2097/AB XX.GP
Zu den aus der beiliegenden Ablichtung der gegenständlichen Anfrage er-
sichtlichen Fragen führe ich folgendes aus:
ZZ den Fragen 1 bis 3:
Hiezu habe ich eine Stellungnahme der Tiroler Gebietskrankenkasse ein-
geholt, die, so meine ich, die gestellten Fragen in ausführlichster Form beantwor-
tet. Eine Kopie dieser Äußerung habe ich meiner Beantwortung beigelegt. Aus
datenschutzrechtlichen Gründen schien mir allerdings die volle Namensnennung
der betroffenen Ärzte als Teil der Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage
nicht zulässig und darüber hinaus auch entbehrlich, weshalb ich in dieser Hinsicht
eine Anonymisierung des Schreibens der Tiroler Gebietskrankenkasse veranlaßt
habe.
Zu den Fragen 4 und 5:
Die Tiroler Gebietskrankenkasse hat ihre Beweggründe für ihre Hand-
lungsweise sowie die rechtlichen Grundlagen, auf denen dieselbe beruht, aus
meiner Sicht hinreichend dargelegt und darüber hinaus die differenzierte Behand-
lung der einzelnen Fälle durch sachliche Argumente begründet. Auch nach meiner
Auffassung liegt daher ein Sachverhalt, der unter den strafrechtlichen Tatbestand
des Amtsmißbrauches subsumiert werden könnte, nicht vor. Weiters ist für mich
nicht erkennbar, worin der vom Obmann der Tiroler Gebietskrankenkasse verur-
sachte Schaden liegen sollte. lm übrigen entnehme ich der Stellungnahme der
Kasse, daß die Staatsanwaltschaft Innsbruck offensichtlich ohnehin über sämt-
liche in diesem Zusammenhang relevanten Ereignisse umfassend informiert ist.
Offenbar sieht auch die Staatsanwaltschaft keinerlei Anlaß für ein Tätigwerden.
Zur Frage 6:
Wie gezeigt, hat sich die Tiroler Gebietskrankenkasse bemüht, den - im
übrigen nicht von ihr sondern von Vertrags- und Wahlärzten verursachten -
Schaden für die Kasse möglichst zu minimieren, wobei sie sich stets im Rahmen
der gesetzlichen Bestimmungen bewegte. Ich sehe daher keinerlei Veranlassun-
gen, Maßnahmen - welcher Art auch immer
- zu ergreifen.
Parlamentarische Anfrage der Abgeordneten Blünegger und Kollegen;
Erstattung von Anzeigen durch die TGKK/Ungleichbehandlungen,
Verdacht des Tatbestandes auf Amtsmißbrauch durch Unterlassung
gegen den Obmann
Sehr geehrte Damen und Herren,
vorweg wird darauf hingewiesen, daß gemäß § 84 Abs. 1 StPO eine Behörde oder
öffentliche Dienststelle zur Anzeige an eine Staatsanwaltschaft oder Sicherheitsbehörde
verpflichtet ist, wenn ihr der Verdacht einer von amtswegen zu verfolgenden strafbaren
Handlung, die ihren gesetzmäßigen Wirkungsbereich betrifft, bekannt wird. Gemäß Abs. 2
besteht keine Pflicht zur Anzeige, wenn und solange hinreichende Gründe für die
Annahme vorliegen, daß die Strafbarkeit der Tat binnen kurzem durch schadensbereini-
gende Maßnahmen entfallen würde.
Die Tiroler Gebietskrankenkasse fällt nicht unter den Begriff einer "Behörde oder
öffentlichen Dienststelle" im Sinne des § 84 Abs. 1 StPO. Nach den Erläuterungen zum
Gesetzestext fallen darunter die Organe des Bundes, der Länder, Bezirke und Gemein-
den, die nach außen mit entscheidender und verfügender Gewalt ausgestattet und
dauernd organisiert sind, um innerhalb eines sachlich und örtlich festgesetzten Wirkungs-
kreises die staatlichen Aufgaben der Verwaltung und Rechtsprechung zu erfüllen. Die
Kasse vertritt die Auffassung , daß sie von vornherein nicht unter diesen Begriff zu
subsumieren ist. Abgesehen davon sind Behörden bzw. öffentliche Dienststellen nur dann
betroffen, wenn es sich und eine Angelegenheit handelt, die ihren gesetzmäßigen
Wirkungsbereich betrifft. Dies ist in der konkreten Angelegenheit nicht der Fall. Handelt es
sich um ärztliche Vertragspartner, so ist darauf hinzuweisen, daß die Kasse zwar gemäß
§§ 338 ff ASVG angehalten ist, einen Gesamtvertrag mit der Ärztekammer via Hauptver-
band der österreichischen Sozialversicherungsträger und Einzelverträge mit den
entsprechenden Ärzten
abzuschließen. Diese Verträge sind aber privatrechtlicher Natur,
sodaß die Voraussetzung des "gesetzmäßigen Wirkungsbereiches" fehlt. Handelt es sich
aber um eine Kostenerstattung, weil statt eines Vertragsarztes ein Wahlarzt in Anspruch
genommen worden ist, so ist zu beachten, daß der Wahlarzt in keinem Verhältnis zur
Kasse steht und sie damit ebenfalls nicht in ihrem gesetzmäßigen Wirkungsbereich
betroffen sein kann.
