2003/AB XX.GP

 

Die Abgeordneten zum Nationalrat ANSCHOBER, Freundinnen und

Freunde habe am 18. Februar 1997 unter der Nr. 1997/J an mich

eine schriftliche parlamentarische Anfrage betreffend

"Großeinsatz der Wiener Polizei gegen zwei Kinder am 30.10.1996 "

gerichtet, die folgenden Wortlaut hat:

"1. Wer hat in dieser Angelegenheit die WEGA-Einsatzgruppe ge-

rufen? Ist es richtig, daß die betreffenden Beamten be-

haupteten, es sei auf sie geschossen worden?

2 . Wenn ja, wie kamen die Beamten zu dieser Behauptung?

3 . Haben Sie etwas (Schuß von Spielzeugpistole) verspürt oder

gehört?

4 . Wenn Sie einen Schuß verspürt hatten, mußten Sie zumindest so

nahe am Fenster gewesen sein, daß sie hätten erkennen müssen,

daß es sich um 14- bzw. 15jährige Buben mit einer Spielzeug-

pistole handelt. Wie weit waren die beiden Beamten von den

beiden Jugendlichen entfernt?

5. Warum wurde der Mann aus der Nachbarwohnung am Boden mit

vorgehaltener Waffe fixiert, obwohl er aufgrund seiner Be-

kleidung keine Waffe bei sich tragen konnte?

6. Wurden von dem Beamten die Eltern bzw. die Großeltern der

beiden Jugendlichen verständigt?

7. Wenn ja, wann?

8 . Warum wurden die Jugendlichen auch nachdem sich heraus-

stellte, daß es sich um eine Spielzeugpistole handelte,

weiterhin unter Druck gesetzt?

9 . Wie kommen die zuständigen Beamten zu dem Verdacht eines

tätlichen Angriffes gegen Beamte, nachdem sich herausgestellt

hatte, daß es sich ja um eine Spielzeugpistole handelte?

10 . Womit rechtfertigen die Beamten den Verdacht der Gefährdung

der körperlichen Sicherheit, nachdem sich herausgestellt

hatte, daß es sich um eine Spielzeugpistole handelte?

11. Wie wird von den betroffenen Beamten die nachträgliche Vor-

ladung der beiden Jugendlichen und die gesamte Aktion im

Sinne des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes beurteilt?

12 . Haben sich die betreffenden Beamten bei den beiden Jugend-

lichen und insbesondere bei den Nachbarn der Jugendlichen

entschuldigt?

13. Wurden gegen die betroffenen Beamten irgendwelche Diszipli-

narmaßnahmen gesetzt?

14. Wenn nein, warum nicht?

15 . Wenn ja, welche?

Diese Anfrage beantworte ich wie folgt:

Zu Frage 1:

Am 30.10.1996, um 15.48 Uhr, erfolgte ein Einsatz nach Wien 3. ,

Hetzgasse 24 . Der Einsatzgrund für den Streifenkraftwagen des

Bezirkspolizeikommissariates Wien Landstraße lautete : " Schüsse

aus einer Luftdruckwaffe auf Passanten" .

Im Zuge der Intervention wurde auch auf die einschreitenden

Beamten, welche sich in Wien 3 . , Hetzgasse 29 auf dem Gehsteig

aufhielten, geschossen; sie wurden jedoch nicht getroffen. Es

wurde begründet angenommen, daß es sich um Schußabgaben aus einer

Druckluftwaffe handelte. Aufgrund der vorgefundenen Situation

und des Umstandes, daß vorangehend die Aufforderin und ihr Sohn

gleichfalls beschossen worden sind, wurde im Sinne der Eigen-

sicherung Verstärkung angefordert und der bislang festgestellte

Sachverhalt der Einsatzzentrale mitgeteilt. Wie in derartigen

Fällen vorgesehen, erfolgte eine Entsendung von Beamten der WEGA.

Es wurde auch der Nahbereich des Vorfallsorte entsprechend abge-

sichert, um eine weitere Gefährdung von Passanten hintanzuhalten .

Zu Frage 2:

Die einschreitenden Beamten stellten fest, daß die Schüsse aus

einem Fenster einer im ersten Stock der Wohnhausanlage Wien 3 . ,

Hetzgasse 24, befindlichen Wohnung abgegeben wurden, da sich eine

Person hinter einem Vorhang des offenstehenden Fensters zu ver-

stecken versuchte. Auf Grund dieser Wahrnehmung gelang schließ-

lich auch die Ausforschung der beiden Jugendlichen.

