1831/AB XX.GP
Die Abgeordneten zum Nationalrat Mag. Doris Kammerlander und
Genossen haben am 29.1.1997 unter der Nr. 1900/J an mich eine
schriftliche Anfrage betreffend Menschenrechtsverletzungen in
Nigeria gerichtet, welche den folgenden Wortlaut hat:
"1. Welche Menge Erdöl wird derzeit von Nigeria nach Österreich
importiert ?
2 . Ist bekannt, welcher Anteil dieser Menge aus Förderungen auf
dem Ogoni-Gebiet durch die Fa. Shell bzw. durch andere Öl-
firmen stammt?
3 . Gibt es eine laufende Mitwirkung österreichischer öffent-
licher Einrichtungen (z.B. der Außenhandelsstelle der Bun-
deswirtschaftskammer) an der Aufrechterhaltung der Ölimporte
aus Nigeria und dient deren Infrastruktur dazu, Gegenge-
schäfte zustande kommen zu lassen?
4. Werden öffentliche Mittel bereitgestellt, um öster-
reichischen Firmen eine Beteiligung am Anlagenbau in
nigerianischen Ölfördergebieten zu ermöglichen oder zu er-
leichtern?
5. Wird bei der Mitwirkung österreichischer öffentlicher Ein-
richtungen am Zustandekommen wirtschaftlicher Kontakte und
Aktivitäten in Nigeria die Menschenrechtssituation und die
Umweltsituation im Ogoni-Gebiet in Betracht gezogen?
6. Beobachtet die für Nigeria zuständige Vertretungsbehörde
Österreichs die Menschenrechtssituation im Ogoni-Erdölför-
derungsgebiet und insbesondere die Situation der gegen die
Zerstörung des Ogonilandes Widerstand leistenden Angehörigen
der Organisation MOSOP?
7. Hat die für Nigeria zuständige Vertretungsbehörde Öster-
reichs gegenüber der nigerianischen Regierung Interventionen
im Interesse der nach wie vor in nigerianischen Gefängnissen
festgehaltenen Aktivisten der Organisation MOSOP durchge-
führt, und, im Falle, daß derartige Interventionen durchge-
führt wurden, welcher Art waren diese Interventionen? "
Ich beehre mich, diese Anfrage wie folgt zu beantworten:
', Zu 1 : "
1995 wurde nigerianisches Erdöl im Wert von öS 3 .95 Mrd. nach
Österreich importiert. Angaben für 1996 liegen gemäß Mitteilung
der Wirtschaftskammer Österreich derzeit noch nicht vor.
" Zu 2 : "
Gemäss Mitteilung der österreichischen Außenhandelsstelle in
Lagos wurde die Erdölförderung im Ogoni-Gebiet 1993 einge-
stellt. Die österreichischen Erdöl-Importe aus Nigeria enthal-
ten dieser Mitteilung zufolge keinen Anteil von Erdöl aus dem
Ogoni - Gebiet .
" Zu 3 : "
Gemäss Mitteilung der Wirtschaftskammer
Österreich: Nein.
" Zu 4 : "
Nein. Teils aufgrund des geringen Interesses österreichischer
Firmen am Bau von Anlagen für die Erdölindustrie in Nigeria,
teils wegen nationaler Präferenzen, welche sich aus den
Beteiligungen großer Unternehmen aus den USA, Großbritannien,
Frankreich, Niederlande, Italien etc. an der nigerianischen
Ölförderung ergeben, ist der österreichische Anteil am Bau von
Erdölanlagen in Nigeria verschwindend gering und beschränkt
sich im wesentlichen auf engineering-Leistungen eines
Unternehmens .
" Zu 5 : "
Österreich verfolgt die Entwicklung in der Bundesrepublik
Nigeria mit grosser Aufmerksamkeit und Sorge. Österreich ist
sowohl im Rahmen bilateraler Demarchen als auch im Zusammen-
wirken mit seinen europäischen Partnern mehrmals bei den
nigerianischen Behörden vorstellig geworden. Die öster-
reichische Botschaft in Lagos hat sich in Rahmen der Treffen zu
Menschenrechtsfragen stets für ein verstärktes Engagement der
EU, insbesondere hinsichtlich der Ogoni und für den Schrift-
steller Ken-Saro-Wiwa, eingesetzt .
Beim Zustandekommen wirtschaftlicher Kontakte und Aktivitäten
in Nigeria unter Mitwirkung österreichischer öffentlicher Ein-
richtungen wird daher die Menschenrechtssituation im Ogoni-
Gebiet in Betracht gezogen. In diesem Zusammenhang wird auch
auf die EU-Sanktionen gegenüber Nigeria hingewiesen, die im
Juni und Dezember letzten Jahres für jeweils 6 Monate verlän-
gert wurden und die seitens Österreich implementiert werden.
