179/AB

 

 

An den

Herrn Präsidenten des Nationalrates

 

Parlament

1017 Wien

 

An den  

Die Abgeordneten zum Nationalrat Mag.  Brigitte Ederer und Genossen haben am 19.  März 1996 unter No. 323/J an mich eine schriftliche Anfrage betreffend das Demokratieverständnis des kroatischen Präsidenten Franjo Tudjman gerichtet, welche folgenden Wortlaut hat:

111.        Wie sehen Sie als Außenminister den Vorwurf an die europäische Politik, "einen Politiker (wie Franjo Tudjman) mit solchem Demokratieverständnis zu stützen und zu hätscheln"?

2.         Sind Sie der Auffassung, daß Ihr Amtsvorgänger sich von diesem Vorwurf betroffen fühlen sollte?

3.       Sind Sie der Auffassung, daß die intensive Unterstützung der kroatischen Regierung, die diese durch das österreichische Außenministerium erfährt, angesichts des Demokratieverständnisses der kroatischen Führung gerechtfertigt ist?

4          Sie haben bei Ihrem Besuch denkenswerterweise auch Kontakte mit der kroatischen Opposition gepflogen.  Welche Einschätzung in bezug auf das Demokratieverständnis des Franjo Tudjman hat Ihnen die kroatische Opposition vorgebracht?

5.         Sind Sie der Auffassung, --;aß sich die Situation der Demokratie und der Menschenrechte in Kroatien seit Ihrem Besuch (und seit Ihrem Eintreten für diese Werte bei diesem Besuch) gebessert c--;er verschlechtert hat?

6.       Wie beurteilen Sie in diesem Zusammenhang das in der Einleitung gebrachte Zitat --;-des kroatischen Präsidenten Franjo Tudjman aus "Die Zeit

7.       Wie ist im Lichte dieses Zitates des kroatischen Präsidenten Franjo Tudjman --Ihre Aussage zu beurteilen, da Sie "als Freund" kommen?"

 

 

Ich beehre mich, diese Anfrage wie folgt zu beantworten:

 

ad l'@

 

Als Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten der Republik Österreich kann ich nicht für die nicht näher definierte europäische Politik" sprechen.  Ebensowenig ist es meine Aufgabe, in den Medien erschienene Artikel über fremde Staatsoberhäupter zu kommentieren.

 

Für die österreichische Außenpolitik ist jedenfalls festzuhalten, daß sie Präsident --Tudjman weder "stützt" noch "hätschelt".  Die Republik Osterreich unterhält zur Republik Kroatien freundschaftliche Beziehungen. Es liegt meines Erachtens, nicht zuletzt auf Grund der geographischen Nähe und der historischen Bande, im Interesse unseres Landes, diese Beziehungen in allen Bereichen zu fördern und zu intensivieren.

 

 

 

Selbstverständlich ergibt sich aus diesem freundschaftlichen Verhältnis auch die Berechtigung und Verpflichtung für Österreich, Kroatien auf Mängel, Mißstände und unzureichende Fortschritte im Bereich der Demokratisierung, der Menschenrechte, des Minderheitenschutzes u.ä. hinzuweisen.  Dies habe ich bei verschiedenen Gelegenheiten und zuletzt auch anläßlich meines Besuches in Agram am 22.  Februar 1996 gegenüber Präsident Tudjman, Premierminister Matesa und Außenminister Granic getan.  Der Herr Bundeskanzler hat in seiner Ansprache vom 19.  März 1996 ebenfalls auf die Notwendigkeit zur Berücksichtigung der gegenwärtigen Schwierigkeiten bei der Beurteilung Kroatiens hingewiesen und seine Überzeugung geäußert, daß Kroatien die feste Absicht hat, den Weg nach Europa zu gehen und Teil Westeuropas zu sein.

Ich habe in meinen Gesprächen in Agram den Eindruck gewonnen, daß kroatischerseits die enge Verknüpfung der angestrebten Annäherung an die europäische Integration mit Fragen der Demokratiepolitik und der Menschen- und Minderheitenrechte verstanden wird, und daß sich Kroatien im eine Verbesserung der Situation bemüht.  Ich habe jedoch gleichfalls den Eindruck, daß es trotz stattgefundener Verbesserungen nach wie vor Mängel gibt, die beseitigt werden sollten.  Die österreichische Außenpolitik wird daher in intensivem Kontakt mit Kroatien verbleiben, auch um permanent auf eine positive Entwicklung der Verhältnisse hinzuwirken.  Selbstverständlich erwartet Österreich die strikte Beachtung demokratischer Prinzipien sowie der Menschen- und Minderheitenrechte auch von den anderen Nachfolgestaaten des ehemaligen Jugoslawien, Insbesondere von den verschiedenen Stellen und Behörden in Bosnien-Herzegowina und von der Bundesrepublik Jugoslawien,wo nach wie vor Anlaß" zu großer diesbezüglicher Besorgnis besteht.

ad 2 i,_

Nein.

ad 6)

 

 

ad 3)

 

Ja. Im übrigen verweise ich auf meine Ausführungen zu Punkt 1.