Es fehlt daher von vornherein an einer Anzeigeverpflichtung durch die Kasse. Selbst wenn
eine solche gemäß § 84 Abs. 1 StPO dennoch bejaht würde, kommt Abs. 2 zum Tragen,
wonach diese Verpflichtung entfällt, wenn entsprechende schadensbereinigende Maß-
nahmen gesetzt werden. Diese wurden im konkreten Fall gesetzt, weshalb auch aus
diesem Grunde keine Anzeigeverpflichtung bestand. Fehlt aber eine Anzeigeverpflichtung,
so kann bei nicht vorgenommener Anzeigeerstattung auch nicht der Tatbestand des
Amtsmißbrauches durch Unterlassung einer Strafanzeige vorliegen.
Festzuhalten ist, daß die Kasse in der Vergangenheit die Feststellung machen mußte,
daß sofortige Strafanzeigen, ohne sich vorher mit dem Vertragsarzt geeinigt zu haben,
dazu führten, daß in der Strafverhandlung durch den Arzt sämtliche betrügerische
Manipulationen bestritten wurden und sich das letztlich nachweisbare Schadensausmaß
auf einen Bruchteil der ursprünglich von der Kasse errechneten Summe reduziert hat.
Dies ist auch darauf zurückzuführen, daß die Versicherten ungern in einem Strafverfahren
oder auch in einem Zivilverfahren gegen den Arzt aussagen, aufgrund des Alters mancher
Patienten diese vielfach nicht in der Lage sind, entsprechende Zeugenaussagen zu
treffen und ebenfalls vielfach, weil gerade bei betrügerischen Handlungen größeren
Ausmaßes ein entsprechend langer Zeitraum bis zur Zeugeneinvernahme durch das
Strafgericht oder später durch das Zivilgericht verstreicht, Patienten bereits verstorben
sind. Als zweckmäßig hat sich aus schadensbereinigender Betrachtung erwiesen,
möglichst vor einer Anzeigeerstattung an die Staatsanwaltschaft sich zivilrechtlich mit dem
Arzt zu einigen. ln diesem Zusammenhang ist auch auf die Erläuterungen zur Strafpro-
zeßordnungsnovelle 1993 zu verweisen, wonach aus kriminalpolitischen Gründen,
nämlich um die Wiedergutmachung anzuregen, den Straffälligen Möglichkeiten eröffnet
wurden, durch positives Handeln (§ 84 Abs. 2 StPO) straflos zu werden. Durch die Novelle
wurde klar zum Ausdruck gebracht, daß keine Verpflichtung zur Anzeige besteht, wenn
und solange hinreichende Gründe für die Annahme vorliegen, die Strafbarkeit der Tat
werde binnen kurzem durch schadensbereinigende Maßnahmen entfallen. Damit sollte
auch ein Zeichen dafür gesetzt werden, daß außerstrafrechtlichen Maßnahmen sowie der
Herstellung des Rechtsfriedens grundsätzlich der Vorrang gegenüber der Strafverfolgung
einzuräumen ist. Selbstverständlich nutzt die Kasse daher jede Möglichkeit, um im
Interesse der Versicherten jene Schadensbeträge hereinzubringen, die ihr durch
betrügerische Manipulationen von Ärzten, aber auch von anderen Personen, zugefügt
worden sind. Die Kasse übersieht dabei nicht die generalpräventive Wirkung, die auch
eine Anzeigeerstattung haben kann, und pflegt diese auch gegenüber den anderen
Möglichkeiten abzuwägen. Zu beachten ist aber, daß dem Gesetzgeber selbst offenbar
die Wiedergutmachung vorrangiger erscheint als die Anzeigeerstattung.
lm Regelfall sieht die Kasse daher bei Vertragsärzten, sofern der festgestellte bzw.
