2126/AB XX.GP
Auf die - aus Gründen der besseren Übersichtlichkeit in Kopie beigeschlossene - schriftliche
parlamentarische Anfrage der Abgeordneten Van der Bellen und Genossen vom 20.3. 1 997,
Nr. 2199/J, betreffend ökologische Nachbesserung der Elektrizitäts- und Erdgasabgabe
beehre ich mich folgendes mitzuteilen:
Zunächst möchte ich darauf hinweisen, daß die österreichischen Steuersätze für Erdgas und
Strom, aber etwa auch für Gasöl für Heizzwecke und Heizöl zur Verwendung in der Industrie
im europäischen Vergleich überaus ambitioniert sind. Eine Analyse der im jüngsten
Vorschlag der EU-Kommission zur Energiebesteuerung vorgesehenen Mindeststeuersätze
läßt erkennen, daß die österreichischen Steuersätze durchwegs schon heute ein Vielfaches
dieser Mindestsätze betragen. Es kann somit sehr wohl davon ausgegangen werden, daß
die Energieabgaben auf Elektrizität und Erdgas wie auch die Mineralölsteuer einen erheb-
lichen Beitrag zur Internalisierung externer Umweltkosten beitragen, und zu Investitionen in
energiesparende und effizienzsteigernde Maßnahmen deutlich anspornen.
Daß stets weitere Verbesserungen etwa zur Steigerung der ökologischen Lenkungswir-
kungen möglich sind, sei zunächst unbestritten. Bei einer Analyse der Details der Verbes-
serungsvorschläge zeigt sich jedoch auch, daß eine praktikable Lösung der aus ökolo-
gischen Gesichtspunkten zum Teil zu Recht angesprochenen Probleme schwieriger ist, als
es auf den ersten Blick erscheint. weil auch auf Aspekte der Steuergerechtigkeit, der Wett-
bewerbsgleichheit oder der Administrierbarkeit einzelner Bestimmungen Rücksicht genom-
men werden muß.
Zu 1.:
Vor einer Prüfung von konkreten Korrekturmaßnahmen im Bereich der Energieabgaben
sollte zunächst eine erste Evaluation der Auswirkungen dieser noch sehr neuen Abgaben
abgewartet werden. Dabei könnten sich durchaus aus ökologischer Sicht sinnvolle Korrek-
turen als notwendig erweisen. Genauere Angaben können zunächst aber noch nicht
gemacht werden.
Zu 2.:
Die Elektrizitätsabgabe wurde vor allem aus zwei Gründen als Endenergieabgabe konzipiert:
Zum einen kann nur auf diese Weise gewährleistet werden, daß auch Stromimporte be-
steuert werden, sodaß die Wettbewerbsneutralität gewahrt wird. Zum anderen stand die
Überlegung im Vordergrund, daß die Verbraucher - insbesondere die privaten Haushalte, die
keine Wahl zwischen verschiedenen Energieverbraucherunternehmen (EVU) haben - steu-
erlich gleichmäßig belastet werden sollen. Diese beiden Zielsetzungen ließen sich mittels
einer Inputbesteuerung, die ökologisch möglicherweise sinnvoller wäre. nicht erreichen.
Eine "Rückvergütung" der Elektrizitätsabgabe an die Betreiber von alternativen Stromerzeu-
gungsanlagen könnte durchaus einen gewünschten ökologischen Lenkungseffekt hervor-
rufen und ist deshalb prinzipiell diskutabel. Die Begriffe "Rückvergütung" oder
"Steuerrückzahlung" sind in diesem Zusammenhang allerdings irreführend. Tatsächlich sind
bei der gewählten Form der Elektrizitätsbesteuerung nicht die Erzeuger Träger der Steuer-
last, sondern die Endverbraucher. Die Steuer wird zwar vom EVU abgeführt. aber in den
Abgabepreis an den Verbraucher einkalkuliert, ganz gleich, ob es sich um selbst herge-
stellten oder von anderen Herstellern eingespeisten Strom handelt. Dies hat zur Konse-
quenz, daß sich an den Einspeisebedingungen zwischen den Betreibern alternativer
Anlagen und den EVU allein durch die Elektrizitätsabgabe nichts geändert hat. Wenn also
aus erneuerbaren Energiequellen erzeugter Strom in öffentliche Netze eingespeist wird, so
ist er mit keinerlei Energiesteuer belastet. Eine Steuer kann aber nur dann rückvergütet
werden, wenn sie zuvor auch getragen wurde, Dies ist eindeutig nicht der Fall.
