2068/AB XX.GP

 

Die Abgeordneten zum Nationalrat Ingrid Tichy-Schreder und Kollegen haben an

mich eine schriftliche Anfrage, betreffend den Bericht des Bundesministers für Ju-

stiz, III-74 der Beilagen ("Schutz unserer Kinder"), gerichtet und folgende Fragen

gestellt:

"1 . Auf welche Art und Weise sollen bzw. könnten die in bezug auf die Problematik

"Internet und Kinderpornographie" auf gesamteuropäischer Ebene diskutierten

Regulierungsmaßnahmen (Selbstkontrolle, Filtersoftware, Kooperation bei der

internationalen Erarbeitung von Bewertungssystemen) funktionieren?

2. Welchen Input leistet das österreichische Justizministerium zu dieser Diskussi-

on auf europäischer Ebene? Welche Vorarbeiten, etwa in Form von Studien,

werden dafür im Justizministerium geleistet?

3. Gibt es darüber hinaus auch Ansätze eines globalen Lösungsversuchs?

4. Wie beurteilen Sie die strafrechtliche Verantwortlichkeit von Providern, die es

 nach Bekanntgabe kinderpornographischer Inhalte durch die Strafverfolgungs-

behörden unterlassen, den Zugang zu diesen Inhalten zu verhindern?

5. Könnte auf dieser Basis unter Anwendung nationalen Strafrechts im Weg der

internationalen Zusammenarbeit der Justizbehörden auch eine internationale

Bekämpfung der Verbreitung kinderpornographischer Anhalte im Internet be-

wirkt werden?"

Ich beantworte diese Fragen wie folgt:

Zu 1:

Soweit die im Rahmen der Europäischen Union laufenden Initativen angesprochen

sind, darf ich auf meinen Bericht betreffend "Schutz unserer Kinder" verweisen, der

ausführt, daß die angesprochenen Beratungen im Vollzugsbereich des für Telekom-

munikationsfragen zuständigen EU-Ministerrats geführt werden.

Aus meiner Sicht liegt das Hauptproblem beim Umgang mit Mißbräuchen des Inter-

net derzeit vor allem in den praktischen Schwierigkeiten der Rückverfolgbarkeit des

Urhebers eines Netzinhalts. Internationale rechtliche Regelungen werden in diesem

Bereich prinzipiell von der zukünftigen technischen Ausgestaltung der neuen Infor-

mationstechnologien auszugehen haben, weshalb hier wohl die Wahl eines interdis-

ziplinären Ansatzes geboten ist. Auch die dabei zu lösenden Vorfragen gehören -

wie schon in der Beantwortung der parlamentarischen Anfrage 1628/J-NR/1996

ausgeführt - primär nicht zu meinem Vollziehungsbereich.

Im Rahmen internationaler Lösungsversuche (die in höherem Maße als der Einsatz

des klassischen Strafrechts dazu geeignet erscheinen, Mißbräuchen effizient entge-

genzuwirken) könnte etwa die Ausarbeitung internationaler Instrumente ins Auge

gefaßt werden, in denen Mindeststandards für Netzanbieter und -benützer sowie de-

ren Beziehung zueinander ("know your customer,) festgelegt und Sanktionen bei

deren Verletzung vorgesehen werden. Soweit derzeit überblickbar, richten sich die

bisherigen Initiativen generell vor allem darauf, Benützern wie Betreibern des Inter-

net in ihrem jeweiligen Wirkungsbereich die Möglichkeit zu geben (aber auch gege-

benenfalls die Verpflichtung aufzuerlegen), einen verantortungsvollen Umgang mit

dem neuen Medium zu pflegen, um so diejenigen, die mit dem Internet Mißbrauch

treiben, isolieren und letztlich auch aufspüren und verfolgen zu können.

Zu 2:

Das Bundesministerium für Justiz liefert in diesem Zusammenhang - aufbauend auf

einer alle seine Vollziehungsbereiche erfassenden Analyse des bestehenden rechtli-

chen Instrumentariums für den Umgang mit den neuen Medien - insofern inhaltliche

Unterstützung, als zugrundeliegende (vor allem straf-)rechtliche Gegebenheiten auf

einzelstaatlicher wie europarechtlicher Ebene in die Diskussion eingebracht werden.

Soweit die im Rahmen des Europarats begonnene Initiative angesprochen ist, muß

ich mitteilen, daß das betreffende Expertenkomitee "crime in cyberspace" seine Be-

tatungen noch nicht aufgenommen hat.

Zu 3:

Globale Ansätze haben sich in meinem Zuständigkeitsbereich - soweit mir bekannt -

noch nicht ergeben.

Zu 4...

Zunächst ist darauf hinzuweisen, daß die strafrechtliche Verantwortlichkeit für straf-

rechtswidrige Netzwerkinhalte prinzipiell einmal deren Urheber trifft. Bei den Anbie-

tern von Netzwerkdiensten (Providern) wird allgemein zwischen dem bloßen Ac-

cess-Provider, der den Benützern lediglich die technische Möglichkeit zum Einstieg

in das Internet bietet, und dem Service-Provider unterschieden, der zusätzliche

Dienstleistungen (wie etwa die Abfragemöglichkeit von Datenbanken, Mailinglists

oder Newsgroups) anbietet. Dazu wird gelegentlich die Meinung vertreten, daß die-

se Unterscheidung insofern strafrechtsrelevant sei, als nur die Anreicherung mit ei-

genen Inhalten, nicht aber die bloße Zurverfügungstellung eines Netzzugangs im

Bereich der strafrechtlichen Verantwortlichkeit Bedeutung haben soll.

