2005/AB XX. GP

Eingelangt am 18.04.1997
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BM für Inneres

Anfragebeantwortung

2005/AB XX.GP

 

Die Abgeordneten zum Nationalrat Rudolf ANSCHOBER, Freundinnen und

Freunde haben am 18. Februar 1997 unter der Nr. 2004/J an mich

eine schriftliche parlamentarische Anfrage betreffend "Übergriffe

der Polizei und Gendarmerie" gerichtet, die folgenden Wortlaut hat:

"1) Wie lautet der Polizeibericht über nachstehend mit Datum, Opfer

und Ortsangabe bezeichneten Vorfall?

2) Wurde gegen in diesen Vorfall verwickelten Beamte Strafanzeige

erstattet?

3) Falls Strafverfahren gegen in den Vorfall verwickelte Beamte

stattfanden, wie endeten diese Verfahren in erster, wie in

zweiter Instanz?

4) Falls es rechtskräftige Verurteilungen von in diese Verfahren

verwickelte Beamte gab, welche dienstrechtlichen Konsequenzen

wurden gezogen?

5 ) Falls es zu Versetzungen von Beamten kam, in welche Kommissari-

ate bzw. Gendarmerieposten erfolgten diese?

6) Wurden gegen den Beschwerdeführer im Zusammenhang mit der

Strafanzeige gegen die Polizeibeamten strafrechtliche Schritte

eingeleitet?

7) Bejahendenfalls: Nach welchen Bestimmungen des Strafgesetzbu-

ches wurden strafrechtliche Schritte gegen den Beschwerdeführer

eingeleitet?

8) Wurde gegen einen der beschuldigten Beamten bereits einmal ein

Disziplinarverfahren eingeleitet? Wenn ja, warum und wie ende-

te dies ?

9) Wann nach der Festnahme wurde eine Vertrauensperson, wann ein

Rechtsbeistand verständigt?

10 ) Wann konnte die Vertrauensperson, wann der Rechtsbeistand mit

dem Betroffenen erstmals Kontakt aufnehmen (genauer Zeitpunkt)?

11) Wurde vom Betroffenen eine ärztliche Untersuchung verlangt?

Wenn ja, wurde diese durchgeführt?

12) Falls eine ärztliche Untersuchung durchgeführt wurde, wann

wurde diese durchgeführt (genauer Zeitpunkt) und was ergab

diese Untersuchung?

Seit Übernahme der Verantwortung im Innenressort bin ich bestrebt,

Vorwürfe, die gegen Beamte erhoben werden, rasch und unvoreingenom-

men prüfen zu lassen, damit Beamte, die sich Fehlleistungen zu

Schulden kommen haben lassen, zur Verantwortung gezogen werden oder

unwahre Anschuldigungen so schnell wie möglich als solche erkennbar

werden.

Zur gegenständlichen Anfrage halte ich grundsätzlich fest, daß es

Aufgabe der Sicherheitsexekutive ist, bei Störung der Rechtsordnung

diese im Interesse der Allgemeinheit zu gewährleisten. Soweit

gesetzlich vorgesehen, kann und hat dies auch unter Anwendung von

Zwangsmitteln zu geschehen, wobei aber die Angemessenheit der Mit-

tel von den vollziehenden Organen keinesfalls außer Acht gelassen

werden darf. Die Durchsetzung der Rechtsordnung zum Schutz des

Lebens, der Gesundheit, der Freiheit und des Eigentums der Bürger

sowie zum Schutz des Friedens in der Gemeinschaft ist untrennbar

mit dem Eingriff in Rechte Dritter verbunden. Die Tatsache, daß

hier Eingriffe in besonders sensible und schützenswerte Güter, wie

jene der persönlichen Freiheit und der körperlichen unversehrtheit

erfolgen können und auch erfolgen, machen besondere Bemühungen bei

Ausbildung und Dienstaufsicht unumgänglich. Ziel muß es sein, bei

gleichzeitiger Wahrung der Effizienz der Sicherheitsbehörden einer-

seits die Belastung der Betroffenen durch Grundrechtseingriffe so

gering wie möglich zu halten.

Seit Anfang des letzten Quartals des Jahres 1996 ist das

"Informationsblatt für festgenommene Erwachsene" in sechszehn Spra-

chen verfügbar, das zur Anwendung kommt, um einen der deutschen

Sprache nicht ausreichend mächtigen Festgenommenen unmittelbar nach

seiner Festnahme, in einer für ihn verständlichen Sprache, grund-

sätzlich über seine Rechte zu informieren.

