten Dr. Pilz, Fux und Freunde (6042/J-NR/1990) war; Ablichtungen dieser An-

frage und ihrer Beantwortung vom 29. August 1990 sind beigeschlossen. Soweit

sich die seinerzeitigen Fragen mit der nunmehrigen Anfrage inhaltlich decken, ge-

ben die im Bundesministerium für Justiz aktenkundigen Vorgänge seit August 1990

keinen Anlaß, der Sache nach von den damals gegebenen Antworten abzuweichen.

Dem Bundesministerium für Justiz ist daher sehr wohl bekannt, daß im Sprengel

des Oberlandesgerichts Linz zahlreiche Verfahren zwischen Josef H. und seiner

Mutter Maria H. einerseits und deren Nachbarn, vor allem der Familie Sch., anderer-

seits anhängig sind und anhängig waren. Die genaue Anzahl dieser Verfahren ist

dem Bundesministerium für Justiz jedoch nicht bekannt.

Zu 2:

Wenn bei einer Liegenschaft im Grundbuch keine Dienstbarkeiten eingetragen sind,

so bedeutet dies nicht, daß die Liegenschaft in jedem Fall frei von derartigen Lasten

erworben werden kann. Vor allem in ländlichen Regionen kommt es nämlich immer

wieder vor, daß etwa Geh- und Fahrrechte jahrzehntelang mehr oder weniger regel-

mäßig, abhängig von den Notwendigkeiten der Bewirtschaftung, tatsächlich ausge-

übt werden, ohne in das Grundbuch eingetragen zu sein. Liegen neben der Rechts-

ausübung auch die weiteren Voraussetzungen für die Ersitzung einer derartigen

Dienstbarkeit vor und war deren Bestehen dem Erwerber - objektiv betrachtet - er-

kennbar, so muß dieser das nicht im Grundbuch ersichtliche Recht als sogenannte

"offenkundige Dienstbarkeit" gegen sich gelten lassen.

Wenn daher die unabhängigen Gerichte bei Würdigung der ihnen vorliegenden Be-

weise zur Auffassung kommen, daß das tatsächliche Gehen oder Fahren über frem-

den Grund auch die (übrigen) Voraussetzungen für die Ersitzung eines Geh- und

Fahrrechts erfüllt, müssen sie auf Grund der geltenden Gesetzeslage und der

Rechtsprechung dem die Benützung des fremden Grundes solcherart in Anspruch

Nehmenden dieses Recht zuerkennen. Die Zuerkennung einer Dienstbarkeit durch

die Gerichte trotz fehlender Grundbuchseintragung ist in der Praxis auch gar nicht

so selten. Im "Fall H." kamen die Gerichte in Wahrnehmung der ihnen obliegenden

Aufgaben in mehreren Fällen zu dem Schluß, daß Josef H. die Liegenschaften eben

nicht lastenfrei, sondern mit Dienstbarkeiten belastet erworben hatte. Insofern trifft

die Prämisse der Frage, wonach die Liegenschaft lastenfrei erworben worden sei,

nach den Ergebnissen der gerichtlichen Verfahren nicht zu.

Zu 3:

Die Verfahren C 117/76 und 1 C 1224/78 des Bezirksgerichts Frankenmarkt hatten

denselben Verfahrensgegenstand, nämlich ein von der Familie Sch. behauptetes

Geh- und Fahrrecht auf einem Grundstücksteil im Eigentum des Josef H. im Aus-

maß von etwa zwei Quadratmetern. Das Verfahren wurde zunächst zu C 117/76 ge-

führt, die Klage der Familie Sch. in erster Instanz vom Bezirksgericht Frankenmarkt

abgewiesen. Dieses Urteil wurde vom Kreisgericht Wels aufgehoben. Im zweiten

Rechtsgang wurde das Klagebegehren vom Bezirksgericht Frankenmarkt zu 1 C

124/78 neuerlich abgewiesen. Infolge Berufung der Kläger wurde das Ersturteil

durch das Kreisgericht Wels zu Lasten des Beklagten Josef H. abgeändert und den

Klägern das Geh- und Fahrrecht zuerkannt. Eine Revision von Josef H. an den

Obersten Gerichtshof blieb erfolglos.

Zu 4 und 5:

Die in diesen Fragen ohne Nennung von Aktenzeichen angesprochenen Gescheh-

nisse können wegen der Vielzahl von Verfahren und Strafanzeigen weder bestimm-

ten gerichtlichen Verfahren noch irgendwelchen Aktenvorgängen bei der Staatsan-

waltschaft Wels zugeordnet werden. Ich kann daher zu diesen Fragen nur insoweit

Stellung nehmen, als Josef H. und Maria H. in mehreren Aufforderungsschreiben an

die Finanzprokuratur Amtshaftungsansprüche darauf gegründet hatten, daß die Ge-

richte rechtswidrig und amtsmißbräuchlich Nachbarn im Wege der Ersitzung erwor-

bene Eigentumsrechte an Teilen der bezeichneten Waldparzelle zuerkannt hätten.

Auf diese Amtshaftungsansprüche wird zu Frage 7 näher einzugehen sein.

Zu 6:

Zunächst sei nochmals auf die Ausführungen zu Frage 2 hingewiesen. Offenkundi-

ge Dienstbarkeiten beschäftigen die Gerichte immer wieder, es gibt dazu eine stän-

dige Rechtsprechung und zahlreiche, mit dieser übereinstimmende Stellungnahmen

der Lehre. Die "offenkundige Dienstbarkeit', ist ein allgemein anerkanntes Rechtsin-

stitut, ihr Bestand ist - wie erwähnt - von einer bücherlichen Eintragung unabhängig.