Zu Frage 3:

Wie ich bereits erwähnt habe, wurde zwar auf die erstinter-

venierenden Beamten geschossen, diese jedoch nicht getroffen und

somit auch nicht verletzt. Aufgrund der Geräusche sowohl bei

Abgabe der Schüsse als auch beim Aufprall der auf sie abge-

schossenen Munitionsgegenstände konnte von den Beamten jedoch

vertretbar angenommen werden, daß die Geschosse von einer Schuß-

waffe stammten .

Betreffend Spielzeugpistolen von der Art der "Soft Air Gun" darf

ich darauf hinweisen, daß in der Vergangenheit wiederholt Sach-

beschädigungen und sogar eine Körperverletzung verursacht wurden,

indem Glühbirnen und Hoflampen sowie die Scheibe eines Kfz zer-

stört wurden und einem 11jährigen Buben sogar der linke obere

Schneidezahn ausgeschossen wurde. Die Gefährlichkeit derartiger

Gegenstände soll man daher nicht unterschätzen.

Zu Frage 4:

Die beiden ersteinschreitenden Beamten befanden sich auf dem

gegenüberliegenden Gehsteig des Hauses Hetzgasse 24, als sie be-

schossen wurden . Wie ich bereits in der Antwort zu Frage 3 aus-

führte, boten sich den Beamten keinerlei Anhaltspunkte dahin-

gehend, daß es sich bei der gegenständlichen "Waffe" um eine

Spielzeugpistole handelte. Das Alter des Schützen ist im vor-

liegenden Zusammenhang unerheblich, zumal durch mißbräuchliche

Verwendung derartigen " Spielzeugs " - wie bereits erwähnt - jeden-

falls besonders geschützte Rechtsgüter gefährdet werden können.

Zu Frage 5:

Im Zuge der Erhebungen vor Ort wurde festgestellt, daß zwei

Wohnungen als Standort des Schützen in Frage kamen. Da lediglich

in einer der beiden Wohnungen eine Person aufrecht gemeldet war,

konzentrierte sich das Einschreiten der Sicherheitskräfte natur-

gemäß zuerst auf diese Wohnung. Nachdem der Wohnungsinhaber über

Ersuchen die Wohnung selbst geöffnet hatte, machte er jedoch

Anstalten, in die Wohnung zurückzugehen; daraufhin wurde er

unter Anwendung von Körperkraft aus der Wohnung gebracht und

mittels Festhaltegriffs fixiert, um einem möglichen Angriff

seinerseits zuvorzukommen .

§ 3 der Richtlinienverordnung normiert nämlich die Verpflichtung

der Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes, auf die Eigen-

sicherung Bedacht zu nehmen. Es sind daher im Zuge der Amtshand-

lung die jeweils notwendigen Maßnahmen zu setzen, um einen An-

griff auf einschreitende Organe oder andere Personen zu ver-

hindern. Im vorliegenden Fall war für die einschreitenden

Beamten auf Grund der Kleidung des Mannes (er trug Hauskleidung)

a priori nicht feststellbar, ob er eine Waffe bei sich hatte oder

nicht. Das Einschreiten im konkreten Fall erfolgte daher unter

Beachtung der im Rahmen der Eigensicherung notwendigen Sorgfalt.

Zu Frage 6:

Die Großmutter des Angezeigten F. , Catherine, kam im Laufe der

Amtshandlung in die Wohnung und wurde sogleich über den Vorfall

in Kenntnis gesetzt.

Zu Frage 7:

Siehe Antwort zu Frage 6.

Zu Frage 8:

Ich wurde darüber informiert, daß die beiden Jugendlichen weder

vor der Feststellung des tatsächlichen Sachverhaltes noch danach

von den einschreitenden Beamten in irgendeiner Weise unter Druck

gesetzt wurden. Im Zuge der Amtshandlung erfolgte lediglich eine

routinemäßige Befragung zum Tathergang sowie die Feststellung der

für die Erstattung der Anzeige notwendigen Daten. Weiters wurde

die vorläufige Sicherstellung der "Tatwaffe" vorgenommen .

Zu Frage 9:

Die beiden ersteinschreitenden Beamten haben begründet das Vor-

liegen des Verdachtes einer gerichtlich strafbaren Handlung gemäß

§ 270 StGB angenommen und die beiden Jugendlichen nach dieser

Bestimmung (sowie gem. § 89 StGB) zur Anzeige gebracht.

Nach erfolgter Einvernahme der beiden Jugendlichen im Bezirks-

polizeikommissariat Wien-Landstraße wurde vom zuständigen rechts-

kundigen Beamten jedoch das Vorliegen des Verdachtes der ver-

suchten Körperverletzung angenommen und lediglich eine Anzeige

gem. § 15 i .V.m. § 83 StGB an den Jugendgerichtshof Wien er-

stattet. Die abschließende Würdigung der Strafrechtsrelevanz des

aufgezeigten Verhaltens obliegt daher dem Strafgericht.

