1721/AB XX.GP
Schriftliche Anfrage der
Abgeordneten zum Nationalrat
Mag. Pollet-Kammerlander,
Freundinnen und Freunde betreffend
Österreichs Vertrag mit der NATO:
"Partnerschaft für den Frieden"
Die Abgeordneten zum Nationalrat Mag. Doris Pollet-Kammer-
lander, Freundinnen und Freunde haben am 14 . Januar 1997 unter
der Nr. 1799/J an mich eine schriftliche Anfrage betreffend
"Österreichs Vertrag mit der NATO: Partnerschaft für den
Frieden" gerichtet, welche den folgenden Wortlaut hat:
"1. Sie antworten auf die erste Frage (v. 14.11.1996, 1194 AB) ,
daß "Im Vordergrund der Friedenspartnerschaft die Ent-
wicklung kooperativer militärischer Beziehungen der teil-
nehmenden Staaten durch gemeinsame Planung, Ausbildung und
Übungen, um ihre Fähigkeit für Aufgaben auf den Gebieten
Friedenswahrung", steht. Entspricht der Begriff der Frie-
denswahrung im Rahmendokument Österreichs mit der NATO dem,
was in Kap. 6 der UN-Satzung als friedenserhaltender
Einsatz festgelegt ist?
2. Wodurch unterscheidet sich der Begriff des Manövers von dem
der "Übung", auf dem Sie in der Anfragebeantwortung
bestehen?
3. Halten sie es, Herr Minister, für Zufall, wenn in Zeitun-
gen wie der "Presse", dem "Neuen Volksblatt", und der "Neuen
Zeit" von "Cooperative Osprey" als "NATO-Manöver" berichtet
wurde?
4 . Sie stellen in der zweiten Antwort (v. 14.11.1996, 1194 AB)
fest, daß die "Übung" nicht unter US-Kommando, "sondern
unter der organisatorischen Leitung der NATO gestanden
ist". Laut Medienberichten hatte das Oberkommando der
Übung, jedoch ein US-Offizier inne. Sehen Sie die Frage
der nationalen Kommandoführung, die innerhalb der NATO
immer wieder für Konfliktstoff sorgt, für irrelevant?
5. Welche unterschiedliche Folgewirkung betreffend der Ein-
haltung des Neutralitätsgesetzes läßt sich daraus ableiten,
ob die Übung unter organisatorischer Leitung der NATO
gestanden hat oder einen US-Offizier als Kommandanten hatte?
6. Beim "Individuellen Partnerschaftsprogramm zwischen Öster-
reich und der NATO für die Jahre 1996-1998", handelt es
sich nach Auffassung der Anfragestellerinnen und
Anfragesteller um einen "politischen" Staatsvertrag i.S.
der Art. 50(1) B-VG. ,Politische Staatsverträge, sind u.a.
nämlich solche, die "die Stellung (....) eines Staates in
der Staatengemeinschaft berühren" (Walter/Meyer, Grundriß
des österr. Bundesverfassungsrechtes, Rz 227) . Dies ist
beim ,Individuellen Partnerschaftsprogramm zwischen
Österreich und der NATO für die Jahre 1996-1998,
unzweifelhaft der Fall. Warum wurde das Abkommen dessen
ungeachtet nicht dem Nationalrat zugeleitet?
7. Sie halten in der Beantwortung der Anfrage (v. 14.11.1996,
1194 AB) fest, daß die Evakuierung von - "international als
humanitäre Hilfeleistung verstandene" - Botschaftspersonal
auch das allererste konkrete Feld der Zusammenarbeit
zwischen der EU und der WEU darstellt und auch den Einsatz
von Waffengewalt erforderlich machen könnte.
Sehen Sie keine Folgewirkung für die Einhaltung des
Neutralitätsgesetzes, wenn sich damit im Rahmen der WEU
österreichische Soldaten an internationalen Militäraktionen
beteiligen wie beispielsweise Geiselbefreiungsaktionen in
Botschaften?
8 . Halten Sie es für zweckmäßig und den Tatsachen entspre-
chend, derartige Militäraktionen als ,humanitäre Hilfe-
leistung, zu bezeichnen?
9. Im Individuellen Partschaftsprogramm Österreichs mit der
NATO" ist im Teil III unter Schwerpunkten für 1996 bis 1998
die, Entwicklung von Konzepten und Strategien für die Frie-
densschaffung und Operationen mit dem Ziel, die nationalen
Strategien und Konzepte entsprechend abzuändern, festge-
halten .
In welcher Weise läßt sich diese Aussage von Ihnen Herr
Außenminister mit einem adäquaten Vollzug des
Neutralitätsgesetzes vereinbaren?