Ob eine solche Dienstbarkeit tatsächlich besteht, ist ausschließlich von den Gerich-

ten im Einzelfall - nach Würdigung der aufgenommenen Beweise - zu beurteilen. Ich

ersuche um Verständnis dafür, daß ich solche Einzelfallentscheidungen nicht wer-

tend kommentiere, weil dies in einem Spannungsverhältnis zur verfassungs-

gesetzlich gewährleisteten Unabhängigkeit der Gerichte stünde.

Das Problem dürfte im vorliegenden Fall offenbar darin liegen, daß eine Partei eines

gerichtlichen Verfahrens nicht bereit oder nicht in der Lage ist, eine in diesem Ver-

fahren getroffene Entscheidung zu akzeptieren. Nahezu jedem gerichtlichen Verfah-

ren in Zivilsachen ist es immanent, daß die Parteien kontroversielle Standpunkte

einnehmen, jeder glaubt sich subjektiv im Recht, würde er sich doch ansonsten nicht

in den Prozeß einlassen. Auch liegt es in der Natur eines derartigen Zivilverfahrens,

daß sich eine der Parteien mit ihrem Standpunkt nicht durchsetzen kann. Ist eine

Sache aber zu Lasten einer Partei nach Ausschöpfung aller Rechtsmittel und

Rechtsbehelfe letztlich rechtskräftig entschieden, mag es noch angehen, sich wei-

terhin (die Entscheidung der Gerichte kritisierend) subjektiv im Recht zu fühlen. Ob-

jektiv ist die von den Gerichten getroffene Entscheidung im Interesse des Rechts-

friedens und der Rechtssicherheit aber zu akzeptieren.

Anhaltspunkte für ein tatsächlich pflichhtwidriges Verhalten der Gerichte oder der

staatsanwaltschaftlichen Behörden haben sich aus den dem Bundesministerium für

Justiz vorliegenden Unterlagen nicht ergeben.

Zu 7:

Josef H. und Maria H. haben mehrmals gegenüber der Finanzprokuratur als Vertre-

terin der Republik Österreich Amtshaftungsansprüche geltend gemacht. Diese

außergerichtlichen Begehren auf Schadenersatz wegen unvertretbarer Rechtsan-

wendung wurden jedoch nicht anerkannt. Eine Amtshaftungsklage wurde - soweit

dem Bundesministerium für Justiz bekannt - bislang nicht erhoben. Daß das Ober-

landesgericht Linz dem Josef H. zur Einbringung einer derartigen Klage die Verfah-

renshilfe bewilligt hätte, ist im Bundesministerium für Justiz nicht objektiv aktenkun-

dig. Inhaltlich ließe sich allerdings aus einer solchen Entscheidung nichts für den

Standpunkt des Josef H. entnehmen. Die Bewilligung der Verfahrenshilfe für die Ein-

bringung einer Amtshaftungsklage setzt keineswegs voraus, daß das bewilligende

Gericht überzeugt ist, die Ansprüche seien berechtigt. Die Verfolgung der behaupte-

ten Ansprüche darf nur nicht von vornherein aussichtslos sein. Bei der Beurteilung

dieser Frage ist nach der Judikatur von den vom Verfahrenshilfewerber aufgestell-

ten Behauptungen auszugehen, sofern diese dem Gericht nicht bereits als unrichtig

bekannt sind. Aus welchen Gründen Josef H. trotz angeblicher Bewilligung der Ver-

fahrenshilfe bisher eine Amtshaftungsklage nicht erhoben hat, ist dem Bundesnmini-

sterium für Justiz nicht bekannt.

Zu 8 bis 12:

Im Bundesministerium für Justiz liegen zahlreiche Eingaben der Maria H. auf. Die in

Frage 8 angesprochene Eingabe kann daher nicht einem bestimmten Vorgang zu-

geordnet werden. Soweit Amtshaftungsansprüche gegenüber der Finanzprokuratur

geltend gemacht wurden, wurde der Sachverhalt geprüft und die außergerichtliche

Anerkennung der Ansprüche abgelehnt.

In ihren Eingaben beschuldigt Maria H. mehrere Nachbarn (nicht nur die Familie

Sch.), die Richter des Bezirksgerichts Frankenrnarkt, des Landesgerichts Wels und

des Oberlandesgerichts Linz, die staatsanwaltschaftlichen Behörden und andere der

Begehung strafbarer Handlungen. Die Begründung dieser Vorwürfe läuft immer dar-

auf hinaus, daß in zahlreichen Verfahren nicht ihren (und ihres Sohnes) Angaben

und Beweismitteln, sondern den Angaben und Beweisen der Nachbarn geglaubt

worden sei. Konkret faßbare Pflichtverstöße ergaben sich aus den Eingaben aller-

dings nicht. Es waren daher aufgrund dieser Eingaben keine Konsequenzen zu zie-

hen. Wegen der Vielzahl der inhaltlich im wesentlichen gleichgerichteten Eingaben

von Maria H. wurden diese letztlich aus Gründen der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit

und Zweckmäßigkeit auch nicht mehr beantwortet.

Zu 13:

Dem Bundesministerium für Justiz ist bekannt, daß Maria H. einen derartigen Antrag

gestellt hat Wie das Landesgericht St. Pölten entschieden hat und aus welchen

Gründen, ist dem Bundesministerium für Justiz nicht bekannt, eine Recherche dar-

über schien im Hinblick auf das Gesamtbild dieses Falles entbehrlich; ich verweise

diesbezüglich auf die Ausführungen in der Beantwortung der Anfrage

6042/J-NR/1990. Auch die Entscheidung über Verfahrenshilfeanträge fällt aus-

schließlich in die Kompetenz der unabhängigen Gerichte.

 

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