Zu Frage 10:

§ 89 StGB ( Gefährdung der körperlichen Sicherheit ) schützt Leib

und Leben. Es wird somit sowohl die körperliche Integrität als

auch die Gesundheit zum Schutzobjekt dieser Bestimmung erhoben .

Es handelt sich hiebei um ein der Strafbarkeit nach sonstigen

strafrechtlich relevanten Delikten ( z . B . Körperverletzung) vorge-

lagertes konkretes Gefährdungsdelikt, wobei bereits die konkrete

Gefährdung einer einzelnen Person tatbestandsmäßig ist. Von

besonderer Relevanz ist in diesem Zusammenhang eine qualifizierte

Gefährlichkeit, welche zum Zeitpunkt der Handlungsvornahme aus

der ex ante - Sicht des objektiven Beobachters eine außerge-

wöhnlich hohe Verletzungewahrscheinlichkeit begründet. Im Lichte

des obigen Sachverhaltes und des Beschießens von Privatpersonen

und einschreitenden Sicherheitswachebeamten war für letztere

somit jedenfalls der Verdacht der Gefährdung der körperlichen

Sicherheit gegeben, weshalb sie die beiden Jugendlichen gem. § 89

StCB zur Anzeige brachten. Doch auch in diesem Fall wurde

seitens des vernehmenden Juristen des Bezirkspolizeikommis-

sariates Wien-Landstraße lediglich das Vorliegen des Verdachts

der versuchten Körperverletzung angenommen und wie in Antwort zu

Frage 9, letzter Absatz beschrieben, vorgegangen.

Zu Frage 11:

Die Feststellung des relevanten Sachverhaltes durch die Sicher-

heitsbehörde inkludiert die Befragung eines Verdächtigen vor der

Erstattung der Anzeige einer Strafverfolgungsbehörde. Diese

Einvernahme dient jedoch auch der Rechtfertigung des Ver-

dächtigen. Weiters kann die Aussage der Entlastung dienen. Die

Befragung der beiden Jugendlichen erfolgte unter Beachtung der

Bestimmungen des Jugendgerichtsgesetzes. sie wurden im Beisein

ihrer Mütter und eines Rechtsvertreters einvernommen .

Die Prüfung der Amtshandlung im Hinblick auf die Verhältnis-

mäßigkeit zeigt, daß das Einschreiten grundsätzlich erforderlich

war. Die Sicherheitsbehörden und ihre Organe sind verpflichtet,

allgemeine Gefahren abzuwehren und gefährlichen Angriffen ein

Ende zu setzen. Dem Grundsatz, daß das Ziel des polizeilichen

Agierens eingriffsfrei erreicht wird, wurde insoferne ent-

sprochen, als bezüglich der beiden Jugendlichen die Aufforderung

ergangen ist, die Wohnung zu öffnen. Es wurde somit lediglich

Befehlsgewalt ausgeübt und nicht in das Eigentum oder in das

Recht auf persönliche Freiheit eingegriffen. Ein aktiver Ein-

griff in das Grundrecht auf Unverletzlichkeit des Eigentums er-

folgte lediglich - wie ich meine zu Recht - durch die vorläufige

Beschlagnahme der "Soft Air Gun" samt Munition. Diese Maßnahme

erfolgte auf der Grundlage des § 143 StPO.

Zu Frage 12:

Aus den mir vorliegenden Informationen sehe ich keine Veran-

lassung, daß sich einschreitende Sicherheitswachebeamte bei den

Jugendlichen entschuldigen sollten.

Bezüglich des Nachbarn der beiden Jugendlichen darf ich darauf

hinweisen, daß dieser von den gesetzten Maßnahmen bzw. deren

Notwendigkeit bereits durch die einschreitenden Beamten an Ort

und stelle in Kenntnis gesetzt worden ist. Der Einsatzleiter hat

sich bei der betroffenen Person unverzüglich vor Ort entschuldigt

und auf das aufgrund des festgestellten Sachverhaltes notwendige

Einschreiten verwiesen .

Zu Frage 13:

Es wurden keine Disziplinarmaßnahmen gegen die betroffenen

Beamten gesetzt, weil nach den einschlägigen Bestimmungen des BDG

1979 ein Beamter nur dann zur Verantwortung zu ziehen ist, wenn

er schuldhaft seine Dienstpflichten verletzt. Im konkreten Fall

sehe ich - wie aus den vorstehenden Antworten zu entnehmen ist -

keine Anhaltspunkte für ein pflichtwidriges Vorgehen der mit der

Amtshandlung befaßt gewesenen Beamten.

Zu Frage 14:

Ergibt sich aus der Antwort zu Frage 13 .

Zu Frage 15:

Ergibt sich aus der Antwort zu Frage 13 .