181/AB

 

 

Herrn

 

Präsidenten des Nationalrates

Dr. Heinz FISCHER

 

Parlament

1017   W i e n

 

 

 

In Beantwortung der schriftlichen parlamentarischen Anfrage Nr. 196/J betreffend Benzinpreise in Österreich, welche die Abgeord­neten Helmut Dietachmayr und Genossen am 28.  Februar 1996 an mich richteten und aus Gründen der besseren Übersichtlichkeit in Kopie beigelegt ist, stelle ich fest:

Bis Ende 1995 wurden im Rahmen des wöchentlichen EU-Meldesystems für Treibstoffpreise seitens Österreich die laut Branchenüberein­kommen möglichen Höchstpreise für Bedienungstankstellen gemeldet.  Um die Vergleichbarkeit der österreichischen Treibstoffpreise mit denen anderer Staaten einigermaßen zu gewährleisten, wurde dieses Meldesystem ab Anfang 1996 insoferne neu gestaltet, als ab diesem Zeitpunkt die erhobenen Durchschnittspumpenpreise an österreichi­schen Tankstellen gemeldet werden.

Gemäß Öl-Bulletin Nr. 809 vom 28.  Februar 1996 stellt sich ein Preisvergleich zwischen Österreich und Deutschland (Nettopreise

   ohne Steuern) wie folgt dar:

EUROSUPER                                                                  DIESEL

                                                                                               $/M 3                                                             $/M 3

Österreich                                                                            339,21                           327,80

Deutschland                                                                         265,89                           285,97

Differenz:                                                                              73,32                            41,83

Differenz in ÖS                                                                    755,43                           428,13

(gem. Kurs vom 28.2.:10,235)

 

Da der deutsche Durchschnittspreis sehr stark beeinflußt ist durch die besonders niedrigen Pumpenabgabepreise in den dichtbesiedelten Bundesländern Nordhein-Westfalen, Baden-Württen­berg und Rheinland-Pfalz und durch die besonders günstigen Treibstoffimportkosten auf der Rheinschiene ex Rotterdam, die aber einem Binnenland wie Österreich nicht zur Verfügung stehen, scheint daher ein Preisvergleich mit Gesamt-Deutschland nicht zielführend.

Auch die Topographie und die damit verbundenen Distributions­kosten sprechen dagegen.  Forderungen auf Preissenkung aus diesem Vergleich würden die Ertragskraft der Branche übersteigen.

Mehr Aufschluß, aufgrund ähnlicher Rahmenbedingungen, gibt" ein Preisvergleich zwischen Österreich und Bayern in Form von Netto­preisen, wobei zur Feststellung des bayrischen Preisniveaus die Pumpenpreise der Städte München, Augsburg, Nürnberg und Regens­burg per 11.  März 1996 herangezogen wurden.

                                                                     EUROSUPER 95                                 DIESEL

                                                                                   ÖS/Liter                                ÖS/Liter

 

Bayern                                                                              3,20                                       3,35

 

Österreich                                                                         3,45                                       3,50

 

Differenz:                                                                        - 0,24                                    - 0,15

 

Ihre Angabe für Super Plus 98 - es handelt sich dabei um unver­bleites Superbenzin - konnten nicht nachvollzogen werden, da die Angaben im Öl-Bulletin für verbleites Superbenzin gelten und daher die Basis Ihrer Berechnungen nicht bekannt ist.  In konse­quenter Wahrung der internationalen Vorreiterrolle, was umweltrelevante Qualitätsstandards von Erdölprodukten betrifft, wurde in Österreich per 1. November 1993 auf gesetzlicher Grundlage ein generelles Bleiverbot für Fahrbenzine erlassen.

Nettopreisdifferenzen bis zu ÖS 1,40 je Liter könnten daher ­mangels vergleichbarer Parameter - nicht festgestellt werden.

Ihre Behauptung, daß die Treibstoffpreise ab Raffinerie zwischen Österreich und Deutschland nicht wesentlich differieren, kann ebenfalls nicht nachvollzogen werden.  Im Zuge einer Erhebung unter österreichischen Importeuren wurde festgestellt, daß die Preise ab Raffinerie für Vergaserkraftstoffe in Schwechat um bis 30 g/1 höher sind als jene der deutschen Raffinerien.  Die Preise für Dieselkraftstoff ab Raffinerie bewegen sich in Österreich und im süddeutschen Raum auf ähnlichem Niveau.  Dabei ist festzuhal­ten, daß bekanntermaßen westeuropäische Raffinerien erhebliche Verluste einfahren.  Diese Entwicklung wird in Schwechat durch Logistikvorteile vergleichsweise gemildert.