hochgerechnete Schaden vom Arzt wiedergutgemacht wird, von einer Sachverhaltsdar-
stellung an die Staatsanwaltschaft ab. Die Kasse geht dabei davon aus, daß ihr aufgrund
der gesamtvertraglichen Vereinbarungen alle
Möglichkeiten eingeräumt sind, den
tatsächlichen Schaden auch feststellen zu können. Anders ist dies bei Wahlärzten. Zu
diesen steht die Kasse in keiner Beziehung, weil Wahlärzte dem Versicherten eine
Honorarnote ausstellen und nur dieser bei Vorlage der quittierten Honorarnote eine
Kostenerstattung erhält. Die Kasse ist daher im Gegensatz zu Vertragsärzten nur schwer
in der Lage, den tatsächlichen Schaden festzustellen. Dazu kommt noch, daß Versicherte
gemäß § 102 ASVG dreieinhalb Jahre lang Zeit haben, einen Anspruch auf Kostenerstat-
tung geltend zu machen. Die Kasse müßte daher diesen Zeitraum abwarten, um den bei
ihr eingetretenen tatsächlichen Schaden feststellen zu können. Dies ist selbstverständlich
nicht möglich, weshalb im Regelfall bei Wahlärzten nach Feststellung eines betrügerisch-
en Sachverhaltes eine Sachverhaltsdarstellung an die Staatsanwaltschaft übermittelt wird.
Dabei ist auch zu beachten, daß die Kasse kaum Möglichkeiten hat festzustellen, ob die
vom Wahlarzt den Versicherten zugefügten Schäden wiedergutgemacht worden sind.
Soweit zur grundsätzlichen Vorgangsweise. Zu den einzelnen Fragen bezieht die Kasse
wie folgt Stellung:
Zu 1 . Wieviele ähnliche Fälle eines betrügerischen Verhaltens von Ärzten
gegenüber der Tiroler Gebietskrankenkasse wurden im Zeitraum vom 1 . Jänner
1 996 bis 28. Februar 1 997 aufgedeckt?
Aus der Fragestellung leitet die Kasse ab, daß nur jene Fälle gemeint sind, bei welchen im
vorgenannten Zeitraum der Kasse bekannt geworden ist, daß ein betrügerisches
Verhalten vorliegt, nicht maßgeblich ist der Zeitpunkt der Schadenswiedergutmachung.
Dies ist insofern wesentlich, als auch Ende 1 995 derartige Fälle zwar aufgedeckt worden
sind, aber erst im Jahre 1 996 wiedergutgemacht worden sind. Genauso wurden im
Februar 1 997 Fälle aufgedeckt, welche aber erst in der Folge wiedergutgemacht worden
sind. Die Kasse stellt daher, wie dies in der Anfrage verlangt wird, auf den Zeitpunkt der
Aufdeckung ab. Damit ist für sie jener Zeitpunkt maßgeblich, zu welchem sie die Tatsache
einer betrügerischen Handlung letztlich festgestellt hat.
Am 26. Jänner 1 996 wurde der Staatsanwaltschaft Innsbruck eine Sachverhaltsdarstel-
lung betreffend Dr. W . , Amtsarzt und Vertragsarzt für Vorsorgeunter-
suchungen der Tiroler Gebietskrankenkasse, übermittelt, weil dieser Pragmatisierungs-
untersuchungen der Kasse als Vorsorgeuntersuchungen verrechnet hat. Der zu diesem
Zeitpunkt festgestellte Schadensbetrag belief sich auf S 20.347,20. Offen war, ob der
tatsächliche Gesamtschaden sich noch erhöht. Gleichzeitig hat sich der begründete
Verdacht ergeben, daß Dr. W . in gleicher Weise die BVA betrogen hat, was dieser
allerdings bestritten hat. Der Vorsorgeuntersuchungsvertrag wurde zum nächsten Termin
beendet und die Sachverhaltsdarstellung deshalb an die Staatsanwaltschaft übermittelt,
weil die Kasse den begründeten Verdacht hegte, daß noch weitere - nicht zugestandene -
Manipulationen vorlagen.
Am 7. März 1996 wurde der Staatsanwaltschaft Innsbruck eine Sachverhaltsdarstellung,
betreffend den Wahlarzt Dr. W übermittelt. Der der Kasse gegenüber
festgestellte Schadensbetrag belief sich auf S 72.540,--, jener gegenüber den
Versicherten auf S 30.563,--. Die Sachverhaltsdarstellung an die Staatsanwaltschaft
wurde deshalb erstattet, weil der insgesamte
Schadensbetrag nicht zu ermitteln war, wie
aufgrund der obigen Ausführungen hinsichtlich der mangelnden Einsichtsmöglichkeit in
Abrechnungsunterlagen der Wahlärzte ausgeführt wurde.