10. Sehen sie die vorschnelle Zusage Österreichs, selbst an
friedensschaffenden Einsätzen in Zaire teilzunehmen, in
diesem Zusammenhang und in welcher Weise läßt sich diese
Aussage von Ihnen Herr Außenminister, mit einem adäquaten
Vollzug des Neutralitätsgesetzes vereinbaren?"
Ich beehre mich, diese Anfrage wie folgt zu beantworten:
Zu Frage 1:
Mit Aufgaben auf dem Gebiet der Friedenswahrung werden jene
Maßnahmen umschrieben, die im Rahmen der Satzung der Vereinten
Nationen der Staatengemeinschaft zur Aufrechterhaltung des
Weltfriedens und der internationalen Sicherheit dienen. Dieses
Verständnis liegt auch dem Rahmendokument der Partnerschaft für
den Frieden zugrunde.
Zu Frage 2:
Unter dem Begriff "Manöver" werden militärische Vorhaben ab
einer bestimmten Größenordnung (Teilnahme von mehr als einem
großen Verband bzw. ab etwa 12.000 Mann) verstanden.
Zu Frage 3:
Diese Frage betrifft keinen Gegenstand der Vollziehung des
Bundes im Sinne des Art. 52 B-Vc, weshalb ich um Verständnis
bitte, wenn ich darauf nicht näher eingehe. Im übrigen verweise
ich auf die Beantwortung zu Frage 2.
Zu Frage 4 und 5:
Die Leitung von Übungen im Rahmen der Partnerschaft für den
Frieden wird jeweils einem der Teilnehmerländer übertragen, wie
im gegenständlichen Fall den Vereinigten Staaten als Gastgeber-
land. Der leitende Offizier ist dabei an die von der NATO vor-
gegebenen organisatorischen und operativen Rahmenbedingungen
mit Partnern gebunden. Die Frage der Nationalität des Komman-
danten sollte bei einer multinationalen PfP-Übung keine
besondere Rolle spielen.
Zu Frage 6:
Das "Individuelle Partnerschaftsprogramm" ist eine politische
Absichtserklärung, da mit dessen Abschluß keine rechtliche
Verpflichtung eingegangen, sondern ein indikatives Programm für
die Jahre 1996 bis 1998 vereinbart wurde. In diesem Sinne
enthält das IPP u.a. in Abschnitt I/B den Vorbehalt, daß "all
Austrian activities included in this IPP indicate a political
undertaking....".
Demgegenüber stellt Art. 50 Abs. 1 ausschließlich auf "Staats-
verträge" , das heißt völkerrechtliche Verträge, ab, weshalb
diese Bestimmung nicht auf das "Individuelle Partnerschafts-
programm zwischen Österreich und der NATO" anwendbar ist.
Zu Frage 7:
Eine Folgewirkung für die Einhaltung des Neutralitätsgesetzes
ist hier schon deshalb nicht gegeben, weil jeder Staat im
Einzelfall über die Teilnahme an einer bestimmten WEU-Operation
- wie es die Petersberg-Erklärung vom Juni 1992 formuliert -
entsprechend seiner jeweiligen Verfassung entscheidet.
Zu Frage 8:
Ich glaube, daß eine Evakuierung unbewaffneter Zivilisten aus
Krisengebieten von diesen als humanitäre Hilfeleistung empfun-
den würde .
Zu Frage 9:
Bei dem in der Anfrage erwähnten Ziel der Zusammenarbeit mit
Partnerländern geht es darum, nationale Erfahrungen im Bereich
der Friedenserhaltung auszutauschen und die Reformländer mit
den einschlägigen Strategien und Konzepten vertraut zu machen
sowie diese - soweit zweckmäßig - zu harmonisieren.
Grundsätzlich möchte ich in diesem Zusammenhang auch daran
erinnern, daß das Rahmendokument der Partnerschaft für den
Frieden ausdrücklich von Einsätzen unter der Autorität der VN
und/oder Verantwortung der OSZE spricht.
Zu Frage 10:
Friedensschaffende wie friedenserhaltende Einsätze, die auf
einem Beschluß des UN-Sicherheitsrates basieren, sind Aktionen
der internationalen Staatengemeinschaft und dienen der Aufrecht-
erhaltung bzw. Herstellung des Friedens und der internationalen
Sicherheit auf Grundlage der universell geltenden Satzung der
Vereinten Nationen. Bei dem geplanten Friedenseinsatz in Zaire
hätte daher ein widerspruch zu den Bestimmungen des Neutrali-
tätsgesetzes nicht entstehen können.