 

ad 4)

Ich habe anläßlich meines Besuchs in Agram am 22.  Februar 1996 Gespräche mit folgenden Vertretern der kroatischen oppositionsparteien geführt: Dr. Ivo Skrabalo, HSLS; Dipl.-Ing. Zdravko Tomsic, Sabor SS; und Prof.  Dr. Zdravko Tomac, SDP.  Die wesentliche und Übereinstimmende Aussage meiner

Gesprächspartner war, daß ein dauerhafter Frieden in der Region ohne umfassende Verwirklichung der Demokratie in allen Staaten des ehemaligen Jugoslawien nicht möglich sei.  Die Oppositionsvertreter beklagten die dominante Stellung der Regierungspartei _HDZ in allen Bereichen des Politischen Lebens und kritisierten insbesondere die Lage der Medien in ihrem Land.  Sie betonten, daß ohne entsprechenden Zugang der Opposition zum Fernsehen und zu den Printmedien eine wirksame politische Artikulation nicht möglich sei.  Zur Verbesserung der Situation werde auch internationales Einwirken auf die kroatische Regierung erwartet.  Einen weiteren Gesprächspunkt bildete die blockierte Bestellung des Bürgermeisters von Agram, die nach damaliger Einschätzung meiner Gesprächspartner zu Neuwahlen führen würde.

In meinen Arbeitsgesprächen mit der kroatischen Regierung und insbesondere mit Präsident Tudjman habe ich betont, daß Kroatien - gerade weil es eine Annäherung an nie EU anstrebt ­akzeptieren muß, an den gleichen Maßstäben der Demokratie und der Menschenrechte gemessen zu werden wie die anderen Teilnehmer am europäischen Integrationsprozeß.

ad 5)

 

Ich habe den Eindruck, daß sich die überwiegende Mehrzahl der kroatischen Politiker bestehender Unvollkommenheiten im Bereich der Demokratie, der Menschenrechte und des Minderheitenschutzes bewußt und ernsthaft um eine Verbesserung der Situation bemüht ist.

 

 

Die Kommentierung von Zeitungsartikeln ist kein Bestandteil der Vollziehung des Bundes.

 

ad 7)

 

In der "Zeit im Bild 211 am 21.  Februar 1996 hat mir Herr

 

Hochner nach Einspielung eines Beitrages Über Kroatien folgende

Frage gestellt:

Die SPÖ hat Ihnen heute sozusagen nahegelegt, bei Ihrem Besuch in Kroatien den Kroaten und Präsident Tudjman ein bißchen Nachhilfeunterricht in Sachen Demokratie zu geben.  Wenn man den Beitrag (gemeint: der eingespielte Beitrag Über Kroatien) gesehen hat, dann ist das wahrscheinlich notwendig.  Werden Sie das tun?"

Darauf habe ich Herrn Hochner geantwortet: " Ich komme sicher nicht als Oberlehrer, um Nachhilfeunterricht zu geben, sondern ich komme als Freund, aber mit einer klaren Zielsetzung: daß wir Wert darauf legen, daß die europäischen Standards - und ich komme ja auch als EU-Mitglied dorthin - also daß die europäischen Standards für Minderheitenschutz, für Menschenrechte, für pluralistische Demokratie gewahrt bleiben.  Daher ist es wichtig, daß die Rückkehrmöglichkeit von serbischen Flüchtlingen in die Gegenden, wo sie früher gewohnt haben, in die Krajina, nach Westslawonien, gewahrt bleiben.  Es ist aber auch wichtig, daß Kroatien das Seine dazu beiträgt, daß die bosnische Föderation am Leben bleibt und mit Leben erfüllt werden kann.  Aber ich komme als Freund."

 

Ich darf annehmen, daß dieses vollständige Zitat - und nacht aus dem Zusammenhang gerissene Einzelteile - hinreichend klar verständlich sind.  Im übrigen verweise ich auf die Ausführungen zu Frage 1.

 

Der Bundesminister: