1960/AB XX.GP
Die Abgeordneten zum Nationalrat ANSCHOBER, Freundinnen und
Freunde haben am 18. Februar 1997 unter der Nr. 2001/J an
mich eine schriftliche parlamentarische Anfrage betreffend
"Vorfall in der Nacht vom 27. auf 28.6.1996, Prager Straße -
Eisenbahnwaggons" gerichtet, die folgenden Wortlaut hat:
"1. Wie lautet der Polizeibericht über diesen Vorfall?
2 . Wurde Markus P . bei diesem Vorfall verletzt?
3. Wurde von Markus P. bzw. anderen Personen wegen dieses Vor-
falles eine Beschwerde eingebracht?
4. Wurde gegen den bzw. die Beschwerdeführer im Zusammenhang mit
der Beschwerde gegen die Polizeibeamten strafrechtliche
Schritte eingeleitet?
5 . Bejahendenfalls: Gegen wenn und nach welchen Bestimmungen
des Strafgesetzbuches wurden strafrechtliche Schritte gegen
den Beschwerdeführer eingeleitet?
6. Welche dienstrechtlichen Konzequenzen wurden gegen die
Beamten gezogen?
7 . Wurde gegen einen der beschuldigten Beamten bereits einmal
ein Disziplinarverfahren eingeleitet? Wenn ja, warum und wie
endete dies?
8 . Wann nach der Festnahme wurde eine Vertrauensperson, wann ein
Rechtsbeistand verständigt?
9 . Wann konnte die Vertrauensperson, wann der Rechtsbeistand mit
dem Betroffenen erstmals Kontakt aufnehmen ( genauer
Zeitpunkt ) ?
10. Wurde vom Betroffenen Markus P. eine ärztliche Untersuchung
verlangt ? Wenn ja, wurde diese durchgeführt?
11. Falls eine ärztliche Untersuchung durchgeführt wurde, wann
wurde diese durchgeführt (genauer Zeitpunkt) und was ergab
diese Untersuchung?
12. Warum wurde von den Polizeibeamten die Bekanntgabe der
Dienstnummern verweigert?
13. Welchen konkreten Grund gab es für das Einschreiten und die
Durchsuchung der Waggons durch die Polizeibeamten?
14. Wie rechtfertigen Sie das Verhalten der Beamten im Sinne des
Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes?
Diese Anfrage beantworte ich wie folgt:
Zu Frage 1:
In der Zeit von 27.6.1996, 23.20 Uhr, bis 28.6.1996, 00.15 Uhr,
wurde eine Kontrolle des stillgelegten Bahnhofes Jedlesee durch
Sicherheitswachebeamte des Bezirkspolizeikommissariates
Floridsdorf durchgeführt. Am Ende eines Abstellgleises waren aus
zwei alten Waggons Musik und Stimmen wahrnehmbar. Auf der Grund-
lage des § 35 Abs. 1 Z 4 des Sicherheitspolizeigesetzes erfolgte
eine Identitätsfeststellung der anwesenden Personen, da derartige
Örtlichkeiten wiederholt von Fremden, die sich illegal im Bundes-
gebiet aufhalten, frequentiert werden. Dies erfolgte unter Ein-
haltung der Bestimmungen der §§ 29 und 30 SPG.
Zwei Mädchen wurden in der Folge ihren Eltern übergeben und
Markus B. am 27.6.1996, um 23.35 Uhr, wegen aggressiven Ver-
haltens gegenüber einem Organ der öffentlichen Aufsicht gemäß
§ 35 Z 3 VStG 1991 vorläufig festgenommen. Weiters wurde er wegen
des Besitzes eines Armbandes mit Nieten, welches eine verbotene
Waffe darstellt, zur Anzeige gebracht.
Im Zuge der Amtshandlung wurde auch eine entfremdete Kennzeichen-
tafel aufgefunden. Diese war in einem Waggon an die Wand
genagelt . Es konnte nicht festgestellt werden, wer hiefür ver-
antwortlich war. Die Kennzeichentafel wurde gemäß S 143 StPO
sichergestellt.
Im Zuge der Amtshandlung wurde festgestellt, daß offensichtlich
die Abhaltung eines "Waggonfestes" an der genannten Örtlichkeit
erfolgte. Als Verantwortlicher wurde ein gewisser N. namhaft
gemacht, der ausführte, daß er
einen Verein gegründet habe, der
sich die Erhaltung alter Bahnanlagen zum Ziel gemacht habe. Der
Verein soll ÖRBG - Österreichische Regionalbahnen Gemeinschaft -
als Vereinsbezeichnung haben. Die anderen anwesenden Personen
machten jedoch gegenteilige Angaben und so wurde auch von einer
allgemeinen "Party" bzw. "Schulschlußfeier" gesprochen. Es
wurden alkoholische Getränke bereitgestellt und auch betreffend
des diesbezüglichen Entgeltes wurden unterschiedliche Angaben
gemacht .
Zu Frage 2:
Zunächst darf ich darauf hinweisen, daß es sich meiner Ansicht
nach bei Markus P. mit hoher Wahrscheinlichkeit um Markus B.
handeln dürfte, zumal lediglich diese Person vorläufig festge-
nommen wurde und einige der nachfolgenden Fragestellungen darauf
Bezug nehmen .
Markus B. wurden die Handfesseln gemäß S 1 Handfessel-
dienstanweisung angelegt, und er wurde mit den Händen auf den
Rücken geschlossen. Diese Maßnahme erfolgte nach der Festnahme.
