2080/AB XX.GP

 

Die Abgeordneten zum Nationalrat Peter, Partnerinnen und Partner haben

am 27. Februar 1997 unter der Nr. 2099/J an mich eine schriftliche parla-

mentarische Anfrage betreffend Österreichisches Statistisches Zentralamt

gerichtet, die folgenden Wortlaut hat:

"1 . Wie stellt sich der Fall Kempf aus Ihrer Sicht dar, und wie begründen

Sie die mangelnde Flexibilität, die in die Strafverfügung mündet?

2. Eine Strafverfügung kommt einer Disziplinierung gleich. Im Sinne

einer produktiven Lösung, können Sie sich

a) auf den geschilderten Fall bezogen,

b) im allgemeinen

Alternativen zu einer solchen Vorgangsweise vorstellen? Erscheinen

lhnen solche Alternativen als notwendig?

3. Existiert Zahlenmaterial über die Häufigkeit der Anwendungen von

Sanktionen von seiten des ÖSTAT? Wie oft wurden im Zeitraum

1990 bis 1996 Sanktionen angewendet? Können Sie in Beantwor-

tung dieser Frage branchenspezifische Daten angeben?

.4 fehlt

5. Existieren Überlegungen, Befragungen etwa durch Marktforschungs-

institute durchführen zu lassen? Welche Position vertreten Sie in

diesem Zusammenhang?

6. Welche Reformansätze haben Sie überhaupt für den Bereich des

ÖSTAT entworfen?

7. Stichwort: Bürokratieabbau: Welche Vorschläge gibt es in dieser

Richtung von lhrer Seite? Gibt es aus Ihrer Sicht Anlaß für grund-

legende Reformen?

Wenn ja, wo setzen diese an?

Wenn nein, wie begründen Sie Ihre Ansicht, und wie stellen Sie sich

die wesentlichen Aufgabenbereiche des ÖSTAT für die Zukunft vor?"

Diese Anfrage beantworte ich wie folgt:

Zu Frage 1:

Zunächst möchte ich zu dem - vom Gewerbetreibenden unter anderem

auch bereits in den Medien dargestellten - Anlaßfall folgendes festhalten:

Den neuen Konjunkturerhebungen im produzierenden Bereich ist ein Kon-

zept inhärent, das unter Bedachtnahme auf die europäischen Vorgaben

im statistischen Bereich sowie unter Berücksichtigung nationaler lnteres-

sen gemeinsam mit den Vertretern der beratenden Gremien des Öster-

reichischen Statistischen Zentralamtes (Sozialpartner, Vertreter der fach-

lich zuständigen Ministerien bzw. Länder, Gemeinden und andere Daten-

benützer wie z.B. Wirtschaftsforschungsinstitute) entwickelt wurde und

gemäß der Verordnung des Bundesministers für wirtschaftliche Angele-

genheiten und des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft,

BGBl. Nr. 826/1995, zu vollziehen ist.

Die neuen, monatlich durchzuführenden Konjunkturerhebungen im pro-

duzierenden Bereich ersetzten seit Jänner 1996 die bisherigen Erhebun-

gen zur Industrie-, Gewerbe- und Baustatistik. Damit endete die monat-

liche Industriestatistik 1995 (etwa 8.000 Betriebe) mit der Erhebung für

Dezember 1995, die vierteljährliche Großgewerbestatistik (etwa 3.000

Betriebe) mit dem 4. Quartal 1995, die monatliche Bauindustriestatistik

(etwa 300 Unternehmen) sowie die monatliche Baugewerbestatistik (etwa

1.300 Unternehmen und Arbeitsgemeinschaften) mit der Erhebung über

den Berichtsmonat Dezember 1995. lm Bereich des Bauwesens wurden

die halbjährlichen Erhebungen über den Auftragsbestand (etwa 3.300

Unternehmen und ARGE) sowie die jährliche Baugerätemeldung (3.150

Unternehmen und ARGE) mit Jahresende 1995 eingestellt.

Die Erhebungsmasse zu den neuen Konjunkturerhebungen (rund 14.000

Unternehmen/Betriebe) entspricht dem Umfang nach jener Erhebungs-

masse, die den vorangegangenen Erhebungen zugrunde lag. Diese

waren nach kammersystematischen Gesichtspunkten (Kammergliede-

rung) aufgebaut, wodurch gewisse Bereiche des Gewerbes (Bauhilfs- und

Baunebengewerbe, produzierende Kleingewerbe) nicht Gegenstand

dieser Erhebungen waren.

