1791/AB XX.GP

 

Die Abgeordneten zum Nationalrat Mag. Stadler und Kollegen haben am

14. Jänner 1997 unter der Nr. 1807/J an mich eine schriftliche parlamentarische

Anfrage betreffend Umsetzung von EU-Normen gerichtet, die folgenden Wort-

laut hat:

"1 . Wie ist der Stand der Umsetzung des EU-Gemeinschaftsrechtes in Öster-

reich zum 1. Jänner 1996?

2. Wie ist dieser Umsetzungsstand im Vergleich mit den anderen Mitglied-

staaten zu bewerten?

3. Welche Normen des EU-Gemeinschaftsrechts wurden bisher noch nicht in

innerstaatliches Recht umgesetzt?

4. Welche Hindernisse standen der Umsetzung dieser Normen bisher ent-

gegen, wer ist dafür verantwortlich und wann ist mit der Umsetzung zu

rechnen?

5. Haben Sie sich persönlich für eine raschere innerstaatliche Umsetzung

des Gemeinschaftsrechts eingesetzt?

Wenn ja, inwiefern?

Wenn nein, warum nicht?

6. Wie viele Vertragsverletzungsverfahren wurden bisher bei den EU-Orga-

nen gegen Österreich (Bund und Länder) anhängig gemacht und wie

wurden diese Verfahren begründet?

7. Wie viele dieser Verfahren wurden bereits entschieden und wie lautete

jeweils die Entscheidung?

8. In wie vielen Fällen und in welcher Höhe wurden bereits Schadenersatz-

ansprüche gegen die Republik Österreich (Bund und Länder) geltend

gemacht und welche Maßnahmen werden Sie konkret ergreifen, um für

die Zukunft auszuschließen, daß die Republik Österreich zu Schaden-

ersatz herangezogen werden kann?"

Diese Anfrage beantworte ich wie folgt:

Zu Frage 1:

Der Stand der Umsetzung des EU-Gemeinschaftsrechts des gesamten Acquis

in Österreich betrug per 1. Jänner 1996 - wie bereits in der Anfrage ausgeführt

- laut dem von der Europäischen Kommission im Juli 1 996 veröffentlichten

"Dreizehnten Jahresbericht über die Kontrolle der Anwendung des Gemein-

schaftsrechts 1995" (Komm(96) 600 end. vom 29. Mai 1996) 84,2 %.

Zu Frage 2:

Die nachstehende Tabelle gibt einen Überblick über den Stand der Durch-

führung aller zum 31. Dezember 1995 geltenden Richtlinien sämtlicher Mit-

gliedstaaten:

Mitgliedstaaten:                  Umsetzung der Richtlinien (in % )

Belgien                                  89,5

Dänemark                             97,9

Deutschland                        92,9

Griechenland                        89,8

Spanien                                 93,1

Frankreich                            92,7

Irland                                     92,8

Italien                                    88,7

Luxemburg                           94,2

Niederlande                          97,2

Österreich                             84,2

Portugal                                90

Finnland                               70,5

Schweden                             93

Vereinigtes Königreich      95

Zu Frage 3:

Die Normen des EU-Gemeinschaftsrechtes, die bisher noch nicht in inner-

staatliches Recht umgesetzt wurden, ersuche ich, der beiliegenden Liste zu

entnehmen.

Zu den Fragen 4 und 5:

Durch den Beitritt Österreichs zur Europäischen Union wurde ein Rechtssystem

übernommen, das primärrechtlich die Verpflichtung für Mitgliedstaaten vorsieht,

Richtlinien in das innerstaatliche Recht in geeigneter Weise umzusetzen. So-

ferne eine Richtlinie Rechte und Pflichten Einzelner begründet, müssen diese

durch zwingende Vorschriften so umgesetzt werden, daß die Betroffenen

Kenntnis davon erlangen und ihre Rechte auch vor nationalen Gerichten

geltend machen können (vergleiche etwa Europäischer Gerichtshof 58/89 Slg.

1991 , Europäischer Gerichtshof 131/88 Slg. 1991).

