1957/AB XX.GP
Schriftliche Anfrage der Abgeordneten zum Nationalrat
Gredler, Schmidt und Partnerinnen betreffend die
österr. Haltung zur Zukunft Hongkongs
(Zl. 2008/J-NR/1997 vom 18. 2. 1997)
Die Abgeordneten zum Nationalrat Gredler, Schmidt und Partnerinnen haben am 18.2.
1997 unter der Nr. 2008/J-NR/1997 an mich eine schriftliche Anfrage betreffend die
österreichische Haltung zur Zukunft Hongkongs gerichtet, welche den folgenden Wortlaut
hat:
"1. Wie schätzen Sie die Menschenrechtssituation in Hongkong nach dem 1. Juli 1 997
ein?
2. Welche Initiativen haben Sie im Rahmen der EU ergriffen oder werden Sie noch
ergreifen, um eine Beschneidung der Bürger- und Menschenrechte der Bewohner
Hongkongs zu verhindern?
3. Welche Initiativen haben Sie bilateral mit der Volksrepublik China ergriffen oder werden
Sie ergreifen, um einen Abbau der Menschenrechte in Hongkong zu verhindern?
4. Stimmen Sie mit der Analyse des "Economist" betreffend Inaktivität der europäischen
Regierungen bezüglich Hongkongs überein? Wenn nein, warum nicht, und was haben
Sie bisher getan, um diesen Eindruck zu entkräften?
5. Stimmen Sie der Meinung Martin Lees zu, daß Europa in erster Linie vom chinesischen
Markt fasziniert sei und Menschenrechte hintanstelle? Wenn nein, was haben die
österreichischen Regierungsvertreter bei ihren zahlreichen Besuchen in Peking im
Laufe der letzten zwei Jahre für die
Menschenrechte in diesem Land unternommen?
6. Welche Konsequenzen haben Ihren Informationen nach Vertreter nicht -
chinafreundlicher Parteien (wie der Demokratischen Partei Hongkongs) und ihre
Anhänger nach der Machtübernahme der Volksrepublik zu befürchten? Welche
Maßnahmen wird die EU bzw. Österreich zu deren Schutz ergreifen?
7. Beim EU - ASEAN - Gipfel in Singapur betonten Sie, daß "Business ohne
Menschenrechte nicht möglich" (KURIER, 17.2.1997) sei. Planen Sie daher
Wirtschaftssanktionen gegenüber der VR China, wenn die geplanten Verletzungen der
Menschenrechte tatsächlich umgesetzt werden?
8, Können Sie abschätzen, wie viele Flüchtlinge Hongkong nach dem 1 . Juli 1 997
verlassen müssen und wie viele davon nach Großbritannien bzw. in den übrigen EU -
Raum gelangen werden?
9. Wird die EU Hongkong - Flüchtlinge aufnehmen bzw. eine "Quotenlösung" für
Hongkong -Flüchtlinge ausarbeiten und werden Sie sich dafür einsetzen? Wenn nein,
warum nicht?
10. Wird Österreich Hongkong - Flüchtlinge grundsätzlich aufnehmen, obwohl diese in der
Regel über ein "Drittland" einreisen müßten?"
Ich beehre mich, diese Anfrage wie folgt zu beantworten:
Zu 1:
Die chinesische Regierung hat wiederholt bekräftigt, nach der Übergabe an die
Volksrepublik China die rechtliche und administrative Sonderstellung Hongkongs zu
respektieren. Mit Ausnahme von Außen- und Verteidigungspolitik wurde Hongkong auf 50
Jahre das Recht erteilt, seine Angelegenheiten selbst zu regeln.
Der jüngste Beschluß des chinesischen Parlaments, Teile der in der "Bill of Rights"
verbrieften bürgerlichen Grundrechte außer Kraft zu setzen, sind allerdings Anlaß zur
Sorge. ln diesem Sinn äußerte sich auch die Internationale Juristenkommission, die an die
UNO appellierte, die Entwicklung in Hongkong nach der Übergabe genau zu beobachten
und den antikommunistischen Kräften
Unterstützung zu gewähren.