Da die europäischen statistischen Normen keine Differenzierung nach

Gewerbe und Industrie, wie sie in Österreich vorherrschend war, vor-

nehmen, sind Gewerbebetriebe in statistischer Hinsicht in derselben

Weise zu behandeln wie bisher Industriebetriebe. Zur Erreichung der EU-

Qualitätskriterien war daher die Einbeziehung der Unternehmen nur ab

einer bestimmten Beschäftigtengrößenklasse als Kriterium möglich

(Konzentrationsstichprobe, generell ab 20 unselbständig Beschäftigten).

Aufgrund der Strukturierung einiger österreichischer Produktionsbereiche

in Klein- und Mittelbetriebe mußte die Beschäftigtenzahl als Auswahl-

kriterium in diesen Bereichen jedoch niedriger angesetzt werden (alle

Unternehmen mit mehr als 10 unselbständig Beschäftigten), um die

vorgegebenen Qualitätskriterien annähernd zu erreichen. Zu diesen

Bereichen zählt auch jener der Herstellung von Nahrungs- und Genuß-

mitteln sowie Getränken.

lm Rahmen dieser Konzentrationsstichprobe werden daher im Unter-

schied zu den vorangegangenen Erhebungen Klein- und Kleinstunter-

nehmen, die zur früheren Industriestatistik meldepflichtig waren, in den

neuen Erhebungen nicht mehr erfaßt (dies betrifft in etwa 4.000 Betriebe).

Demgegenüber müssen jedoch Gewerbeunternehmen, soweit sie eine

relevante Beschäftigtengröße aufweisen, in die Erhebungen einbezogen

werden.

Die Bäckerei KUSTOR erfüllt - wie mir vom ÖSTAT mitgeteilt wird - diese

Kriterien und ist daher zur statistischen Auskunft gemäß § 5 Abs. 2 der

Verordnung des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten und

des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, BGBl. Nr. 826/1995,

verpflichtet.

Laut lnformation des ÖSTAT wurden Herrn KEMPF im Jänner 1996 erst-

mals die Erhebungsunterlagen für das Jahr 1995 übermittelt. Für Jänner

1996 und die Folgemonate wurden die Erhebungsbögen am Ende des

jeweiligen Berichtsmonats zugesendet. Da Herr KEMPF innerhalb der

vorgesehenen Frist (diese endet jeweils am 20. des Folgemonats) den

ausgefüllten Erhebungsbogen nicht an das ÖSTAT retournierte, versuchte

dieses wiederholt (siehe nachstehende Liste), den Gewerbetreibenden

dazu zu bewegen, seiner Auskunftspflicht nachzukommen:

- 14.3.1996: Erinnerungsschreiben betreffend fehlende Meldung über

die Berichtsperiode 1995 - Reaktion des Unternehmens:

Schreiben vom 19.3.1996

- 21.3.1996: telefonische Kontaktaufnahme

- 27.3.1996: Schriftliche Beantwortung des Schreibens des Unter-

nehmens vom 19.3,1996 mit gleichzeitiger Erstreckung

der Einsendefrist

- 11.4.1996: Erinnerungsschreiben betreffend die fehlende Meldung

über den Berichtsmonat Jänner 1996

- 25.4.1996: Erinnerungsschreiben betreffend die noch ausständige

Meldung über die Berichtsperiode 1995

- 7.5.1996: ErinnerungsschreibenbetreffenddiefehlendeMeldung

über den Berichtsmonat Jänner 1996

- 21 .5. 1996: telefonische Kontaktaufnahme aufgrund eines weiteren

Schreibens der Firma KUSTOR vom 4.5.1996 unter

neuerlicher Fristerstreckung

Aufgrund des Fehlens der weiteren Berichtsmonate Februar, März, April,

und Mai 1996 gab es am 21.5., 29.5., 11.6., 18.6. sowie 25.6. des

Vorjahres weitere schriftliche Urgenzen in Verbindung mit neuerlicher

Erstreckung der jeweiligen Übermittlungsfrist für diese Berichtsmonate.

Da trotz der wiederholten Aufforderungen kein Bericht einlangte, ist das

ÖSTAT gemäß den Bestimmungen des Bundesstatistikgesetzes von einer

Ven,veigerung der Auskunftspflicht ausgegangen. Das ÖSTAT über-

mittelte daher am 2.7.1996 - somit innerhalb der sechsmonatigen Frist der

Verfolgungsverjährung - der zuständigen Verwaltungsstratbehörde ein

Anbringen wegen Verdachts der Verwaltungsübertretung im Sinne des

§ 11 Bundesstatistikgesetzes betreffend die Meldungen für 1 995 und

1996.

