1908/AB XX.GP
Die schriftliche parlamentarische Anfrage Nr. 2044/J-NR/1997, betreffend NS-Opfer und Ana-
tomieatlas, die die Abgeordneten ÖLLINGER, Freundinnen und Freunde am 26. Februar 1997
an mich gerichtet haben, beehre ich mich wie folgt zu beantworten:
1. Ist Ihnen bekannt, daß ausgehend von Vorwürfen der Israelischen Gedenkstätte Yad
Vashem und ausländischer Medizinhistoriker eine internationale Diskussion über die
Haltung der österreichischen Medizin in der NS-Zeit eingesetzt hat, wobei es insbeson-
dere um die Verwendung der Leichen von NS-Opfern für anatomische Zwecke und
für den heute noch in Verwendung stehenden Pernkopf-Anatomieatlas geht?
Antwort:
Die internationale Diskussion, ausgehend von Vorwürfen der Israelischen Gedenkstätte Yad
Vashem, über die behauptete Verwendung der Leichen von NS-Opfern für anatomische Zwek-
ke und den Pernkopf-Anatomieantlas sind auch dem Bundesministerium für Wissenschaft und
Verkehr bekannt.
2. Der Rektor der Universität Wien hat zur Klärung dieser Vorwürfe eine Historiker-
kommission eingesetzt und eine wissenschaftliche Untersuchung eingeleitet. Wie beur-
teilen Sie diese Vorwürfe und Reaktionen, bzw. werden Sie diese Bemühungen erfor-
derlichenfalls unterstützen?
Antwort:
Die Einsetzung einer Historikerkommission und Durchführung einer wissenschaftlichen Unter-
suchung zur Klärung dieser Vorwürfe ist im höchsten Maße begrüßenswert. Nur eine objektive
sachkundige wissenschaftliche Bearbeitung dieses Problembereiches ist ein geeignetes Mittel
zur Klärung offener Fragen in diesem Bereich.
3. In einem Artikel in dem PDS-Organ " Neues Deutschland " , 15/16.2.1997, hat der
Archivar der Universität Innsbruck Dr. Gerhard Oberkofler von " scheinheiliger Be-
troffenheit in Wien " geschrieben. Teilen Sie diese Einschätzung?
Antwort:
Der Vorwurf "scheinheiliger Betroffenheit in Wien" ist nicht angebracht. Die diesbezüglichen
Bemühungen der Universität Wien als nicht ernsthaft darzustellen, entbehrt jeglicher sachlicher
Grundlage.
4. a) Sind Sie informiert, welche Schritte die Universität Innsbruck an der derjetzige
Herausgeber des Pernkopf-Anatomieatlasses Prof. Platzer als Vorstand des Anato-
mieinstituts wirkt, hinsichtlich der Vorwürfe an den Pernkopf-Anatomieatlas unter-
nommen hat?
b) Welche Haltung vertreten Sie in bezug auf die Verwendung des Pernkopf-Anato-
mieatlasses an österreichischen Universitäten, solange der schwerwiegende Vorwurf
der Heranziehung von NS-Opfern für Illustrationen nicht geklärt ist?
c) Werden Sie diesbezüglich Gespräche mit den in Frage kommenden Universitäten
und Instituten führen?
Antwort:
ad a:
Die Erwähnung der Universität Innsbruck in einigen Medienberichten zur gegenständlichen
Thematik ergibt sich ausschließlich aus der Tatsache, daß der derzeitige Ord. Univ.Prof. für
Anatomie an der Medizinischen Fakultät der Universität Innsbruck, Prof. Dr. Platzer, Jahrgang
1929, ab dem Jahr 1949 als studentische
Hilfskraft am Wiener Institut für Anatomie an dem
genannten Lehrbuch mitarbeitete und er anläßlich der späteren Verlagerung seiner Lehrtätigkeit
nach Innsbruck zwei von ihm persönlich in den frühen 50-er Jahren in Wien angefertigte anato-
mische Präparate nach Innsbruck übersiedelte. Zur Aufklärung allfälliger offener Fragen hat
aber der Rektor der Universität Innsbruck Univ.Prof. Dr. Smekal, dem Rektor der Universität
Wien, Univ.Prof Dr. Alfred Ebenbauer, mitgeteilt, daß er die Einsetzung der genannte Untersu-
chungskommission sehr begrüße und einem allfälligen Ersuchen auf Ausdehnung der Untersu-
chungen der Kommission auch auf die Universität Innsbruck selbstverständlich offen und posi-
tiv gegenüberstehe.
ad b. und c:
Eine Einflußnahme des Bundesministers für Wissenschaft und Verkehr auf die Verwendung
oder Nichtverwendung bestimmter Lehrmittel ist im Hinblick auf die verfassungmäßig gewähr-
leistete Freiheit der Wissenschaft und ihrer Lehre (Artikel 17 Staatsgrundgesetz über die all-
gemeinen Rechte der Staatsbürger) unzulässig.