1759/AB XX.GP

 

Die Abgeordneten zum Nationalrat Petrovic, Langthaler, Freundinnen und Freunde

haben am 14. Jänner 1997 unter der Nr. 1768/J an die Bundesministerin für Gesund-

heit und Konsumentenschutz eine schriftliche parlamentarische Anfrage betreffend

Novel Food-Verordnung gerichtet, die folgenden Wortlaut hat:

"1 . Handelt es sich bei der beschlossenen Kennzeichnung um eine Negativ-Kenn-

zeichnung?

2. Wie ist der genaue Wortlaut der Kennzeichnung?

3. Wo auf der Verpackung muß die Kennzeichnung stehen?

4. Wie groß muß die Kennzeichnung sein?

5. Für welche Lebensmittel wird diese Kennzeichnungsvorschrift nicht Anwendung

finden?

6. Wieviele Lebensmittel (-gruppen) werden auch in Zukunft diesbezüglich nicht ge-

kennzeichnet werden?

7. Besteht nicht die Gefahr, daß die wissenschaftliche Nachweisbarkeit der indu-

striellen Produktion immer zeitlich nachhinken wird; daß also zuerst gentech-

nisch veränderte Lebensmittel auf den Markt kommen und erst mit zeitlicher

Verzögerung Nachweismethoden gefunden werden?

8. Mehr als 80 % der Bevölkerung lehnen den Kauf von gentechnisch veränderten

Lebensmitteln ab. Sie, als Gesundheits- und Konsumentenschutzministerin,

sollten in erster Linie die Interessen der österreichischen Bevölkerung vertreten.

Glauben Sie wirklich, daß die Kennzeichnung ausreichend Schutz für die öster-

reichischen Konsumenten darstellt?"

10. Sollte es nicht vielmehr Ihre Aufgabe sein, als Konsumentenschutzministerin

dafür zu sorgen, daß gentechnisch veränderte Lebensmittel erst gar nicht auf

den Markt kommen?

11. Zwar ist die Kennzeichnung von Lebensmitteln wichtig und eigentlich eine

Selbstverständlichkeit, doch wird auch hier die Last auf die Konsumenten

abgewälzt. Information ist mit viel Mühe, Zeitaufwand etc. verbunden. Kann man

wirklich von allen Konsumenten verlangen, sich jedes Lebensmittel genau

anzuschauen, ob dies gentechnisch verändert wurde? Bei Soja betrifft dies rund

20.000 bis 40.000 Lebensmittel. Haben die Konsumentinnen und Konsumenten

in diesem Land nicht das Anrecht darauf, daß solche Produkte erst gar nicht auf

den Markt gelangen?,'

Diese Anfrage beantworte ich als nunmehr hiefür zuständige Bundesministerin wie

folgt:

Zu den Fragen 1 und 2:

Die beschlossene Kennzeichnungsregelung findet sich in Art. 8 Abs. 1 der Novel

Food-Verordnung und lautet:

"(1) Unbeschadet der übrigen Anforderungen der gemeinschaftlichen Rechtsvor-

schriften für die Etikettierung von Lebensmitteln gelten folgende zusätzliche spezifi-

sche Etikettierungsanforderungen für Lebensmittel zur Unterrichtung der Endver-

braucher über:

a) alle Merkmale oder Ernährungseigenschaften, wie

- Zusammensetzung

- Nährwert oder nutritive Wirkungen,

- Verwendungszweck des Lebensmittels,

die dazu führen , daß ein neuartiges Lebensmittel oder eine neuartige Lebens-

mittelzutat nicht mehr einem bestehenden Lebensmittel oder eine bestehenden

Lebensmittelzutat gleichwertig ist.

Ein neuartiges Lebensmittel oder eine neuartige Lebensmittelzutat gilt als nicht

mehr gleichwertig im Sinne dieses Artikels, wenn durch eine wissenschaftliche

Beurteilung auf der Grundlage einer angemessenen Analyse der vorhandenen

Daten nachgewiesen werden kann, daß die geprüften Merkmale Unterschiede

gegenüber konventionellen Lebensmitteln oder Lebensmittelzutaten aufweisen,

unter Beachten der anerkannten Grenzwerte für natürliche Schwankungen dieser

Merkmale.

ln diesem Fall sind auf der Etikettierung diese veränderten Merkmale oder Eigen-

schaften sowie das Verfahren, mit dem sie erzielt wurden, anzugeben;

b) vorhandene Stoffe, die in bestehenden gleichwertigen veränderten Lebensmitteln

nicht vorhanden sind und die Gesundheit bestimmter Bevölkerungsgruppen beein-

flussen können;

c) vorhandene Stoffe, die in bestehenden gleichwertigen Lebensmitteln nicht vorhan-

den sind und gegen die ethnische Vorbehalte bestehen;

d) vorhandene genetisch veränderten Organismen, die durch die in der nicht er-

schöpfenden Liste in Anhang 1 A Teil 1 der Richtlinie 90/220/EWG genannten Ver-

fahren der Gentechnik genetisch verändert wurden."