Die Maßnahmen der EU vom November und Dezember 1995 haben die
wirtschaftlichen Kontakte Österreichs mit Nigeria, insbesondere
durch die weitreichenden Visa-Restriktionen für Angehörige des
Militärregimes und deren Familien, nachhaltig beeinflußt. Die
jüngste Fortschreibung der Sanktionen vom November/Dezember
1996 hatte u.a. zur Folge, dass die EU-Missionschefs zum Stell-
vertreter des Staatschefs nach Abuja zitiert wurden, der die
Maßnahmen der EU einer harschen Kritik unterwarf . Im Dezember
1996 teilte das Militärregime mit, an EU-Mitglieder keine
größeren Aufträge mehr
vergeben zu wollen.
" Zu 6 : "
Die österreichische Botschaft in Lagos hat den Auftrag -
wiederum im Kontext der Zusammenarbeit mit den EU-Missionschefs
vor Ort - u.a. die Menschenrechtssituation im Ogoni-Gebiet und
die Situation der Angehörigen der Organisation MOSOP genau zu
beobachten. Derzeit scheint nicht entschieden, ob die
"Ogoni- 19 " einem gewöhnlichen Gericht oder einem Sondergericht
vorgeführt werden. In jedem Fall jedoch wird das Verfahren von
Zivilrichtern durchgeführt werden, da seit März 1996 jede Be-
teiligung von Militärs an der Gerichtsbarkeit abgeschafft ist.
Außerdem wird es die Möglichkeit der Berufung geben.
Von den ursprünglichen "Ogoni- 19 " leben - gemäss Nachfor-
schungen der österreichischen Botschaft in Lagos - zwei angeb-
lich nicht mehr, vier sind freigelassen worden. Abgesehen von
der Hinschleppung des Prozesses gegen diese Personen, gibt es
in jüngster Zeit Berichte über Schikanen, Einschüchterungen
bzw. willkürliche Verhaftungen anderer Ogonis , so z . B . des Bru-
ders von MOSOP-Präsidenten Legum Mite, der sich in der Zwi-
schenzeit jedoch wieder auf freiem Fuss befindet.
Im Rahmen der 51 . Generalversammlung der Vereinten Nationen
brachte die EU eine Resolution zur Lage der Menschenrechte in
Nigeria ein, an deren Ausarbeitung sich Österreich aktiv be-
teiligte . Die Resolution wurde aufgrund unüberwindbarer Auf-
fassungsunterschiede in der Beurteilung des Ausmasses der in
Nigeria existierenden Defizite im Menschenrechtsbereich zur Ab-
stimmung gebracht, wobei die Generalversammlung die Menschen-
rechtsverletzungen in Nigeria mit grosser Mehrheit verurteilte.
Auch im Rahmen der vom 18. März bis 26. April 1997 in Genf
stattfindenden 53 . Tagung der UN-Menschenrechtskommission wird
sich Österreich für eine kritische Bewertung der im abgelau-
fenen Jahr seitens der nigerianischen Regierung gesetzten bzw.
unterlassenen Massnahmen einsetzen, für die Einhaltung der von
Nigeria ratifizierten internationalen Menschenrechtsinstrumente
plädieren und insbesondere die Einhaltung der Rechte ethnischer
Minderheiten einfordern .
" Zu 7 : "
In der Frage von Interventionen für die in Gefängnissen festge-
haltenen Aktivisten der Organisation MOSOP hat sich die öster-
reichische Vertretungsbehörde in Lagos im Aktionsrahmen der EU
gehalten. Diese hat sich z .B. in einer Troika-Demarche beim
nigerianischen Außenminister am 23 . Oktober 1996 nicht nur für
Ogoni-Aktivisten, sondern für alle politischen Gefangenen in
Nigeria eingesetzt . Auf diesen, von Österreich aktiv mitaus-
geübten Druck der EU hin, sind im Jahre 1996 einige Freilas-
sungen politischer Gefangener erfolgt. Es ist in diesem Zusam-
menhang die Politik der EU, für alle politisch Verfolgten in
Nigeria, und dies möglichst ohne Hervorhebung von Namen oder
Volksgruppen, dafür aber in kürzeren Abständen und auf hoher
Ebene (Außenminister) einzutreten. Dieser Politik der EU folgt
auch die österreichische Botschaft in Nigeria. Ein geschlos-
senes Vorgehen der EU-Mitgliedstaaten hat sich diesbezüglich
stets bewährt .