2033/AB XX.GP

 

Die Abgeordneten zum Nationalrat Mag. Johann Ewald Stadler und Genossen haben am 27.

Februar 1997 unter der ZI. 2089/J an mich eine schriftliche parlamentarische Anfrage

betreffend die grenzüberschreitende Tätigkeit fiir Selbständige im Europäischen

Wirtschaftsraum (EWR) gerichtet, die folgenden Wortlaut hat:

"1. Ist es zutreffend, daß Angehörige freier Berufe wie Ärzte, die Bürger eines EWR-Staates

sind, deren Ausbildung den geltenden EU-respektive EWR-Richtlinien entsprechen und die

ihren Wohn- und Arbeitsort im EWR-Ausland haben, ihre Leistungen grenzüberschreitend

anbieten können?

* Wenn nein, warum nicht?

2. Trifft es zu, daß gemäß Art. 36 EWR-Abkommen der freie Dienstleistungsverkehr,

abgesehen von den besonderen Bestimmungen in den relevanten Anhängen des EWRA,

keinen Beschränkungen unterliegt?

* Wenn nein, warum nicht?

3. Gibt es sonstige EU- bzw EWR-rechtliche Bestimmungen, die einer Eröffnung einer

.Arztpraxis zur Berufsausübung (ohne Wohnsitznahme) entgegenstehen?

* Wenn ja, welche?

4. Sind Sie der Auffassung, daß die gesetzlichen Regelungen im Fürstentum Liechtenstein

(Verordnung vom 17. Dezember 1996 betreffend die .Abänderung der Verordnung über die

medizinischen Berufe, Liechtensteinisches Landesgesetzblatt Nr. 206, vom 27. Dezember

1996), wonach "der Arzt nicht mehr als eine Einzel- oder Gemeinschaftspraxis führen darf'

den oben genannten rechtlichen Bestimmungen uneingeschränkt entsprechen?

* Wenn ja, warum?

* Wenn nein, was wird Österreich diesbezüglich wann konkret unternehmen?

5. Sehen Sie in der Tatsache, daß gemäß österreichischem Ärztegesetz ein in Österreich zur

Berufsausübung berechtigter Arzt zwei Berufssitze (Ordinationsstätten) haben kann, im

Fürstentum Liechtenstein hingegen ein Arzt nicht mehr als eine Einzel- oder

Gemeinschaftspraxis führen darf, die Gleichbehandlung gegeben?

* Wenn nein, was werden Sie zur Herstellung gleicher Wettbewerbsbedingungen im EWR-

Raum unternehmen?

6. Gibt es auch in den anderen EWR-Mitgliedsstaaten hinsichtlich der Erbringung

grenzüberschreitender Dienstleistungen für Selbständige, insbesondere für Ärzte, ähnliche

Beschränkungen?

* Wenn ja, in welchen Mitgliedsstaaten und wie sehen die diesbezüglichen Regelungen in

den Mitgliedsstaaten aus ?"

Diese .Anfrage beantworte ich wie folgt:

Zu Frage 1 :

Auf der Grundlage der Richtlinie 89/48/EWG des Rates vom 2 1 .9. 1 988 über die allgemeine

Regelung zur Anerkennung der Hochschuldiplome. die eine mindestens dreijährige

Berufsausbildung abschließen (Diplomanerkennungsrichtlinie), und der Richtlinie

93/16/EWG vom 5.4.1993 zur Erleichterung der Freizügigkeit für Ärzte und zur gegenseitigen

Anerkennung ihrer Diplome, Prüfungszeugnisse und sonstigen Befähigungsnachweise

(Ärzterichtlinie) gilt, daß wer in einem EWR-Mitgliedstaat ansässig ist und dort eine

reglementierte berufliche Tätigkeit ausübt, das Recht erwirbt, sich in allen anderen

Mitgliedstaaten niederzulassen bzw. seine Dienstleistungen grenzüberschreitend anzubieten.

Die beiden Richtlinien regeln auch, unter welchen Bedingungen Befähigungsnachweise aus

anderen Mitgliedstaaten anerkannt werden müssen und inwieweit der Aufnahmestaat

Zusatzerfordernisse aufstellen darf.

Zu Frage 2:

Die Frage ist mit ja zu beantworten. In diesem Zusammenhang darf auf die in den o.a.

einschlägigen Sekundärrechtsakten enthaltenen näheren Bestimmungen über die Ausübung

der Dienstleistungsfreiheit verwiesen werden.

Zu Frage 3 :

Hinsichtlich dieser Frage wäre zunächst zu prüfen, ob es sich um einen Fall der

Dienstleistungsfreiheit oder Niederlassungsfreiheit handelt. Maßgeblich für die Abgrenzung

ist nach der Judikatur des EuGH das Gesamtverhalten des Selbständigen unter

Berücksichtigung der Eigenart der jeweiligen Tätigkeit (vgl. etwa EuGH, Urteil vom

12.12.1974, Rs. 33/74, van Binsbergen). Im übrigen wird auf die Antwort auf Frage 1

verwiesen.

Zum allfälligen Erfordernis der Wohnsitznahme hat der EuGH in der Rs. 39/75 (Urteil vom

26.11.1975) folgendes festgehalten: "Nach alledem sind die Bestimmungen des EWG-

Vertrages, vor allem die Artikel 59, 60 und 65, dahin auszulegen, daß innerstaatliche

Rechtsvorschriften die Erbringung von Dienstleistungen durch in einem anderen Mitgliedstaat

ansässige Personen nicht durch das Erfordernis eines Wohnsitzes im Inland unmöglich

machen dürfen, wenn mit Hilfe weniger einschränkender Maßnahmen die Einhaltung der

Berufsregelungen gewährleistet werden kann, die für die Dienstleistung im Inland gelten."

Zu Frage 4:

Aus dem Wortlaut der liechtensteinischen Norm, der in der vorliegenden parlamentarischen

Anfrage zitiert wird, ist eine EWR-Vertragswidrigkeit nicht erkennbar. Liechtenstein ist im

Sinne des Art. 6 EWR-A verhalten, seine nationalen Vorschriften im Lichte der Judikatur des

EuGH auszulegen. Sollten sich in konkreten Fällen Bedenken hinsichtlich einer EWR-

widrigen Anwendung dieser Bestimmung ergeben, stehen die durch das EWR-A gegebenen

Möglichkeiten zur Beseitigung eines solchen rechtswidrigen Zustandes zur Verfügung.

Zu Frage 5 :

Da das EWR-Recht keine Angleichung der Rechtsvorschriften betreffend den Berufssitz von

Ärzten verlangt, ergeben sich insofern keine Anhaltspunkte für eine EWR-widrige

Diskriminierung.

Zu Frage 6:

Meinem Ressort sind derzeit keine Beschwerden von österreichischen Staatsbürgern über

Beschränkungen betreffend den Berufssitz von Ärzten in anderen EWR-Mitgliedstaaten

bekannt. Die Erfüllung der Verpflichtungen aus dem EWR-A wird gemäß dessen Art. 109

durch die EFTA-Überwachungsbehörde bzw. die Europäische Kommission überwacht.