1936/AB XX.GP
Auf die - aus Gründen der besseren Übersichtlichkeit in Kopie beigeschlossene - schriftliche
parlamentarische Anfrage Nr. 1938/J der Abgeordneten Mag. Terezija Stoisits und
Genossen vom 12. Februar 1997, betreffend in der NS-Zeit von Österreichern oder in
Österreich damals lebenden Personen gestohlenes, entwendetes, arisiertes und unter
Zwang unter dem tatsächlichen Wert von den Opfern erworbenes Vermögen und den
materiellen Schaden der NS-Opfer insgesamt, beehre ich mich folgendes mitzuteilen:
Eingangs ist festzuhalten, daß eine Beantwortung der Einzelfragen nur kursorisch möglich
ist, zumal Unterlagen des Deutschen Reiches, das Zwangsmaßnahmen vorgenommen oder
herbeigeführt hat, vielfach vernichtet wurden bzw. durch Kriegseinwirkungen in Verlust
geraten sind. Die gesamte österreichische Rückstellungsgesetzgebung war von dem
Gedanken geprägt, das nach der Wiedererstehung der Republik Österreich vorhandene ent-
zogene Vermögen an die ehemaligen Berechtigten oder ihre Rechtsnachfolger zu erstatten,
bzw., wenn solche Personen nicht mehr vorhanden waren, im Wege der Sammelstellen A
und B an die Geschädigten zu verteilen.
So kann davon ausgegangen werden, daß für entzogenes Grundvermögen im Zuge der
Rückstellungsgesetzgebung im wesentlichen abschließende Regelungen gefunden werden
konnten. Allerdings haben sich manche politisch und rassisch Verfolgte, die an den Grund-
stücken nicht mehr interessiert waren, durch Geld abfinden lassen. ln diesen Fällen verblie-
ben die Liegenschaften dem Ariseur bzw. seinen
Rechtsnachfolgern.
Verläßliche Schätzungen stehen dem Bundesministerium für Finanzen zu der von der
Anfrage umfaßten Problematik des Gesamtschadens der NS-Opfer mangels entsprechender
Aufzeichnungen nicht zur Verfügung.
Eine Beantwortung aller Detailfragen ist auch nicht im Wege einer umfangreichen wissen-
schaftlichen Studie möglich, weil Informationen und Material, wie bereits oben ausgeführt,
fehlen. Außerdem wurden Akten mit Rücksicht auf den Zeitablauf in manchen Bereichen
schon skartiert, so daß auch aus diesem Grund Unterlagen vielfach nicht mehr greifbar sind,
ln der Beantwortung der Anfrage Nr. 2666/J vom 28. April 1 992 wurde die von der Republik
Österreich zugunsten der durch das NS-Regime verfolgten Personen geschaffene Rück-
stellungs- und Entschädigungsgesetzgebung ausführlich dargestellt, Diesen Ausführungen
ist nichts hinzuzufügen.
Der Vollständigkeit halber sei auch noch der mit BGBl.Nr. 432/1995 anläßlich des
50. Jahrestages der Unabhängigkeitserklärung und damit der Wiederherstellung der demo-
kratischen Republik Österreich beim Nationalrat geschaffene Fonds zur Erbringung von
Leistungen an Opfer des Nationalsozialismus erwähnt.
Zu den einzelnen Fragen ist ergänzend auszuführen:
Zu 1.:
Eine Gesamtstatistik besteht nicht, weil Informationen und Daten fehlen, zumal das
Deutsche Reich Unterlagen vernichtet hat bzw. diese nicht an die Republik Österreich
gekommen sind. Vielfach ging Material auch durch Kriegsereignisse verloren. Zu berück-
sichtigen ist in diesem Zusammenhang, daß die Entziehungsmaßnahmen vom Deutschen
Reich und nicht von der österreichischen Verwaltung gesetzt worden sind.
Zu 2. :
Hinsichtlich der Gruppe von Verfolgten ist anzumerken, daß der Begriff politisch und rassisch
Verfolgte in der österreichischen Rückstellungsgesetzgebung verwendet und dort konkreti-
siert wurde.