Zu 2:
Beim Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs der EU in Dublin im Dezember 1 996
hat die EU erklärt, daß sie nach Kräften bemüht sein wird, zu einem reibungslosen
Übergang Hongkongs an die Volksrepublik China beizutragen. Der Europäische Rat wies
auch darauf hin, daß die EU den Sonderstatus Hongkongs und seiner Bürger,
einschließlich ihres Rechts auf repräsentative demokratische Institutionen, voll unterstützt.
Der chinesische Außenminister Qian Qichen machte beim ASEM-Außenministertreffen in
Singapur im Februar 1 997 außerdem die Zusage, innerhalb von zwölf Monaten nach der
Übergabe Hongkongs an China freie Wahlen abzuhalten, an welchen alle Bewohner
Hongkongs teilnehmen können.
Zu 3:
Bei meinen Zusammentreffen mit dem chinesischen Außenminister Qian Qichen am
Rande der UN-Generalversammlung in New York im Herbst 1 996 und auch beim ASEM -
Außenministertreffen in Singapur im Februar d. Js. habe ich die Gelegenheit genützt, mit
ihm über Hongkong zu sprechen. Dabei wurde mir von Außenminister Qian Qichen
versichert, daß China die freie Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung Hongkongs gemäß
dem Grundsatz "Ein Land - zwei Systeme" unangetastet lassen wird. Auch der Leiter des
Hongkong - Macao-Büros des chinesischen Staatsrates, Minister Lu Ping, sicherte
anläßlich seines kürzlichen Besuches in Österreich in seinem Gespräch mit
Staatssekretärin Ferrero-Waldner am 21. März d.Js. die Erhaltung des politischen,
wirtschaftlichen und sozialen Systems Hongkongs zu. Der im Basic Law (Verfassung
Hongkongs) garantierte hohe Grad an Autonomie werde von der Pekinger
Zentralregierung genau beachtet werden. Hongkong werde auch in Hinkunft von seinen
eigenen Bürgern regiert werden und über sein eigenes Gerichts- und Polizeiwesen
verfügen.
Zu4:
Der Status von Hongkong und dessen zukünftige verfassungsrechtliche Struktur wurden
in erster Linie durch den chinesisch-britischen Grundlagenvertrag von 1984 geregelt. Die
Modalitäten der Rückgabe Hongkongs an China wurden somit in erster Linie auf
bilateraler Ebene zwischen Großbritannien und China festgelegt. Großbritannien informiert
seine EU-Partner jedoch im Rahmen der
Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik der
EU (GASP) regelmäßig über alle wichtigen Entwicklungen in dieser Angelegenheit. Dabei
kann sich London auf die Solidarität und Unterstützung der EU - Partnerländer stützen,
wie in der Erklärung beim Europäischen Rat in Dublin (13./14. Dez. 1996) ausdrücklich
festgehalten wurde.
Die britischen Bestrebungen, die Zukunft Hongkongs zu einer internationalen Frage zu
machen, haben insofern Früchte getragen, als dieses Thema bereits von Peking selbst
bei internationalen Treffen angesprochen wird. Die von den EU -Mitgliedsländern
mitgetragene Strategie, das Thema Hongkong bei jeder sich nur bietenden Gelegenheit in
den Beziehungen mit der VR China anzusprechen, hat Peking von seiner bis vor kurzem
verfolgten Linie abgebracht, in dieser Frage keine äußere "Einmischung" zu akzeptieren.
Zu 5:
Österreich mißt in seinen Beziehungen mit der VR China dem politischen Dialog und der
Achtung der Menschenrechte besondere Bedeutung bei. Diese Grundhaltung wurde von
österreichischen Regierungsvertretern sowohl bei ihren Besuchen in Peking als auch bei
Gesprächen mit chinesischen Delegationen in Österreich stets zum Ausdruck gebracht .
