1948/AB XX.GP

 

Schriftliche Anfrage der Abgeordneten

Karlsson, Jäger, Genossinnen und Genossen

Zl. 1 944/J vom 2.2. 1 997 an den Bundesminister

für auswärtige Angelegenheiten betreffend Fehlverhalten des

ehemaligen Botschafters Dr. Anton Ségur-Cabanac

in Chile

Die Abgeordneten zum Nationalrat Karlsson, Jäger, Genossinnen und Genossen haben am

12. Februar 1997 unter No. 1944/J an mich eine schriftliche Anfrage betreffend

Fehlverhalten des ehemaligen Botschafters Dr. Anton Segur-Cabanac in Chile gerichtet,

welche folgenden Wortlaut hat:

1 . Welche "umfangreichen" Unterlagen gibt es zu dieser Causa im Bundesministerium für

auswärtige Angelegenheiten und mit welchem Inhalt ?

2. Wer hat welche vom ehemaligen Botschafter Dr. Anton Ségur-Cabanac behauptete

skandalöse Anweisung gegeben und wie lautet diese ?

3. Welche Stellungnahme hat das Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten zu

wiederholten Vorhaltungen bezüglich Fehlverhaltens vom ehemaligen Botschafter Dr.

Anton Ségur-Cabanac nach dem Putsch in Chile und in den weiteren Dienstjahren

abgegeben ?

Ad 1 und Ad 2:

In den Tagen unmittelbar nach dem Versuch einiger Personen, in der ehemaligen

bulgarischen Residenz - die von Österreich als Schutzmacht mit übernommen worden war

und von einem verbliebenen bulgarischen Botschaftsbeamten bewohnt und betreut wurde -

Asyl zu nehmen, war die entscheidende Frage, ob nämlich die chilenische Polizei

tatsächlich in die Residenz eingedrungen war, zunächst nicht klar. Auch in der ersten

Berichterstattung der ÖB Santiago konnte die Frage des Bruchs der Unverletzlichkeit des

Gebäudes nicht eindeutig beantwortet werden, Botschafter Ségur empfahl aber für den

Fall, daß ein gewaltsames Eindringen festgestellt werden sollte, Protest mittels Verbalnote

bei den chilenischen Behörden zu erheben. Angesichts dieser Unklarheit der Faktenlage

wurde die ÖB Santiago angewiesen, lediglich mündlich (und nicht mit schriftlicher

Protestnote) gegenüber der chilenischen Seite vorzubringen, daß "bisher starke Indizien

vorlägen, wonach sich die chilenische Polizei einer flagranten Verletzung der

Unverletzlichkeit der Räumlichkeiten einer diplomatischen Mission schuldig gemacht

habe". Dieser Weisung entsprach der österreichische Botschafter in Santiago und

berichtete über das entsprechende Gespräch mit dem Generalsekretär des chilenischen

Außenministeriums, daß dieser erklärt habe, eine Studie des (chilenischen)

Außenministeriums habe ergeben, daß die Räumlichkeiten ehemaliger Botschaftsgebäude

(also solcher, die Staaten gehören, die keine diplomatische Beziehungen mit Chile

unterhalten und die von Schutzmächten verwaltet wurden) nicht exterritorial seien, daß

dies jedoch nur eine Vorausinformation sei und nicht so zu verstehen sei, "daß sich die

chilenischen Behörden derzeit berechtigt fühlen, in die Räumlichkeiten von Ex-

Botschaften einzudringen".

Als zwei Monate später, im August 1976, aufgrund eines Gesprächs zwischen Botschafter

Ségur und einer Frau, die zur Gruppe der Personen gehörte, die Asyl in der bulgarischen

Residenz gesucht hatte, feststand, daß chilenische Polizeikräfte in die bulgarische Residenz

tatsächlich eingedrungen waren, erschien es dem Bundesministerium für auswärtige

Angelegenheiten wegen des Zeitablaufs nicht mehr angezeigt, jetzt noch formal zu

protestieren. Ein indirekter Protest war ja bereits erfolgt.

Angesichts der Sachlage und des Umstands, daß gleichzeitig ein Asylfall in der

österreichischen Botschaft einer Lösung harrte (Fall Penailillo) und die Lösung dieses

Falles nicht gefährdet werden sollte, erschien die Reaktion angemessen.

Ad3:

Das Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten hat bereits am 26. Juli 1 976 in

einem Brief an die Chile-Solidaritätsfront in Wien richtiggestellt, daß die österreichische

Botschaft Santiago keinesfalls an der Auslieferung von Asylwerbern in irgendeiner Weise

mitgewirkt hat.

In einem weiteren Schreiben des Bundesministeriums für auswärtige Angelegenheiten an

die Chile-Solidaritätsfront vom 23. September 1976 nahm das Bundesministerium Stellung

wie folgt:

"...Das Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten kann seine Schritte nicht auf

Vermutungen, vage Hinweise oder nicht konkretisierte Zeitungsangaben stützen. Das

Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten vermag daher auch nicht der

Unterstellung einer "Verantwortung und Beteiligung der österreichischen Beamten" zu

folgen, wie sie in Ihren Ausführungen zum Ausdruck kommt. Eine unvoreingenommene

Gesamtbeurteilung der Angelegenheit kann z.B. nicht übersehen, daß zur fraglichen Zeit

ein bulgarischer Beamter, der in der bulgarischen Residenz wohnte, von einem

Kinobesuch heimkehrte, in eine Auseinandersetzung mit den Asylwerbern verwickelt war

und sich auch mit einem chilenischen Offizier der Zivilpolizei unterhalten hatte..."

In einer späteren (11. November 1977) Stellungnahme des Bundesministeriums für

auswärtige Angelegenheiten betreffend das Verhalten von Bot. Ségur gegenüber dem

Bundeskanzleramt wurde ausgeführt: "Auch in der Zeit, in der Dr. Ségur in Chile

Botschafter war, ist - in Erfüllung der Weisungen des BMfAA - jederzeit tätige Hilfe für

verfolgte Personen geleistet worden."

In einer weiteren Stellungnahme gegenüber dem Bundeskanzleramt zu einem Schreiben

von Amnesty International Hamburg) vom 14. November 1978 führte das

Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten aus:

"...Der Vorfall in der bulgarischen Botschaft in Santiago wurde bereits von der

Disziplinarkommission beim Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten, somit

von einem unabhängigen, nicht weisungsgebundenem Organ, untersucht. Die Kommission

fand aber keinerlei Anhaltspunkte für ein schuldhaftes oder unrichtiges Verhalten des

damaligen österreichischen Botschafters in Chile."