2057/AB XX.GP

 

Die schriftliche parlamentarische Anfrage Nr. 2074/J-NR/97 betreffend Rechtschreibreform,

die die Abgeordneten Karl Öllinger und Freundlnnen am 27. Februar 1997 an mich richteten,

wird wie folgt beantwortet:

1. Welcher Art ist die gesetzliche oder rechtliche Grundlage, auf der die Vereinbarung

zwischen den deutschsprachigen Ländern und den Ländern mit deutschsprachigen

Minderheiten geschlossen wurde?

Antwort:

Am 1. Juli 1996 wurde in Wien die "Gemeinsame Absichtserklärung" zur Neuregelung der

deutschen Rechtschreibung von Regierungsvertretern aus Belgien, Deutschland, Italien,

Liechtenstein, Rumänien, der Schweiz und Ungarn und von mir in der Funktion als Bundes-

ministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten der Republik Österreich unterzeichnet.

Bei dieser Absichtserklärung handelt es sich um keinen völkerrechtlichen Vertrag, sondern um

eine politische Absichtserklärung maßgeblicher Stellen. Da es sich um keinen gesetzesändernden

und gesetzesvertretenden Staatsvertrag handelt, bedarf es deshalb auch keiner gesetzlichen

Grundlagen. Diese Absichtserklärung wurde im Rahmen der nichthoheitlichen Verwaltung als

gegenseitige Absichtserklärung (memorandum ofunderstanding) ohne stringente Rechtswirkung

abgeschlossen. Aus Sicht des Verfassungsdienstes des Bundeskanzleramtes handelt es sich bei

der gesprochenen wie bei der geschriebenen Sprache um einen gesellschaftlichen Konventions-

bereich, auf den zwar das Recht verweist, der aber nicht im Detail vom Recht zu regeln ist.

Die zuständigen Stellen der Unterzeichnerländer haben sich dieser Auffassung angeschlossen.

2. Welche Geltung kommt daher der Rechtschreibreform zu, d.h. in welchen Wirkungs-

bereichen kommt sie verbindlich zur Anwendung und in welchen Wirkungsbereichen

besteht sie nach freier Vereinbarung?

Antwort:

Wie das Regelwerk von 1901/1902 wird auch die neue amtliche Rechtschreibung lediglich für

diejenigen Institutionen, für die der Staat in dieser Hinsicht Regelungskompetenz besitzt,

verbindlich sein. Das sind einerseits die Schulen und andererseits die Behörden. Darüber hinaus

soll sie Vorbildcharakter für alle anderen Bereiche haben, in denen sich die Sprachteilhaber an

einer möglichst allgemein gültigen Rechtschreibung orientieren möchten. Was den Schul-

bereich betrifft, so handelt es sich um die Festlegung eines Lehrinhaltes, der aufdas Schul-

organisationsgesetz als gesetzliche Grundlage zu stützen ist. Aus der Sicht des Verfassungs-

dienstes des Bundeskanzleramtes schafft die Rechtschreibreform keineswegs eine allgemeine

Rechtspflicht für die einzelnen Bürger und Bürgerinnen, sich an die neuen Regeln zu halten,

und berührt daher auch nicht deren grundrechtliche Stellung.

3. Wie wirkt sich die Rechtschreibreform innerhalb des bestehenden Urheberrechts auf

die Rechte von Urheberlnnen im Schul- und Lehrbuchbereich aus? Insbesondere:

Sind Änderungen nach den Regeln der Rechtschreibreform auch gegen den Willen

von Autorlnnnen und Rechtsnachfolgerlnnen in Schul- und Lehrbüchern auf der

Grundlage des derzeit bestehenden Urheberrechtsgesetzes zulässig?

Antwort:

Die Angelegenheit des Urheberrechtes fallen in den Wirkungsbereich des Bundesministeriums

für Justiz, die Frage wäre daher an den Herrn Bundesminister für Justiz zu stellen.

4. Wie hoch sind die Kosten der Rechtschreibreform, und wer sind die Trägerinnen

dieser Kosten?

a) Mit welchen Kosten ist die Umsetzung der Rechtschreibreform für die öffentliche

Haushalte des Bundes, der Länder, der Städte und Gemeinden verbunden?

b) Mit welchen Kosten ist die Umsetzung der Rechtschreibreform für Verlage im

Schulbuchbereich, für Verlage außerhalb des Schulwesens verbunden?

c) Mit welchen Kosten ist die Umsetzung der Rechtschreibreform für Schülerlnnen

und Eltern verbunden?

d) Wenn keine Zuordnungsmöglichkeit besteht: Mit welchen Kosten ist die

Umsetzung der Rechtschreibreform insgesamt verbunden und für wen fallen die

Kosten voraussichtlich an?