Diese Haltung zeigt sich darüber hinaus an der engagierten Rolle Österreichs in allen
multilateralen Gremien, in welchen Fragen der Menschenrechte in China behandelt
werden. Dies gilt insbesonders für die intensive Mitwirkung Österreichs bei der jährlichen
Tagung der UN-Menschenrechtskommission in Genf. Auch seitens der EU werden zu
Menschenrechtsproblemen in China immer wieder Erklärungen verabschiedet und
Demarchen durchgeführt, an deren Vorbereitung Österreich aktiv beteiligt ist.
Zu 6:
Für den Weiterbestand des vom britischen Gouverneur Chris Patten nach seinem
Amtsantritt 1 992 eingeführten demokratischen Systems ist die Internationalisierung der
Hongkong - Frage von großer Bedeutung. So wurde die Zukunft Hongkongs beim ersten
Besuch der neuen US-Außenministerin Albright in Peking von chinesischer Seite selbst
angesprochen, Peking hat großes Interesse an einer stabilen Entwicklung Hongkongs,
v.a. um das Vertrauen der Handelspartner in eine kontinuierliche Entwicklung des
kapitalistischen Wirtschaftssystems aufrecht zu erhalten. Da politische Unruhen das
angestrebte ruhige Weiterlaufen der Wirtschaft
in Frage stellen würden, liegt es auch in
chinesischem Interesse, Vertragstreue gegenüber den mit Großbritannien geschlossenen
Verträgen und Vereinbarungen zu beweisen. ln diesem Sinne ist auch die Zusicherung
der Abhaltung von Wahlen zu sehen, die der chin. Außenminister Qian Qichen beim
ASEM - Außenministertreffen im Februar seinen EU - Kollegen gegeben hat. An den
Bürgern Hongkongs liegt es dann, für Hongkong eine neue Gesetzgebende Versammlung
zu wählen. Die Umsetzung der Gemeinsamen Sino - Britischen Erklärung, in der das
Weiterbestehen der Hongkonger Institutionen festgeschrieben ist, wird bis ins Jahr 2000
von der Sino - Britischen Verhandlungsgruppe überwacht werden.
Der britische Außenminister Malcolm Rifkind berichtete im Anschluß an sein
Zusammentreffen mit dem chinesischen Außenminister Qian Qichen Mitte Februar 1 997,
daß nach den jüngsten Spannungen die Stimmung in der Bevölkerung Hongkongs positiv
und die Wirtschaftszahlen sehr erfreulich seien. Was den Grundrechtskatalog betrifft,
werden nicht nur Großbritannien, sondern auch alle EU - Partner nach dem 1 . Juli 1 997
sehr genau auf die Einhaltung der von China gegebenen Zusagen achten.
Zu 7..
Österreich wird sich sowohl im Rahmen der EU wie auch in den Vereinten Nationen für
die Einhaltung der Menschenrechte in Hongkong einsetzen. Der Idee von
Wirtschaftssanktionen stehe ich reserviert gegenüber: Beispiele aus Vergangenheit und
Gegenwart zeigen, daß Wirtschaftssanktionen gegen ein Land sich oft nicht als
zielführend erweisen, zumal sie meist die Bevölkerung und weniger das jeweilige Regime
treffen.
Zu 8:
Nein.
Zu 9:
Eine Entscheidung über Quotenlösungen zur Aufnahme von Flüchtlingen aus Hongkong
wurde vom Vereinigten Königreich bisher nicht erbeten. Sollte die Frage in den
zuständigen Gremien der EU aufgeworfen werden, wird sich Österreich aus
grundsätzlichen Erwägungen einer Quotierung entsprechend der relativen Größe der
einzelnen Mitgliedstaaten der Union nicht
widersetzen, da Österreich auch bisher im
Zusammenhang mit der Aufnahme etwa von Kriegsvertriebenen aus Bosnien für eine
solidarische Problemlösung im Rahmen der Europäischen Union eingetreten ist.
Zu 10:
Die Entscheidung über Asylanträge und die Aufnahme von Flüchtlingen fällt gemäß den
Bestimmungen des Asylgesetzes in die Zuständigkeit des Bundesministers für lnneres.
Ich bitte daher um Verständnis, daß ich auf diese Frage nicht näher eingehe.