Dem ist aus meiner Sicht entgegenzuhalten, daß in der Praxis kaum ein Pro-

vider einem Idealtypus zuzuordnen ist und überdies Zwischenformen, etwa mode-

rierte, also redaktionell bearbeitete, Diskussionsforen vorkommen. Weiters ist zu be-

denken, daß etwa § 207a StGB in seinem Abs. 1 Z 2 den unter Strafe stellt,

der einem anderen pornographische Darstellungen mit Unmündigen anbietet, ver-

schafft, vorführt oder sonst zugänglich macht. Insbesondere die zuletzt genannte

Begehungsform kann insofern bedeutsam sein, als wohl jeder Provider es ernstlich

für möglich halten wird, daß über die von ihm hergestellte Verbindung zum Internet

(mag er auch ohne weiteres Dienstleistungsangebot im Verkehr auftreten) straf-

rechtswidrige Inhalte transportiert werden. Auch überträgt § 16 Fernmeldegesetz

Betreibern von Fernmeldeanlagen die Verpflichtung, "alle geeigneten Maßnahmen

zu treffen, die eine mißbräuchliche Verwendung der Anlage ausschließen", wobei

mißbräuchlich unter anderem jede Nachrichtenübermittlung ist, die die öffentliche

Sicherheit und Ordnung gefährdet oder gegen Gesetze verstößt. Strafrechtlich rele-

vantes Verhalten eines Providers (der wohl im Sinn des Fernmeldegesetzes eine

Fernmeldeanlage betreibt) könnte sich daraus ergeben, daß er der Verpflichtung zur

Einrichtung entsprechender Vorkehrungen, etwa von Programmen, die gesetzwidri-

ge Inhalte aufspüren oder ausfiltern, nicht nachkommt und diese Unterlassung (§ 2

StGB) als haftungsbegründend angesehen werden könnte.

inwieweit die Erfüllung dieser Verpflichtungen technisch möglich und wirtschaftlich

zumutbar ist, ist im Lichte der fortschreitenden Entwicklung schwer einschätzbar.

Prinzipiell wird jedoch aus meiner Sicht spätestens mit dem Zeitpunkt der Bekannt-

gabe etwa kinderpornographischer Inhalte durch Strafverfolgungsbehörden für den

Provider eine Verpflichtung begründet, das jeweils technisch Mögliche und wirt-

schaftlich Zumutbare zu unternehmen, um den Zugang zu diesen strafgesetzwidri-

gen Inhalten zu unterbinden. Unterläßt er dies, so wäre damit grundsätzlich straf-

rechtliche Verantwortlichkeit - etwa im Sinn des § 207a StGB - begründet.

Zu 5:

Vorauszuschicken ist, daß dem Umstand, daß die Urheber strafrechtswidriger Netz-

inhalte häufig vom Ausland aus tätig werden, durch den weiten Tatortbegriff des

§ 67 Abs. 2 StGB ausreichend Rechnung getragen wird. Nach dieser Bestimmung

hat der Täter eine mit Strafe bedrohte Handlung an jedem Ort begangen, an dem er

gehandelt hat, hätte handeln sollen oder ein dem Tatbild entsprechender Erfolg

ganz oder zum Teil eingetreten ist. Jedenfalls bei den hier in Rede stehenden Delik-

ten ist davon auszugehen, daß mit dem "Einstellen" strafgesetzwidrigen Materials in

das Internet und dem folgenden Abruf und Speichern dieses Materials in Österreich

zufolge § 67 Abs. 2 StGB auch ein österreichischer Tatort begründet wird, was nach

§ 62 StGB die Geltung österreichischen Strafrechts mit sich bringt. Allgemein läßt

sich somit festhalten, daß mit den bestehenden materiellen Strafbestimmungen eine

durchaus weitreichende Grundlage für die strafrechtliche Verfolgung der Verbreitung

strafrechtswidriger Inhalte über Datennetze zur Verfügung steht.

Soweit die Verbesserung der polizeilichen Zusammenarbeit (auch über einen wei-

tergehenden Austausch der in nationalen Meldestellen erlangten lnformationen) hie-

für nicht ausreicht, wäre für eine wirksame grenzüberschreitende Strafverfolgung in

diesem Bereich eine Harmonisierung der materiellen Straftatbestände in den einzel-

nen Staaten zu erwägen. Solche Bemühungen haben sich aber in anderen Berei-

chen als sehr langfristige Projekte erwiesen, denen nahezu immer die Ausarbeitung

regionaler Instrumentarien voranging. Auch aus diesem Grund konzentrieren sich

die Anstrengungen meines Ministeriums auf die Mitarbeit in europäischen initiativen,

deren - auf adäquater Erfassung solcher Verhaltensweisen durch das nationale

Strafrecht aufbauender - erfolgreicher Abschluß mir als notwendige, aber auch viel-

versprechende Bedingung für globale Bemühungen erscheint.