Am 28.6.1996, um 00.00 Uhr, wurden ihm die Handfesseln im
Bezirkspolizeikommissariat Wien Floridsdorf wieder abgenommen.
Hiebei zeigte sich, daß der Festgenommene eine leichte Rötung der
Handgelenke aufwies. Diese Rötungen rühren jedoch nicht von
einer unsachgemäßen Anwendung der Handfesseln, sondern resul-
tieren vielmehr aus den anfänglichen Versuchen des Genannten,
sich zu befreien. Ansonsten wurden keine weiteren Verletzungen
festgestellt bzw. von B. behauptet.
Zu Frage 3:
Nein
Zu Frage 4:
Nein
Zu Frage 5:
Ergibt sich aus der Antwort zu Frage 4.
Zu Frage 6:
Gegen die eingesetzten Sicherheitswachebeamten wurden keine
dienstrechtlichen Maßnahmen gesetzt.
Zu Frage 7:
Nein
Zu Frage 8:
Die Mutter des Markus B. wurde am 28.6.1996, um 00.15 Uhr, ver-
ständigt. B. wurde das Informationsblatt für Festgenommene ausge-
folgt, jedoch erfolgte keine Bekanntgabe, daß er die Beiziehung
eines Rechtsbeistandes wünsche.
Zu Frage 9:
Eine Kontaktaufnahme mit dem Festgenommenen durch eine Ver-
trauensperson bzw. einem Rechtsbeistand wäre grundsätzlich ab dem
Zeitpunkt der Festnahme bzw. dem Zeitpunkt der Verständigung der
Mutter des Festgenommenen möglich
gewesen.
Zu Frage 10:
Es wurde von B. keine ärztliche Untersuchung verlangt.
Zu Frage 11:
Ergibt sich aus der Antwort zu Frage 10.
Zu Frage 12:
B. wurde von einem der einschreitenden Organe eine Visitenkarte
ausgefolgt. Es handelt sich hiebei um den Beamten mit der Dienst-
nummer 1246.
Überdies wurden vom Einsatzleiter vor Ort allen Beteiligten
sowohl Vor- als auch Zuname und der Dienstgrad seiner Person
bekanntgegeben .
Zu Frage 13:
Aufgrund von Informationen war bekannt, daß sich in abgestellten
alten Waggons am Bahnhof Jedlesee unbekannte Personen aufhalten.
Es bestand auch der Verdacht, daß durch diese Personen fallweise
von einem nahen Lagerplatz Materialien entnommen und die Um-
zäunungen beschädigt werden.
Bereits von der Gebauergasse nächst der Prager Straße konnte Lärm
aus dem Bereich des Bahnhofsgelände wahrgenommen werden. Die
Umzäunung zwischen dem Bahnhofsgelände und der Prager Straße bzw.
Gebauergasse wies eine offensichtlich vorsätzlich hergestellte
Öffnung auf. Hinter dieser Umzäunung befanden sich auf einem
Abstellgleis zwei alte Waggons .
Im Zuge der weiteren Amtshandlung wurden Maßnahmen gemäß dem
Jugendschutzgesetz getroffen und eine entfremdete Kennzeichen-
tafel aufgefunden und sichergestellt. Auch war zu klären, ob
Beschädigungen an fremden Sachen erfolgten, zumal die gesamten
Eigentumsverhältnisse nicht eindeutig geklärt werden konnten.
Bezüglich der behaupteten Durchsuchung der Waggons darf ich fest-
stellen, daß in diese nicht eingedrungen wurde, sondern die
Waggons über die Aufstiegshilfen betreten worden sind, ohne
irgendwelche Sperrvorrichtungen zu überwinden. In den Waggons
selbst erfolgte keine Durchsuchung, sondern es wurden diese
lediglich zum Zwecke der Durchführung der Identitätsfest-
stellungen der anwesenden Personen betreten. Auch bezüglich der
Kennzeichentafel fehlte das Element des Suchens, da diese an der
Wand eines Waggons hing.
Zu Frage 14:
Die Prüfung der Verhältnismäßigkeit beginnt vorgelagert bereits
mit der Beantwortung der Frage, ob grundsätzlich das Einschreiten
der Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes zulässig bzw. ge-
boten war. Dies ist mE im Lichte er obigen Ausführungen zu be-
jahen. Von den einschreitenden Beamten wurde - wie ich den mir
vorliegenden Unterlagen entnehmen konnte - überaus maßhaltend und
unter strikter Beachtung der gesetzlichen Vorschriften agiert.
Es wurde stets versucht, das polizeiliche Einschreiten durch
eingriffsfreie Maßnahmen zu erreichen. Lediglich eine Person
mußte - wie bereits erwähnt - in der persönlichen Freiheit einge-
schränkt werden. Ansonsten wurden lediglich Identitätsfest-
stellungen im obigen Sinne durchgeführt.
Es erfolgten keine Be-
schädigungen von Sachen und keine Hausdurchsuchung im Sinne des
Gesetzes zum Schutze des Hausrechts.
Die Amtshandlung war daher zusammenfassend vom ultima
ratio-Prinzip getragen und es wurden lediglich unbedingt not-
wendige und unumgängliche Maßnahmen gesetzt. Das polizeiliche
Agieren war erforderlich, um die Situation vor Ort zu prüfen, um
somit eventuellen sicherheitspolizeilichen, verwaltungspolizei-
lichen und/oder justizstrafrechtlichen Gefahren gerecht zu
werden.