1696/AB XX.GP

 

Auf die - aus Gründen der besseren Übersichtlichkeit in Kopie bei-

geschlossene - schriftliche Anfrage der Abgeordneten Auer und Kol-

iegen vom 14.1.1997, Nr . 1727/J, betreffend die Behinderung des

Oberösterreichischen Kulturflächenschutzgesetzes LGBl 1.958/31 durch

das Forstgesetz 1975, BGBl 440, in der geltenden Fassung, beehre

ich mich folgendes mitzuteilen:

Bevor ich auf die Beantwortung Ihrer Fragen näher eingehe darf ich

folgendes ausführen :

Zunächst darf auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom

23. Juni 1989, B 1719/88, verwiesen werden, worin zu einem gleich-

gelagerten Sachverhalt eine verfassungskonforme Auslegung des Ober-

österreichischen Kulturflächenschutzgesetzes 1958 im Hinblick auf

den Kompetenztatbestand "Forstwesen" erörtert wird. Diese Entschei-

dung des Verfassungsgerichtshofes liegt in Copie bei (Beilage 1) .

In den Entscheidungsgründen wird im Hinblick auf den behaupteten

Normenwiderspruch des § 4 des Forstgesetzes und § 1 des Oberöster-

reichischen Kulturflächenschutzgesetzes dargelegt, daß im Sinne ei-

ner Auslegung nach dem Rücksichtnahmegebot die Bestimmungen des Ob-

erösterreichischen Kulturflächenschutzgesetzes einer Auslegung

zugänglich sind, durch die eine Verfassungswidrigkeit vermieden

wird.

Zur Beantwortung Ihrer Fragen im einzelnen:

 

Zu Frage 1:

Gemäß § 1 Abs. 1 Forstgesetz 1975 i.d.F. 419/1996 (FG) sind Wald im

Sinne dieses Bundesgesetzes mit Holzgewächsen der im Anhang ange-

führten Arten bestockte Grundflächen, soweit die Bestockung minde-

stens eine Fläche von 1.000 mz und eine durchschnittliche Breite

von 10 m erreicht. insofern ist das Flächenausmaß von 1.000 m2 eine

Voraussetzung für die Beurteilung einer Fläche als Wald.

Entsprechend der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 4

Abs. 1 FG - Neubewaldung - (VwGH 90/10/0064 vom 20.6.1994 und

91/10/0166 vom 19.12.1994) ist davon auszugehen, daß eine Neube-

waldungsfläche auch weniger als 1.000 m2 haben kann, wenn diese

Neubewaldungsfläche in unmittelbarem räumlichen Zusammenhang mit

Wald steht, der an die Feststellungsfläche (Neubewaldungsfläche)

unmittelbar angrenzt .

Sollte die Neubewaldungsfläche jedoch isoliert von anderen forstli-

chen Grundflächen sein, z.B. umgeben von landwirtschaftlich genutz-

ten Flächen, dann ist auch für die Waldeigenschaft die vorausge-

setzte Mindestgröße von 1.000 m2 erforderlich.

Dies bedeutet, daß ein Kulturschutzstreifen im Falle einer Natur-

verjüngung oder Aufforstung, auch wenn er kleiner als 1.000 m2 ist ,

zu Wald werden kann, wenn er unmittelbar an eine bestehende Wald-

fläche angrenzt. Jedenfalls wird eine Fläche, die größer als

1.000 m2 ist, im Falle der Aufforstung nach 10 Jahren zu Wald im

Sinne des FG.

Zu Frage 2:

Mit dem Forstgesetz 1975 wurden Regelungen geschaffen, die dem

Kompetenztatbestand "Forstwesen" in Anwendung der Versteinerungs-

theorie zu subsumieren sind. Hier ist vor allem auf die Bestimmun-

gen des Forstgesetzes aus dem Jahre 1852 Bedacht zu nehmen gewesen.

Eine Prüfung der maßgeblichen gesetzlichen Regelungen auf dem Ge-

biete des Forstwesens, die in dem für die Bestimmung der Kompetenz

in Betracht zu ziehenden Zeitpunkt (1925) in Geltung standen, er-

gibt, daß damals - so wie auch heute noch - das Forstwesen vom Ge-

danken der Erhaltung des Waldbestandes geprägt wird.

Der Verfassungsgerichtshof hat wiederholt ausgesprochen, daß zwi-

schen einem Bundesgesetz und einem Landesgesetz das sogenannte

Rücksichtnahmegebot einzuhalten ist, d.h., daß es dem Gesetzgeber

der einen Gebietskörperschaft verboten ist, die vom Gesetzgeber der

anderen Gebietskörperschaft wahrgenommenen Interessen zu negieren

und dessen gesetzliche Regelungen damit zu unterlaufen.

Aus den Erläuterungen zur Regierungsvorlage betreffend § 4 ForstG

(Neubewaldung) ergibt sich:

"Unter den Begriff Wald im Sinne dieses BG sollen auch neubewaldete

Grundstücke fallen. Bei diesen ist wichtig, von welchem Zeitpunkte

an dies zutrifft. Nun gibt es über die Umwandlung von landwirt-

schaftlichem Grund in Waldgrund in den meisten Bundesländern ein-

schlägige Vorschriften. Auf diese wurde daher im Abs . 2 bei der

Festlegung dieses maßgeblichen Zeitpunktes entsprechend Bedacht ge-

nommen, indem bei Neuaufforstung, zehn Jahre, bei Naturverjüngung,

eine Überschirmung von 0, 5 als Kriterien fixiert werden. Beide Fri-

sten gehen mit Sicherheit über den Fristenlauf der Untersagung. der

Neubewaldung gemäß den einschlägigen Landesgesetzen - in der Regel

fünf Jahre - hinaus, sodaß eine Beeinträchtigung der diesbezügli-

chen Zielsetzung des Landesgesetzgebers ausgeschlossen ist..."

Zu Frage 3:

Der Verfassungsgerichtshof hat mit dem obengerührten Erkenntnis

dargelegt, daß der Schutzzweck des Oberösterreichischen Kulturflä-

chenschutzgesetzes durch das Forstgesetz nicht verletzt wird und

vom Geltungsbereich des Kulturflächenschutzgesetzes Regelungen aus-

geschlossen sind, die unter dem Kompetenztatbestand "Forstwesen"

fallen.

Konkret können derartige Fälle, wie in der ggstdl. Anfrage darge-

stellt, vermieden werden, wenn die zuständige Behörde im Bewilli-

gungsbescheid nach dem KulturflächenschutzG vorschreibt, daß der

Bewuchs innerhalb von 10 Jahren wieder zu entfernen ist. Damit

wären die Schutzinteressen beider Gesetze berücksichtigt.

 

Bezogen auf den in der Anfrage geschilderten Fall bedeutet dies

für die "Auflage b" , daß jedenfalls bei verfassungskonformer Ausle-

gung des Oberösterreichischen Kulturflächenschutzgesetzes diese

Auflage ihre Wirksamkeit verliert, sobald der Bewuchs zu Wald im

Sinne des Forstgesetzes geworden ist, auch wenn sich dieser Waldbe-

stand entgegen dem Oberösterreichischen Kulturflächenschutzgesetz

entwickelt hat. Jedenfalls kann nach Ablauf von 10 Jahren der Ei-

gentümer nicht verpflichtet werden den Bestand, sofern er zu Wald

im Sinne des Forstgesetzes geworden ist ohne weiters zu entfernen,

da nunmehr die Bestimmungen des Forstgesetzes Anwendung finden.