Im Zusammenhang mit den Haftbedingungen in den den Sicherheits- und

Justizbehörden zuzurechnenden Einrichtungen und Anstalten wurde

seitens des CPT empfohlen, ein aus unabhängigen Personen bestehen-

des Gremium einzurichten, das befugt sein soll, Hafträumlichkeiten

jederzeit zu inspizieren und mit den darin angehaltenen Personen in

Kontakt zu treten. Seitens des Bundesministeriums für Inneres

wurde vorerst geprüft, ob die Einrichtung eines solchen Gremiums im

Rahmen der geltenden Gesetze möglich sei. Es hat sich gezeigt, daß

hiezu legislative Schritte erforderlich sind. Die diesbezüglichen

Vorarbeiten sind innerhalb meines Hauses bereits in die Wege gelei-

tet.

Im örtlichen Wirkungsbereich der Sicherheitsdirektion für das Bun-

desland Oberösterreich wird im 2 . Quartal des Jahres 1997 ein

Modellprojekt in Angriff genommen, im Rahmen dessen der Versuch

unternommen wird, mit Zustimmung des Betroffenen den Inhalt und die

Umstände der Einvernahme von Menschen, die bestimmter, gerichtlich

strafbarer Handlungen verdächtig sind, mittels Videoaufzeichnungen

(ergänzend) zu dokumentieren.

Das CPT hat weiters betont, daß eine professionelle Ausbildung die

wichtigste Voraussetzung für die Verhinderung von Polizeiübergrif-

fen sei. Da sich diese Einschätzung mit meiner Überzeugung von der

Notwendigkeit einer fundierten Aus- und Weiterbildung aller Mitar-

beiter deckt, bin ich bestrebt, die Schulung gerade im Bereich der

Menschenrechte auszubauen. Als eine solche Maßnahme ist beispiels-

weise die Einsetzung einer Projektgruppe zu sehen, die sich, unter

Führung eines Projektstabes, mit der Konzeption und Realisierung

eines Projektes zum Thema "Menschenrechte und Polizei" auf lokaler

Ebene beschäftigt. Ziel soll eine verstärkte und bewußte Auseinan-

dersetzung von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes mit

damit im Zusammenhang stehenden Fragenkomplexen sein. Im übrigen

wird alles unternommen, um den permanenten Weiterbildungsprozeß

aller Ressortangehörigen durch die Einrichtung entsprechender Bil-

dungsstätten und Bildungsangebote sicherzustellen.

Die routinemäßige Untersuchung eines festgenommenen Menschen unmit-

telbar nach seiner Festnahme ist grundsätzlich erst nach Überstel-

lung zu einer Sicherheitsbehörde möglich. Unter Bedachtnahme auf

die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte

in der Rechtssache RIBITSCH gegen Österreich kommt der Dokumenta-

tion bereits bei der Festnahme vorhandener oder während der Anhal-

tung entstandener Verletzungen eines Menschen besondere Bedeutung

zu. somit ist - unabhängig von einem Verlangen eines Festgenomme-

nen - umgehend eine ärztliche Untersuchung vorzunehmen, wenn dieser

Verletzungen aufweist oder solche im Verlaufe einer Amtshandlung

entstanden sind. Unabhängig davon wird der Betroffene im

"Informationsblatt für festgenommene Erwachsene" darauf hingewie-

sen, daß er das Recht hat, der amtsärztlichen Untersuchung einen

Arzt seiner Wahl beizuziehen.

Insgesamt erscheint mir ein umfangreiches Paket an Maßnahmen ver-

wirklicht oder in die Wege geleitete worden zu sein, das einerseits

die Sicherheitsexekutive nicht an der Erfüllung ihrer Aufgaben

hindert und andererseits dem Bürger vor ungerechtfertigter Polizei-

gewalt Schutz gewährt.

