1847/AB XX.GP
Die Abgeordneten zum Nationalrat Dr. Graf, Haigermoser, Dr. Ofner und Kollegen haben am
29. Jänner 1997 unter der Nr. 1896/J an mich eine schriftliche parlamentarische Anfrage be-
treffend Versäumnisse in der Sudetendeutschen Frage gerichtet, die folgenden Wortlaut hat:
"1. Wurde die Republik Österreich eingeladen, an den Verhandlungen teilzunehmen, um im
Rahmen derselben die mehr als 160.000 in Österreich lebenden Sudetendeutschen zu ver-
treten?
Wenn ja, wie wurde von seiten Österreichs auf diese Einladung reagiert?
Wenn nein, was wurde unternommen, um zu erwirken, daß Österreich doch zu den Verhand-
lungen eingeladen wird bzw. an ihnen teilnehmen kann?
2. Ist für die Zukunft geplant, mit der Tschechischen Republik in solche Verhandlungen einzu-
treten, wenn ja, welche Schritte sind in dieser Richtung wann konkret unternommen wor-
den?
Welches Ziel wird Österreich in diesen Verhandlungen verfolgen?
Ist vorgesehen, Vertreter der Sudetendeutschen in diese Verhandlungen einzubeziehen?
Wenn nein, warum nicht?
3. Welche Aktivitäten haben Sie in den vergangenen Jahren in der Richtung gesetzt, die Auf-
hebung der nach wie vor geltenden - in jeder Hinsicht rechtswidrigen, vor allem auch men-
schenrechtswidrigen - Benesch-Dekrete insbesondere der diesbezüglichen Dekrete Nr. 12,
33 und 108, welche zur Vertreibung und Enteignung der Sudetendeutschen führten, gesetzt?
4. Welche Aktivitäten werden Sie in dieser
Richtung konkret wann setzen?
5. Wie wird sich Österreich gegenüber den Bemühungen der Tschechischen Republik um Auf-
nahme in die Europäische Union verhalten, solange die in jeder Hinsicht rechtswidrigen, vor
allem auch menschenrechtswidrigen Benesch-Dekrete in Gültigkeit stehen?
Wird sich Österreich in diesem Zusammenhang gegen die Beitrittsbemühungen der Tsche-
chischen Republik wenden?
Wenn nein, warum nicht, obwohl es unerträglich erschiene, daß ein Staat, in dem sich derart
menschenverachtendes Rechtsgut in Gültigkeit befindet, Mitglied der Europäischen Union
wird?
6. Wie beurteilen Sie politisch und rechtlich den Verzicht eines Staates auf seinen Bürgern zu-
stehende Rechte (Recht auf Heimat, Recht auf Eigentum etc.), welches Ziel offensichtlich
durch die zitierte "Deutsch-tschechische Erklärung" erreicht werden soll?
Werden Sie für den Fall, daß es zu adäquaten Verhandlungen zwischen Österreich einerseits
und der Tschechischen Republik andererseits kommen sollte, im Zusammenhang mit densel-
ben gleichfalls trachten, auf österreichischen Staatsbürgern zustehende Rechte verzichten zu
können bzw. zu verzichten?
Wenn ja, warum ?
7. Teilen Sie die Ansicht der Anfragesteller, daß begrifflich und logisch, aber auch rechtlich,
auf Rechte, die jemandem zustehen, allenfalls dieser selbst verzichten kann, und daß dies
kein dritter, auch nicht der Staat, dessen Bürger er ist, für ihn tun kann?
8. Teilen Sie darüber hinaus die einhellige Rechtsauffassung, daß es sich beim Selbstbestim-
mungsrecht überhaupt um ein unverzichtbares Recht handelt, auf das niemand für Dritte,
aber auch niemand für sich selbst und vor allem niemand für seine Kinder und Kindeskinder
rechtswirksam verzichten kann?"
Diese Anfrage beantworte ich wie folgt:
Da die an mich gerichteten Fragen Angelegenheiten betreffen, die nicht einen Gegenstand der
Vollziehung im Wirkungsbereich des Bundeskanzleramtes nach Art. 52 Abs. 1 B-VG bilden,
sondern den Wirkungsbereich des Bundesministeriums für auswärtige Angelegenheiten nach
Teil 2 B der Anlage zu § 2 des Bundesministeriengesetzes betreffen, ersuche ich um Verständnis,
daß ich von einer Beantwortung dieser
Fragen absehe.
Ungeachtet dessen ist grundsätzlich festzuhalten, daß es angesichts vielfältigen Leides und
Unrechtes in der Vergangenheit meiner festen Überzeugung entspricht, die internationalen Bezie-
hungen - den Erweiterungsprozeß der Europäischen Union eingeschlossen - auf die Zukunft aus-
zurichten. Die österreichische Bundesregierung hat in diesem Sinn die jüngst unterzeichnete Ver-
söhnungserklärung zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Tschechischen Republik,
die das Bekenntnis zu guter Nachbarschaft und Partnerschaft dokumentiert, begrüßt.