Eine zwingende Reduzierung der Tankstellenanzahl läßt sich aus einem Vergleich mit Deutschland nicht ableiten, da die Unter-

schiede in der Topographie und Bevölkerungsdichte zu berück­sichtigen sind:

 

                                                                                            Deutschland              Österreich       Differ.

 

 

 

 

                                                               2

               Bevölkerungsdichte                                 Einwohner/km                                                                                                       225                                                          96        134%

 

 

 

 

 

               PKW-Dichte                                          PKW/1000 Einwohner                                                                                            483                                                       426          +13%

 

 

 

 

 

               Netzdichte                                              PKW/Tankstelle                                                                                                     2.o63                                                       989          +109%

 

 

 

Durchschnittsabsatz Mio Liter/Tankstelle                      2.710                     1.351         + 101 %

 

Von einer Tankstellenschließungsaktion in Österreich wären vor allem kleine, nicht im direkten Einflußbereich der Ölgesellschaf­ten stehende Tankstellen im ländlichen Raum betroffen.  Bei Schließung dieser kleinen Anlagen besteht die Gefahr, daß vielen Kleingewerbetreibenden die Existenzgrundlage entzogen würde.  Die höhere Partnerspanne in Österreich, verglichen mit jener in Deutschland, ist aber auch teilweise durch die herrschende Ge­werbeordnung bedingt, die zum Beispiel einen Zigarettenverkauf an Tankstellen nur eingeschränkt ermöglicht und andere Nebenge­schäftsrechte, aufgrund der gesetzlichen Ladenschlußzeiten, sehr eng faßt.  Die höhere Partnerspanne ist daher für viele Betriebe überlebensnotwendig.

 

Antwort zu Punkt 1 der Anfrage.,

 

Die Kalkulationsregel des Branchenübereinkommens stellt eine Orientierungshilfe und Plafondierung für die Treibstoffpreisge­staltung dar, und wird von der Industrie auch so gehandhabt.  Das österreichische Preisniveau bewegt sich erheblich unter den mög­lichen Höchstpreisen, und der Preiskampf läßt sich an den sehr unterschiedlichen Pumpenpreisen für die einzelnen Produkte

 

ablesen.  So bestehen beispielsweise, verteilt auf das gesamte Bundesgebiet, bei Fahrbenzinen punktuelle Preisdifferenzen von 20 bis 50 g/1 und solche bei Dieselkraftstoff von 40 bis 70 g/l.

 

Man kann daher davon ausgehen, daß die Wettbewerbsverhältnisse in diesem Segment ähnlich wie in anderen Ländern zu beurteilen sind.  Eine Aufhebung der Kalkulationsregel könnte daher einen Nachteil für den Konsumenten bedeuten, da eine Limitierung der Pumpen­preise nach oben aufgehoben würde.

 

Antwort zu den Punkten 2 und 3 der Anfrage:

 

Hinsichtlich fiskalpolitischer Überlegungen verweise ich auf die Zuständigkeit des Bundesministers für Finanzen.

 

Antwort zu Punkt 4 der Anfrage.,

 

Der bestehende Wettbewerb der Mineralölfirmen untereinander wird durch die sehr unterschiedlichen Preise an den Tankstellen bestätigt.  Ausufernde Preise nach oben werden durch das Branchenübereinkommen limitiert.  Somit sind in Österreich meiner Auffassung nach in ausreichendem Maße jene Rahmenbedingungen gegeben, die einer deregulierten freien Marktwirtschaft mit internationaler Verflechtung entsprechen und daher auch keine Befassung der "EU­Wettbewerbsbehörde" erfordern bzw. rechtfertigen würden.

 

Unbeschadet dieses Sachverhaltes verweise ich auf die Be­stimmungen des EG-Vertrages, wonach der Europäischen Kommission die Überprüfung und Kontrolle von wettbewerbsrechtlichen Vor­schriften obliegt, welche sie auf Antrag eines Mitgliedsstaates oder von,Amts wegen aufnehmen kann.