Als weiterer Fall wurde jener aufgedeckt, der Grundlage für die Anfrage war, nämlich der
Fall des Dr. K. , der die Kasse um dreieinhalb Millionen Schilling geschädigt
hat. Dieser Vertragsarzt hat unverzüglich den der Kasse zugefügten Schaden wiedergut-
gemacht, weshalb nach sofortiger Vertragslösung von einer Sachverhaltsdarstellung an
die Staatsanwaltschaft Abstand genommen wurde.
Am 25. Februar 1997 wurde ein weiterer Fall, betreffend den Vertragsarzt Dr.
L aufgedeckt. Dieser hat bereits am 27. Februar 1997 den Schaden wiedergutge-
macht. Eine Sachverhaltsdarstellung an die Staatsanwaltschaft ist bis heute nicht erfolgt,
insofern aber noch offen, als in diesem Zusammenhang die Kasse noch Überprüfungen
hinsichtlich eines Vertragsoptikers durchführt; nach Abschluß dieser Überprüfungen, die in
den nächsten Tagen erfolgen wird, wird darüber entschieden werden, ob eine Sachver-
haltsdarstellung an die Staatsanwaltschaft übermittelt werden wird.
Zu 2. Bei wievielen und in welchen Fällen wurde Anzeige bei der Staatsanwaltschaft
erstattet?
Wenn nicht in allen Fällen, warum nicht?
Wurden Differenzierungen vorgenommen, wie werden diese begründet?
Unter Ziffer 1. wurde angeführt, daß in den Fällen Dr. W und Dr. W Anzeige
erstattet worden ist, im Fall Dr. K nicht und im Fall Dr. L noch nicht
endgültig entschieden worden ist. Die Gründe davor wurden angeführt. Auch auf die
Differenzierungen wurde sowohl unter Ziffern 1. und 2. als auch in den anfänglichen
Ausführungen hingewiesen.
Zu 3. Wie hoch sind die Schadenssummen, wurden diese einbringlich gemacht und
besteht ein (nachweisbarer) Zusammenhang zwischen Anzeigeerstattung und
Nichteinbringlichmachung, wie vom Obmann der Tiroler Gebietskrankenkasse zu
seiner Rechtfertigung - Nichtanzeigeerstattung im gegenständlichen Falle -
vorgebracht wird?
Auf die Höhe der Schadenssummen wurde unter Ziffer 1. eingegangen. Auf den Zusam-
menhang zwischen Anzeigeerstattung und Nichteinbringlichmachung wurde sowohl in den
anfänglichen Ausführungen als auch unter Ziffer 1. eingegangen. Die Kasse verweist
nochmals darauf, daß bei Vertragsärzten aufgrund der vertraglichen Verpflichtungen für
die Kasse die Möglichkeit besteht, den tatsächlichen Schaden festzustellen, was bei
Wahlärzten nicht der Fall ist. Allein dies rechtfertigt eine grundsätzlich unterschiedliche
Vorgangsweise hinsichtlich einer Sachverhaltsdarstellung an die Staatsanwaltschaft.
Dazu wird noch berücksichtigt, ob im jeweiligen konkreten Fall bei der Kasse der
begründete Verdacht besteht, ob über das zugestandene Ausmaß an Verfehlungen
hinaus noch weitere vorhanden sind .
Die Anfragen zu den Ziffern 4., 5. und 6. können von der Kasse nicht beantwortet werden,
sondern sind direkt durch die Frau Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales
zu beantworten.
Letztlich wird darauf hingewiesen, daß die Kasse, noch bevor sie das Schreiben des
Bundesministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales vom 26. März 1997 erhalten hat,
sich an die Staatsanwaltschaft Innsbruck gewandt hat mit dem Ersuchen um einen
Gesprächstermin. An diesem Gesprächstermin teilgenommen haben außer der Staatsan-
waltschaft Innsbruck und der Tiroler Gebietskrankenkasse auch die Ärztekammer. Hinter-
grund für dieses Gespräch waren die grundsätzliche Vorgangsweise bei betrügerischen
Manipulationen. Dabei wurde seitens der Staatsanwaltschaft mitgeteilt, daß im Fall einer
Sachverhaltsdarstellung der Kasse mit dem Hinweis, daß der gesamte Schaden wieder-
gutgemacht worden ist, wegen tätiger Reue im Regelfall kein Strafverfahren eingeleitet
wird. .
Zusammenfassend stellt die Kasse noch einmal fest, daß sie sowohl gesetzeskonform als
auch unter Beachtung des Grundsatzes vorgegangen ist, einen ihr entstehenden
finanziellen Schaden möglichst zu vermeiden.