1785/AB XX.GP

 

In Beantwortung der schriftlichen parlamentarischen Anfrage Nr.

1834/J betreffend Europäische Wirtschaftliche Interessenvereini-

gungen ( EWIV ) , welche die Abgeordneten Dipl . -Ing . Prinzhorn und

Kollegen am 22. Jänner 1997 an mich richteten und aus Gründen der

besseren (Übersichtlichkeit in Kopie beigelegt ist, stelle ich

fest:

Antwort zu Punkt 1 der Anfrage:

Zur Förderung der Nutzung der EWIV hat die Kommission der EU die

Initiative "REGIE - Europäisches Netz der EWIV,' ins Leben geru-

fen. Mit diesem Projekt sollen den Unternehmen, die ihre Tätig-

keit durch Zusammenarbeit mit anderen Partnern in der Europä-

ischen Union ausbauen wollen, praktische, direkt umsetzbare In-

formationen zur Verfügung gestellt werden.

Gleichzeitig erfolgten durch das WIFI der Wirtschaftskammer

Österreich Hinweise auf die Möglichkeit der Gründung einer EWIV

in allen zwischen 1993 und 1994 herausgegebenen branchenspezifi-

schen EU-Informationsbroschüren. 1995 lancierte das WIFI einen

Artikel über die EWIV im Industriemagazin. Weiters erfolgte die

Aufnahme einer EWIV-Beratungsaktion im EUROFIT-Beratungsangebot

des WIFI. Für 1997 ist vom WIFI zumindest eine EWIV-Veranstaltung

geplant, die gemeinsam mit dem LIBERTAS-Institut (das großes

EWIV-Know-How hat) durchgeführt werden soll. Die Veranstaltung

soll der Verbreitung des EWIV-Gedankens bei den österreichischen

Unternehmen dienen, konkrete Fragen beantworten und durch Vor-

träge von Unternehmen, die bereits in einer EWIV verankert sind,

den Unternehmern die Scheu vor der EWIV nehmen.

Weiters wird auf die Darstellung der EWIV in den Berichten des

Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten über die

Situation der kleinen und mittleren Unternehmungen der gewerb-

lichen Wirtschaft 1993 und 1995 hingewiesen.

Angesichts dieser seitens der gesetzlichen Interessenvertretung

laufend wahrgenommenen Informationsaufgaben erübrigen sich weite-

re aus Budgetmitteln zu bestreitende Kampagnen.

Antwort zu Punkt 2 der Anfrage: -

In Österreich gibt es laut Firmenbuch derzeit 2 EWIVs. Diese

geringe Zahl mag damit zusammenhängen, daß die Meinung hinsicht-

lich Zweck und Ziel dieser neuen Rechtsform eine völlig verfehlte

ist (Art. 3 Abs. 1 EG-VO) .

Im internationalen Vergleich ist zu erkennen, daß diese neue

Gestaltungsform zwar ein durchaus taugliches Instrument für spe-

zielle Fälle von gesellschaftsrechtlichen Zusammenschlüssen von

Unternehmen zwecks gemeinsamer grenzüberschreitender wirtschaft-

licher Tätigkeit ist, jedoch gerade für kleine und mittlere Un-

ternehmen wenig Bedeutung hat.

Antwort zu Punkt 3 der Anfrage:

Mit der Schaffung eines Rechtsinstrumentes in Form einer EWIV

soll die grenzüberschreitende Zusammenarbeit verschiedener Ge-

schäftspartner aus unterschiedlichen Mitgliedstaaten, die zwar

zusammenarbeiten, sich aber nicht zusammenschließen oder eine

gemeinsame Tochtergesellschaft gründen wollen, erleichtert wer-

den. Die EWIV muß als europäisches Unternehmen angesehen werden,

wobei die Merkmale einer bloßen Zusammenarbeitsvereinbarung mit

denen einer Personengesellschaft verbunden wurden.

Ein Vorteil dieser Art der Kooperation ist, daß die Partner ihre

wirtschaftliche und rechtliche Unabhängigkeit behalten, jedoch

gleichzeitig für die Zusammenarbeit Rechtsfähigkeit erlangen.

Aufgrund der Tatsache, daß EU-Verordnungen den nationalen Ge-

setzen vorgehen, schafft die Durchführung der EWIV-Verordnung

eine Reihe von Grundsatzregeln, die in allen Mitgliedstaaten

unmittelbar anwendbar sind. Mögliche Partner müssen sich nicht

mit der schwierigen Entscheidung auseinandersetzen, welches na-

tionale Rechtssystem den Hintergrund für ihre Partnerschaft abge-

ben soll, da der rechtliche Rahmen in etwa gleich bleibt, unab-

hängig davon, wo die EWIV gegründet wird. Nur für eine begrenzte

Anzahl von Punkten, wie das Unternehmensregister, bezieht sich

die Verordnung ausdrücklich auf das nationale Recht eines

Staates .

Ein weiterer Vorteil der EWIV ist die einfache Gründung. Den

Mitgliedern wird weitgehende Freiheit bei der Gestaltung ihrer

vertraglichen Beziehungen sowie der inneren Verfassung der Verei-

nigung gelassen; es muß lediglich ein schriftlicher Vertrag auf-

gesetzt und die Vereinigung bei einer Registerbehörde in dem

Mitgliedstaat eingetragen werden, in dem die Vereinigung ihren

Sitz hat. Eine notarielle Beurkundung des Vertrages ist nicht

erforderlich .