Antwort:

Grundsätzlich sind exakte Kostenangaben nicht möglich weil über den Bereich der Bundes-

dienststellen und Schulen hinaus keine rechtliche Verpflichtung zur Reformumsetzung besteht

und daher auch kein zwangsläufiger Aufwand entsteht.

Seitens meines Ressorts werden allen Bundesdienststellen sowie anderen Gebietskörper-

schaften bzw. Verwaltungsbereichen kostenlose Schulungen angeboten,

Um Kosten zu sparen werden im Verwaltungsbereich alle vorhandenen Formulare etc.-in

Papierform aufgebraucht; die Umstellung auf die neue Rechtschreibung erfolgt jeweils erst bei

einer Neuauflage.

Aufgrund der langen Übergangsfrist (bis 31.7.2005) können Schulbücher - mit Ausnahme der

Rechtschreib-Lernmittel - kontinuierlich im Zuge des normalen Erneuerungsprozesses umge-

stellt werden. So werden bei der Neugestaltung der Schulbücher Rechtschreibreform und

Lehrplanreform berücksichtigt, um Kosten zu sparen.

Den Schulbuchverlegern wurde nach den Verhandlungen mit dem Bundesministerium für

Umwelt, Jugend und Familie eine generelle Preiserhöhung von 0,5% (ca. 8 Mio. S) gewährt.

In dieser generellen Preiserhöhung sind auch die Anhebung der Papierpreise sowie die Anhe-

bung der Lohnkosten für das graphische Gewerbe inkludiert.

Da die Zuständigkeit für den Schulbuchbereich im Bundesministerium für Umwelt, Jugend und

Familie gegeben ist, wäre die Frage der Umsetzungskosten im Schulbuchbereich primär an

dieses Ressort zu richten,

In der Lehreraus- und -weiterbildung fallen durch interne Budgetumschichtungen keine zusätz-

lichen Kosten an.

Die beschlossene Reform ist keine Zäsur der dramatischen Art. Ihre vorsichtigen Retuschen

werden Texte in der bisherigen Rechtschreibung keineswegs plötzlich schwer lesbar machen.

Es besteht daher keine Notwendigkeit, vorhandene literarische Produktionen aufdie neue

Rechtschreibung umzustellen.

Um die Kosten möglichst gering zu halten, ist die vorgesehene Übergangszeit lang bemessen

und Verlage können selbst bestimmen, wann sie Werke aufdie neue Rechtschreibung umstellen

werden.

5. Sie haben in einer Stellungnahme zu einem allfälligen ablehnenden Beschluß des

deutschen Bundestages zur Rechtschreibreform die Absicht geäußert, daß bei einer

Rücknahme durch die BRD auch Österreich die Reform zurücknehmen werde. Wie

stellen Sie sich eine derartige Rücknahme vor, zumal mittlerweile in ersten Volks-

schulklassen schon nach den neuen Regeln unterrichtet wird? Bedeutet eine derartige

Ankündigung ihrerseits nicht eine grobe Verunsicherung der LehrerInnen und

Schülerlnnen, die jetzt schon nach den neuen Regeln unterrichten? Müssen insbe-

sondere die SchülerInnen dann wieder umlernen?

6. Welche Kosten würden durch eine derartige Rücknahme entstehen?

7. Wenn Sie die Rücknahme an eine Entscheidung des deutschen Bundestages koppeln,

bedeutet das nicht die Aufgabe der österreichischen Souveränität und die Dele-

gierung von Österreich betreffenden Entscheidungen an den deutschen Bundestag?

Sollte in diesem Fall nicht das österreichische Parlament die Entscheidung zu treffen

haben?

Antwort:

Da es unwahrscheinlich ist, daß die Unterzeichnerstaaten der Rechtschreibreform diese nun

aussetzen oder rückgängig machen wollen, habe ich keine Schritte unternommen, diese Reform

nun zurückzunehmen. Sie wird in der vorgesehenen Art umgesetzt, sodaß keine

Verunsicherung der Lehrerschaft zu befürchten ist.