Angesichts der zahlreichen Kontaktaufnahmen des ÖSTAT mit dem be-

troffenen Unternehmer, um diesen ohne Strafandrohung argumentativ von

der Notwendigkeit dieser Erhebungen und von seiner gesetzlichen Melde-

pflicht zu überzeugen, sowie der mehrfachen Erstreckung der Einsende-

frist, kann man unter Berücksichtigung der dargestellten Rechtslage wohl

kaum von einer "mangelnden Flexibilität" sprechen.

Die Praxis, eine Fristverlängerung im lnteresse der Respondenten zu ge-

währen, beinhaltet vielfach die Gefahr der Behinderung der terminge-

rechten Erfüllung des vom Gesetzgeber statuierten Auftrags, der Öffent-

lichkeit aktuelle Daten über die konjunkturelle Entwicklung zur Verfügung

zu stellen. Die unbeschränkte Verlängerung der Frist kann auch im Hin-

blick auf die große Zahl der Respondenten nicht im lnteresse der Allge-

meinheit liegen.

Zu Frage 2:

Ein Anbringen des ÖSTAT wegen des Verdachts einer Verwaltungsüber-

tretung stellt, wie auch im gegenständlichen Fall, grundsätzlich die ultima

ratio dar und erfolgt nur nach zahlreichen vorangehenden Versuchen, zu

einvernehmlichen Lösungen zu gelangen.

Das ÖSTAT hat im vorliegenden Fall, wie auch in gleichgelagerten Fällen,

versucht, mit allen zu Gebote stehenden Mitteln die Mitarbeit des Melde-

pflichtigen zu erreichen und ihn auch sachlich zu unterstützen, bevor es

zu einem Anbringen auf Einleitung einer Verfolgungshandlung wegen des

Verdachts einer Verwaltungsübertretung kommt. Das ÖSTAT wäre

andernfalls nicht in der Lage, seiner gesetzlichen Verpflichtung zur Bereit-

stellung der für die Öffentlichkeit relevanten Daten im erforderlichen Aus-

maß und mit vertretbarer Genauigkeit nachzukommen.

Zu Frage 9;

Die Durchführung des Strafverfahrens obliegt der zuständigen Verwal-

tungsstrafbehörde. Das ÖSTAT kann daher nur über die Zahl der

Anbringen im Sinne des § 11 Bundesstatistikgesetz auf Einleitung einer

Verfolgungshandlung Auskunft geben (diese müssen aber nicht not-

wendigerweise zu einer Sanktion führen): lm Bereich der Wirtschafts-

statistik liegt diese bei 3 bis 5% der Gesamterhebung, im Bereich der

Sozialstatistik wesentlich niedriger. So mußten im Vorjahr bei rund

100.000 Haushaltsinterviews im Mikrozensusverfahren nur 23 Aus-

kunftsverweigerungen zur Anzeige gebracht werden.

Zu Frage 5:

Grundsätzlich halte ich die Ausgliederung von staatlichen Aufgaben in

jenen Bereichen, die durch Private sparsamer, zweckmäßiger und wirt-

schaftlicher besorgt werden können, für sinnvoll.

Für die Heranziehung von Marktforschungsinstituten für Befragungen

besteht im Bereich der Bundesstatistik derzeit keine Rechtsgrundlage. Die

Zweckmäßigkeit einer solchen Maßnahme wäre im Einzelfall zu prüfen,

wobei jedoch zu beachten wäre, daß die amtliche Statistik aufgrund ihrer

Führung nach den Grundsätzen der Unparteilichkeit, Zuverlässigkeit und

Transparenz ein hohes Maß an Objektivität für sich in Anspruch nehmen

kann. Überdies ist fraglich, ob bei einer Befragung durch

Marktforschungsinstitute eine Entlastung der Respondenten eintreten

würde.

ZU den Fragen 6 und, 7:.

Zur Zeit ist eine Unternehmensberatungsfirma, die bereits internationale

Erfahrungen auf diesem Gebiet aufzuweisen hat, mit einer Ratio-

nalisierungsuntersuchung für den Bereich ÖSTAT beauftragt.

Im Rahmen dieser Untersuchung werden in den Organisationseinheiten

des ÖSTAT die einzelnen Arbeitsplätze sowie die Abläufe der Arbeits-

prozesse, des Personaleinsatzes, der Personalauslastung, der Daten-

aufbringung sowie der Beleg- und lnformationsflüsse mit dem Ziel

analysiert, eine Arbeitsvereinfachungsanalyse zu erstellen sowie konkrete

Vorschläge zur effizienten Umgestaltung der Arbeitsprozesse

auszuarbeiten.

,

Der Abschluß dieser Arbeiten ist für den Spätherbst 1997 geplant.