Um die EWIV umfassender einsetzen zu können, wird auf Gründungs-

kapital verzichtet. Die flexible Finanzierung ist von großer

Bedeutung für die kleinen und mittleren Unternehmen ( KMU ) , da es

kaum wahrscheinlich ist, daß ihnen viel Kapital zur Finanzierung

der Zusammenarbeit zur Verfügung steht. In der Praxis werden

Geldmittel häufig dadurch beschafft, daß die EWIV regelmäßig

Beiträge von den Mitgliedern erhalten und sich erwiesene Dienste

entgelten lassen. Es ist zum Beispiel auch möglich, durch Geld,

Naturalien oder Wissen ( Know-how ) zur Finanzierung beizutragen .

Ein weiterer Vorteil ist, daß die Mitglieder die Vereinigung

jederzeit beenden und auflösen können.

Die Gewinne sind Gewinne der einzelnen Mitglieder und fließen

nicht der EWIV zu, da diese einen Hilfscharakter im Verhältnis

zur Tätigkeit ihrer Mitglieder hat.

Antwort zu Punkt 4 der Anfrage:

 

Als Gemeinschaftsrecht geht die Verordnung den Vorschriften des

nationalen Rechts vor. Angesichts des begrenzten Regelungsumfan-

ges der EWIV-VO ist allerdings ein weitreichender subsidiärer

Rückgriff auf nationales Recht nötig. Darüberhinaus findet natio-

nales Recht in allen jenen Rechtsgebieten Anwendung, die nicht

Gegenstand der VO sind, etwa die Bereiche Arbeits- und Sozial-

recht, Wettbewerbsrecht. Somit ergibt sich hier ein Nachteil

gerade für kleine und mittlere Unternehmen, da zumindest ein

Mitglied gezwungen ist, sich einer fremden Rechtsordnung zu un-

terwerfen .

Ein Nachteil der EWIVs ist unter Umständen auch, daß die Mitglie-

der der Vereinigung gemeinsam unbeschränkt gesamtschuldnerisch

für die Verbindlichkeiten der EWIV haften . ( Diese Regelung ver-

schärft aber wiederum eine Mindestsicherheit für Dritte und trägt

der Tatsache Rechnung, daß EWIVs nicht unbedingt das erforder-

liche Kapital besitzen, für ihre Schulden aufzukommen) . Es ist

wichtig festzustellen, daß die Vereinigung für die Handlungen

eines vertretungsberechtigten Mitarbeiters unbeschränkt haftbar

ist, was selbst dann gilt, wenn diese Handlungen nicht zum

Tätigkeitsbereich der Vereinigung gehören. Die Haftungsfolgen

werden durch das Recht des Staates bestimmt, in dem die Vereini-

gung ihren Sitz hat.

Ein weiterer Nachteil ist sicherlich, daß der Tätigkeitsbereich

einer EWIV sehr eingeschränkt ist. Da die EWIV nicht den Zweck

hat, Gewinne für sich selbst zu erzielen, beschränkt sich der

Gegenstand der Tätigkeit vielmehr auf die Wahrnehmung bloßer

Hilfsaufgaben. Gegenstand der Tätigkeit einer EWIV dürfen daher

nur solche wirtschaftlichen Aktivitäten sein, die im Zusammenhang

mit der Tätigkeit ihrer Mitglieder stehen.

Antwort zu Punkt 5 der Anfrage:

In der Mitteilung der Europäischen Kommission vom 20. März 1996,

KOM(96)98 endg. , wird unterstrichen, daß die bestehende Rechts-

form für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit den KMU nicht

hinreichend bekannt sei. Die EWIV werde von den KMU noch nicht

häufig in Anspruch genommen. Außerdem fehle es noch an aus-

reichenden praktischen Informationen über die Erfahrung mit die-

sem Instrument .

Die bisherigen Erfahrungen zeigen, daß die meisten EWIV im

Dienstleistungsbereich und dabei insbesondere im Vertrieb tätig

sind. Die Tätigkeiten konzentrieren sich neben anderen auf Wirt-

schaftsprüfung und Management, Beratungsservice, den Bank- und

Versicherungsbereich sowie die Logistik und die Kommunikation.

Durch die Gründung von EWIVs werden auch Impulse für die heimi-

sche Wirtschaft gesetzt. EWIVs können dazu benutzt werden, be-

stimmte gemeinsame Aktivitäten zu entwickeln, die für das

einzelne Mitglied zu teuer wären, um auf diese Weise seine Effi-

zienz zu steigern. Hierzu gehören zum Beispiel Forschung und

Entwicklung, Teillizenzen für neue Technologien zusammenzufassen

und gemeinsam zu nutzen, ein Marketing aufzubauen, Einkaufs- oder

Verkaufsorganisationen, gemeinschaftliche Produktion, die Vertre-

tung gemeinsamer Interessen bzw. die Ausbildung von Personal.

Eine EWIV wäre somit der verlängerte Arm des Vorgehens ihrer

Mitglieder auf wirtschaftlichem Gebiet.

Antwort zu Punkt 6 der Anfrage:

Mit verschiedenen europäischen Sektororganisationen ( European

Cement Association in Belgien, European Lime Association in

Deutschland etc. ) erfolgt derzeit im wesentlichen ein Infor-

mationsaustausch auf breiter Basis. Allfällige Kooperationen

können daraus resultieren.

Antwort zu Punkt 7 der Anfrage:

Den österreichischen Unternehmen stehen zahlreiche und flexible

nationale Gesellschaftsformen zur wirtschaftlichen Kooperation

zur Verfügung. Das Bedürfnis der Wirtschaftspraxis wird zeigen,

welche Bedeutung die neue Gesellschaftsform internationaler Zu-

sammenarbeit mittelfristig gewinnen wird.