Aus der hier dargestellten Kennzeichnungsregelung ergibt sich, daß die Novel Food-

Verordnung eine Negativkennzeichnung normativ nicht festlegt. Wie in den Erwä-

gungsgründen zur angesprochenen Verordnung ausgeführt wird, bleibt es den Mit-

gliedstaaten allerdings unbenommen, eine Negativkennzeichnung innerstaatlich zu

verankern .

Zu den Fragen 3 und 4:

Die Novel Food-Verordnung gibt hiezu keine näheren Angaben. Es ist daher davon

auszugehen, daß die Kommission bis zum Inkrafttreten der Novel Food-Verordnung

diesbezüglich nähere Durchführungsbestimmungen nach dem Verfahren des Art. 13,

das heißt unter maßgeblicher Einbindung des Ständigen Lebensmittelausschusses,

erlassen wird.

Zu den Fragen 5 und 6:

Die Kennzeichnungsvorschrift wird für solche Lebensmittel nicht anzuwenden sein,

die keine der in Art. 8 genannten Merkmale, Eigenschaften oder Inhaltsstoffe auf-

weisen.

Zu Frage 7:

Die Frage der wissenschaftlichen Nachweisbarkeit von Unterschieden in der Zusam-

mensetzung eines neuartigen Lebensmittels gegenüber einem herkömmlichen ver-

gleichbaren Lebensmittel ist sicherlich die zentrale Frage der neuen Kennzeich-

nungsregelung. Im Hinblick auf gentechnisch veränderte Lebensmittel ist festzuhal-

ten, daß die dafür in Frage kommenden molekularbiologischen Nachweismethoden

derzeit Gegenstand intensiver Forschungsarbeiten in vielen Industriestaaten sind

und sich mit einer rasanten Entwicklung etablieren. Ich halte daher die in der Anfrage

genannte Gefahr eines "Nachhinkens" der wissenschaftlichen Nachweisbarkeit

gegenüber der industriellen Produktion nur in unwesentlichem Maße für gegeben.

Zu den Fragen 8 bis 11:

Die in der Novel Food-Verordnung im Rahmen der EU-weiten Zulassung von gen-

technisch veränderten Lebensmitteln vorgesehene Sicherheitsprüfung, die vorgese-

hene Kennzeichnungsregelung sowie die weiterhin anzuwendenden Vorschriften des

österreichischen Lebensmittelgesetzes stellen einen ausreichenden Schutz der

österreichischen Bevölkerung dar.

Durch diese Vorschriften wird die Verantwortung der Hersteller und Vertreiber von

Lebensmitteln, der mit der Zulassung dieser Produkte betrauten Behörden und Prüf-

stellen sowie der amtlichen Organe der Lebensmittelkontrolle für die einwandfreie

Beschaffenheit der in Verkehr befindlichen Produkte begründet. Diese Verantwor-

tung wird somit keineswegs auf den Konsumenten abgeschoben.

Das Aussprechen eines generellen Verbots des Inverkehrbringens von Lebens-

mitteln, egal ob gentechnisch verändert oder nicht, ist allerdings weder nach dem

österreichischen Lebensmittelgesetz noch nach den einschlägigen EU-Rechtsvor-

schriften möglich. Vielmehr muß im jeweiligen Einzelfall geprüft werden, ob das

betreffende Produkt - egal ob gentechnisch oder konventionell hergestellt - gesund-

heitlich unbedenklich ist, keine Täuschung des Verbrauchers zur Folge hat und

ausreichend gekennzeichnet ist.

Durch die nunmehr vorgesehene Kennzeichnung von gentechnisch veränderten

Lebensmitteln wird der Konsument jedenfalls die Möglichkeit haben, sich für oder

gegen den Kauf eines gentechnisch veränderten Lebensmittels zu entscheiden.

Diese Wahlmöglichkeit des Konsumenten zu garantieren, scheint mir der wichtigste

Erfolg bei der Verabschiedung der Novel-Food-Verordnung gewesen zu sein.