Die bisherige österreichische Umsetzungsquote ist unter anderem darauf

zurückzuführen, daß das strenge Legalitätsprinzip des Österreichischen Ver-

fassungsrechtes (Art. 18 B-VG) die Umsetzung der EG-Richtlinien auf Bundes-

und auch auf Länderebene fast durchgehend auf dem Gesetzeswege erfor-

derlich macht. Darüber hinaus hat Österreich als neuer Mitgliedstaat der
Europäischen Union diesbezüglich ein besonders hohes Arbeitspensum zu

erfüllen. Schließlich sind Richtlinien aufgrund des bundesstaatlichen Prinzips in

Materien, die in die Gesetzgebungszuständigkeit der Bundesländer fallen, von

den Landesgesetzgebern umzusetzen. Dies führt dazu, daß die Nichtum-

setzung einer Richtlinie auch durch nur ein Bundesland als Nichtumsetzung

dieser Linie für die Republik Österreich gewertet wird. Die Frage der Um-

setzung von EU-Richtlinien ist also keine Frage des Ermessens, sondern eine

Verpflichtung Österreichs, die sich aus der EU-Mitgliedschaft Österreichs

ergibt.

Die Zuständigkeit für die Vorbereitung der Umsetzung einer Richtlinie in

nationales Recht kommt auf der Bundesebene dem jeweils federführend

zuständigen Bundesministerium zu.

Die Frage der Umsetzung von EU-Richtlinien wurde auch in einem

gemeinsamen Rundschreiben des Bundeskanzleramtes und des Bundesmini-

steriums für auswärtige Angelegenheiten betreffend die rechtlichen und organi-

satorischen Fragen der EU-Mitgliedschaft vom 19. Jänner 1996 dargestellt.

Weiters hat der damalige Europa-Staatssekretär Mag. SCHLÖGL mit Schrei-

ben von Ende November 1996 allen Landeshauptleuten den jeweiligen Be-

stand an Richtlinien, deren innerstaatliche Umsetzung in die Zuständigkeit der

Landesgesetzgeber fällt und noch nicht erfolgt ist, mitgeteilt.

Zu Frage 6:

Vorweg ist festzuhalten, daß es sich bei den Vertragsverletzungsverfahren

gemäß Art. 169 EG-Vertrag (EG-V) um Routineverfahren handelt, die der

Feststellung dienen, ob ein Mitgliedstaat gegen Verpflichtungen, die ihm das

Gemeinschaftsrecht auferlegt, allenfalls verstoßen hat. Die Verfahren bestehen

aus verschiedenen Phasen: nach informellen Vorverfahren, die noch keine

Phase des Vertragsverletzungsverfahrens gemäß Art. 169 EG-V darstellen,

wird ein Vorverfahren selbst, das mit einem Mahnschreiben beginnt, durchge-

führt. Dies kann in der Folge zu einer mit Gründen versehenen Stellungnahme

führen, das Verfahren kann allerdings in jeder Phase beendet werden. Erst

wenn ein Mitgliedstaat der Stellungnahme, nachdem ihm Gelegenheit zur

Äußerung gegeben wurde, innerhalb der von der Kommission gesetzten Frist

nicht nachkommt, kann gegen ihn seitens der Kommission Klage gemäß

Art. 1 69 Abs. 2 EG-V beim Europäischen Gerichtshof erhoben werden.

ln diesem Sinne sind folgende Verfahren derzeit anhängig:

Klage vor dem Europäischen Gerichtshof:

-              Vergabe eines öffentlichen Bauauftrages in St. Pölten, Vergabegesetz

                des Landes Niederösterreich (Europäischer Gerichtshof Verfahren C-

                328/96; Abl.Nr. C-354 vom 23. November 1996, S 21)

Begründete Stellungnahme der EG-Kommission:

-              Umsetzung der Richtlinie über die Geldwäsche

-              Österreichisches Tabakmonopol, mangelnde Umformung

-              fehlende Umsetzungsmitteilung bei der Richtlinie über Grenzwerte und

                Leitwerte der Luftqualität für Schwefeldioxid und Schwefelstaub

-              fehlende Umsetzungsmitteilung bei der Richtlinie betreffend einen

                Grenzwert für den Bleigehalt in der Luft

-              fehlende Umsetzungsmitteilung bei der Richtlinie über

                Luftqualitätsnormen für Stickstoffdioxid

-              fehlende Umsetzungsmitteilung bei der Richtlinie über die

                Geräuschemission von Haushaltsgeräten

-              fehlende Umsetzungsmitteilung bei der Richtlinie über die Kontrolle des