Zu 3:
Der Grundbesitz aus dem ehemaligen "Deutschen Eigentum" ist keineswegs deckungsgleich
mit dem in der Anfrage konkretisierten Liegenschaftsvermögen, wenn auch nicht auszu-
schließen ist, daß Teile dieses Liegenschaftsbesitzes in der NS-Zeit auf die in der Anfrage
dargestellte Weise erworben wurden. Es liegen im Bundesministerium für Finanzen keinerlei
Unterlagen auf, aus denen Art und Ausmaß des arisierten und unter Zwang unter dem
tatsächlichen Wert von Verfolgten gekauften Vermögens an Grundbesitz hervorgehen oder
abgeleitet werden könnten. Eine Schätzung des Wertes desselben ist daher nicht möglich.
Dietmar Walch gibt in seinem Buch "Die jüdischen Bemühungen um die materielle Wieder-
gutmachung durch die Republik Österreich" den Wert des entzogenen Grundbesitzes mit
557,835.000,-- RM an. Es kann jedoch davon ausgegangen werden, daß das gesamte ent-
zogene Grundvermögen zurückgestellt wurde. Allerdings haben sich manche Berechtigte,
die an einer Herausgabe nicht interessiert waren, in Rückstellungsvergleichen finanziell
abfinden lassen. Hinzu kommt noch, daß die Sammelstellen A und B das Recht hatten,
Liegenschaftsvermögen, das nicht beansprucht worden war, einzufordern.
Zu 4:
Hinsichtlich des nach der Befreiung von der NS-Herrschaft in Österreich vorhandenen
Vermögens an Unternehmen, Aktien, Wertpapieren, Marken- und Musterrechten sowie
Patenten ist anzunehmen, daß es aufgrund des Dritten, Vierten, Fünften und Sechsten
Rückstellungsgesetzes im wesentlichen zurückgestellt werden konnte. In diesem
Zusammenhang ist auch auf die Antwort des Herrn Bundeskanzlers vom 28. April 1992 auf
die schriftliche parlamentarische Anfrage Nr. 2666/J zu verweisen,
Zu 5 und 6:
Verläßliche Unterlagen, die eine Schätzung rechtfertigen könnten, sind im Bundes-
ministerium für Finanzen nicht bekannt.
Verwiesen sei darauf, daß das Kriegs- und Verfolgungssachschädengesetz,
BGBI.Nr. 127/1958, Entschädigungen für Verluste an Hausrat und Berufsinventar vorsah.
Die Entschädigungen von rassisch
Verfolgten aus diesem Titel belaufen sich auf 150 Mio. S.
Zu 7:
Die Sparguthaben wurden zumeist vom Deutschen Reich abgeschöpft und waren somit im
Jahr 1945 nicht mehr in Österreich vorhanden. Soweit dies aber dennoch der Fall war,
wurden sie wertmäßig rückgestellt,
In diesem Zusammenhang ist auch festzuhalten, daß der mit BGBl. Nr. 100/1961 errichtete
und vom Bundesministerium für Finanzen mit 6 Mio. US$ zuzüglich 10 % Verwaltungskosten
dotierte Abgeltungsfonds Zuwendungen für Verfolgte zur Verfügung stellte, die Vermögens-
verluste an Bankguthaben, Wertpapieren, Bargeld oder Hypothekanforderungen erlitten
hatten oder zur Leistung von Reichsfluchtsteuer oder Judenvermögensabgabe verhalten
worden waren.
Zu 8:
Im Hinblick auf die Rückstellungsgesetzgebung bzw. die Berechtigung der Sammelstellen A
und B zum Erheben von Rückstellungsansprüchen ist nicht mehr anzunehmen, daß österrei-
chische Banken heute noch über nicht rückgestellte Guthaben verfügen. Dabei ist auch die
Abschöpfung durch und die Verbringung in das Deutsche Reich zu berücksichtigen.
Zu 9. :
Verläßliche Schätzungen liegen nicht vor. Im Hinblick auf die bereits mehrfach erwähnte
Rückstellungsgesetzgebung und die Berechtigung der Sammelstellen A und B, Rück-
stellungsanträge zu stellen, kann man aber annehmen, daß die Berechtigten Entschädi-
gungen erhielten.
Zu 10. :
Die Beantwortung dieser Frage fällt in die Kompetenz des Bundesministeriums für Arbeit und
Soziales.