Im einzelnen beantworte ich diese Anfrage nach den mir vorliegenen

Informationen wie folgt:

Zu Frage 1:

Am 18.5.1995, um 20.50 Uhr, wurde N.N. in Wien 23. , Heu-

dörfelgasse 14 (nicht wie in der parlamentarischen Anfrage ange-

führt in Wien 10., Südbahnhof/anschließend Kommissariat Van-der-

Nüllgasse) wegen des Verdachtes der Begehung von Verwaltungsüber-

tretungen gemäß § 1 des Wiener Landessicherheitsgesetzes und § 82

des Sicherheitspolizeigesetzes (aggressives Verhalten gegenüber

einem Organ der öffentlichen Aufsicht) gemäß § 35 Z . 3 VStG vor-

läufig festgenommen. Der Festnahme ging ein Streit zwischen N.N.

und einer anderen Frau voran, die sich mit ihren Hunden auf einem

Spaziergang befanden. In der Folge eskalierte der Streit und war

schließlich der Anlaß für das polizeiliche Einschreiten. Bei der

Festnahme setzte N.N. die gerichtlich strafbaren Tatbestände des

tätlichen Angriffs auf einen Beamten gemäß § 270 StGB und der

schweren Körperverletzung gemäß §§ 83, 84 StGB, indem sie sich

loszureißen und zu flüchten versuchte, sowie mit der mitgeführten

Hundeleine, an deren Ende ein Karabiner befestigt war, auf einen

Beamten einschlug. Der Beamte erlitt dadurch im Bereich des linken

Schulterblattes eine striemenförmige Rötung. Diese Verletzungen

wurden im Zuge einer amtsärztlichen Untersuchung diagnostiziert.

Aufgrund des Verhaltens von N.N. mußte zur Durchsetzung der Fest-

nahme Körperkraft gemäß §§ 2 Z. 2 und 3 i.V.m. 4 des Waffenge-

brauchsgesetzes 1969 angewendet und die Handfesseln angelegt wer-

den. Diese wurden, nachdem die Festgenommene mittels Streifen-

kraftwagens ins Polizeikommissariat Liesing überstellt und über

Anordnung des Zentraljournalbeamten in den Arrest abgegeben wurde,

wieder abgenommen. Während der gesamten Amtshandlung wurden die

einschreitenden Beamten von N.N. als "Nazi" und "Nazischweine"

beschimpft .

Zu Frage 2:

Ja.

Zu Frage 3:

Die Anzeigen wurden von der Staatsanwaltschaft Wien gem. § 90 Abs.

1 StPO zurückgelegt.

Zu Frage 4:

Wie sich aus der Beantwortung der Frage 3 ergibt, wurden die

Sicherheitswachebeamten nicht verurteilt.

Zu Frage 5:

Es erfolgten keine Versetzungen.

Zu den Fragen 6 und 7:

Gegen die Beschwerdeführerin wurde, da sie mit einer Hundeleine, an

deren Ende ein Karabiner befestigt war, auf einen Beamten ein-

schlug, Strafanzeige wegen Verdachtes der schweren Körperverletzung

(§§ 83 und 84 StGB) und des tätlichen Angriffes auf einen Beamten

(§ 270 StGB) erstattet.

Weil N.N. die beiden eingeschrittenen Sicherheitswachebeamten

mit den Worten "Nazi" und "Nazischweine" beschimpfte und dies auch

gestanden hatte, wurde sie weiters wegen Verdachtes der Beleidigung

der Staatsanwaltschaft Wien angezeigt; seitens der Bundespolizei-

direktion Wien wurde hiezu die Ermächtigung zur Strafverfolgung

gem. § 117 Abs. 2 StGB erteilt.

Zu Frage 8:

Gegen keinen der beiden mit der Amtshandlung befaßt gewesenen

Sicherheitswachebeamten wurde bislang ein Disziplinarverfahren

eingeleitet.

Zu den Fragen 9 und 10:

N.N. verständigte am 18 . Mai 1995 , um 21 . 25 Uhr, eine Ver-

trauensperson.

Die Verständigung eines Rechtsbeistandes wurde von N.N. nicht

verlangt.

Zu Frage 11:

Nein.

Zu Frage 12:

Da von N.N. während der gesamten Amshandlung keine Verlet-

zung behauptet wurde, ist am 18 . Mai 1995 , um 22.00 Uhr, eine

amtsärztliche Untersuchung lediglich zum Zwecke der Feststellung

der Haftfähigkeit vorgenommen worden.

Dabei wurde festgestellt, daß N.N. nach Abnahme der Handfes-

sel leichte Rötungen an den Handgelenken aufwies, die durch das

wild gestikulierende Verhalten im Zuge der Festnahme entstanden

sind (vgl. auch die Antwort zu Frage 3).