                Erwerbes und des Besitzes von Waffen

-              fehlende Umsetzungsmitteilung bei der Richtlinie zum Schutz der

                Gewässer vor Verunreinigung durch Nitrat aus landwirtschaftlichen

                Quellen

-              fehlende Umsetzungsmitteilung der Richtlinie zur Überwachung und

                Kontrolle der Verbindung radioaktiver Abfälle

-              fehlende Umsetzungsmitteilung bei der Richtlinie über die Rückgabe von

                unrechtmäßig verbrachten Kulturgütern

-              fehlende Umsetzungsmitteilung bei der Kommunalwahlrichtlinie

-              fehlende Umsetzungsmitteilung bei der Richtlinie zur Einführung weiterer

                Vereinfachungsmaßnahmen im Bereich der Mehrwertsteuer

-              mangelhafte Anwendung der Richtlinien über Normen und technische

                Vorschriften bei PKW-Bestandteilen

-              Mautgebühren für die Benutzung der Brennerautobahn

-              Mehrwertsteuersatz für Gartenbauerzeugnisse

                Mahnschreiben der EG-Kommission:

-              Mehrwertsteuer, reduzierte Steuersätze bei landwirtschaftlichen

                Produkten

-              Entsendung von drittstaatsangehörigen Arbeitnehmern von EU-

                Unternehmen nach Österreich

-              Regelungen über den Grunderwerb durch Ausländer in Tirol

-              Pflanzenschutzmittel-Parallelimporte

-              Verweigerung des Aufenthaltsrechts

-              Lösungsmittelverordnung 1995

-              Nichtnotifizierung von Umsetzungsmaßnahmen bei 126 Richtlinien

-              Nichtnotifizierung von Umsetzungsmaßnahmen bei 24 Richtlinien

-              Liste der Schutzgebiete nach der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie

-              Nichterstellung von Programmen und Fehlen von Berichten und

                Monitoring bei der Nitratrichtlinie

-              Verweis des Wiener Landesvergabegesetzes auf gewerberechtliche

                Bestimmungen

-              Umweltrichtlinien; Trassierung der B 146 Ennstal Straße

-              Genehmigungen für den Grunderwerb in Wien

-              örtliche Bauaufsicht des "Automatischen Ökopunktesystems',

-              Nichtnotifizierung der Entwürfe von zwei Verordnungen nach dem

                Arzneimittelgesetz

-              Nichtnotifizierung des Entwurfes der Verordnung, mit der die

                Funkanlagen- und Endgeräte-Verordnung geändert wird

-              Nichtnotifizierung des Entwurfes von fünf Eichanweisungen

-              Verordnung der Salzburger Landesregierung/Bauprodukte

-              Verordnung der Salzburger Landesregierung/Bezeichnung von Ö-Normen

-              vertikale Leiteinrichtungen und Leitpflöcke aus Kunststoff

-              Betonleitwände

-              41. Novelle zur Kraftfahrgesetz-Durchführungsverordnung

-              Straßenverkehrszeichenverordnung 1995

Abschließend wird nochmals darauf hingewiesen, daß diese Auflistung den

Stand Februar 1997 wiedergibt; die anhängigen Verfahren können sich, wie die

Darstellung der Rechtslage wohl deutlich macht, stündlich ändern.

Zu Frage 7::

Zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist erst ein Verfahren (St. Pölten) vor dem

Europäischen Gerichtshof anhängig gemacht worden, das Urteil ist noch

ausständig. Die einzigen "formellen', Entscheidungen bestanden bisher in

Kommissionsbeschlüssen, mit denen laufende Vertragsverfahren gegen die

Republik Österreich eingestellt wurden.

Zu Frage 8:

Bisher wurden von der Kommission gemäß Art. 1 71 EG-V beim Europäischen

Gerichtshof noch keine Zahlungen Österreichs wegen Nichtbefolgung einer

Europäischen Gerichtshof-Entscheidung verlangt, zumal eine Verurteilung der

Republik Österreich durch den Europäischen Gerichtshof bisher nicht erfolgt ist.

 

BEILAGE NICHT GESCANNT!!!