Das in der Anfrage vorgeschlagene System wäre somit eine reine Subventionierung der
Erzeuger alternativen Stroms aus Mitteln der Elektrizitätsabgabe, die den Effekt einer
Verbesserung der Einspeisetarife hätte. Diese Forderung erscheint zwar legitim, und würde
wohl die Rentabilität von alternativen Stromerzeugungsanlagen erhöhen. Allerdings ist es
nicht Aufgabe der Finanzverwaltung, die Administration einer derartigen Beihilfe zu über-
nehmen, da es sich um keine Rückvergütung von Abgaben handelt. Vielmehr wäre an ein
eigenständiges Beihilfengesetz zu denken, welches aber in den Aufgabenbereich des
Bundesministeriums für wirtschaftliche
Angelegenheiten fallen würde.
Zu 3. und 4.:
)n einem Steuererstattungssystem könnte eine unerlaubte Beihilfe nach Artikel 92 EGV - und
damit implizit die Benachteiligung ausländischer Stromproduzenten - gesehen werden. Da
jedoch die EU-Kommission selbst in dem in der Anfrage erwähnten Grünbuch wie auch in
ihrem jüngsten Richtlinienvorschlag für eine Harmonisierung der Energiebesteuerung auf ein
derartiges Erstattungssystem Bezug nimmt, scheint die Frage der EU-Konformität derzeit
nicht aktuell.
Zu 5.:
In diesem Fall läge keinesfalls eine "Rückvergütung" von Steuern vor. Es handelte sich dabei
- wie bereits zu Frage 2 ausgeführt - um eine neue Form der Förderung erneuerbarer Ener-
gieformen. Eine derart weitgehende Subventionierung des laufenden Betriebes der Anlagen
(20-30 Groschen/kWh) müßte aber meines Erachtens auf Kosten anderer in diesem Bereich
bestehenden Förderungsinstrumente (insbesondere Investitionsförderungen) gehen. Grund-
sätzlich halte ich es für erstrebenswert, daß die Betreiber derartiger Anlagen nach einer
gewissen Amortisationszeit in der Lage sein sollten, bei gegebenen Marktbedingungen - das
heißt ohne laufende Subventionen - konkurrenzfähig zu sein.
Zu 6.:
Steuersystematisch sieht das Elektrizitätsabgabengesetz die Besteuerung von Strom als
Endprodukt - unabhängig von der Art seiner Herstellung - vor. Um Doppelbesteuerungen zu
vermeiden, wurde eine Entlastung von der Energieabgabe bzw. der Mineralölsteuer bei
Erdgas bzw. Heizöl vorgesehen. Demgegenüber unterliegt Wärme als "Endprodukt" keiner
Energieabgabe, weshalb bei der Produktion auch keine Entlastung des Energieinputs
(Erdgas oder Heizöl) vorgesehen ist.
Bei der gleichzeitigen Produktion von Elektrizität und Wärme in einer Anlage müssen zwei
grundsätzlich verschiedene Besteuerungssysteme (Outputbesteuerung bei Strom, Inputbe-
steuerung bei Wärme) gemeinsam angewendet werden. Das bedeudet eine Entlastung nur
für jenen Anteil des Energieinputs, der der Stromerzeugung dient, weil ansonsten die
produzierte Wärme völlig der Besteuerung entgeht. Steuertechnisch erscheint dieser Ansatz
durchaus richtig, wenngleich die Bestimmungen des Erdgas- und des
Mineralölsteuergesetzes Pauschalmethoden in der Steuerberechnung zulassen. Diese
Pauschalmethoden führen dazu, daß mit zunehmender Effizienz bei KWK-Anlagen die
relative Gesamtsteuerbelastung abnimmt. So bleibt bei KWK-Anlagen mit einem
Wirkungsgrad in der Stromproduktion von mindestens 44% die produzierte Wärme
(Inputbesteuerung über die Erdgas- oder
Mineralölsteuer) steuerfrei.
Gesamtenergieanlagen machen ökologisch vor allem dann Sinn, wenn sie zeitgleich mit der
Produktion von Elektrizität und Wärme ausgelastet sind. ln diesem Fall sind sie im
Wirkungsgrad wesentlich effizienter als reine Elektrizitätserzeugungsanlagen, welche mit
Erdgas oder Heizöl betrieben werden. Die Erfahrung zeigt jedoch, daß sehr oft kein zeitglei-
cher Bedarf nach beiden Energieformen gegeben ist, sodaß der tatsächliche durchschnitt-
liche Wirkungsgrad wesentlich geringer als bei Vollauslastung technisch möglich ist. Grund-
sätzlich wird jedoch die ökologische Sinnhaftigkeit von Kraft-Wärme-Koppelungen nicht
angezweifelt. Die bestehenden Regelungen des Erdgas- und Mineralölsteuergesetzes sehen
jedoch ohnedies eine steuerliche Förderung einer KWK-Anlage vor, die mit zunehmendem
Gesamtwirkungsgrad steigt.
Zu 7.:
Der Vorschlag der Kommission für eine Richtlinie des Rates zur Restrukturierung der
gemeinschaftlichen Rahmenvorschriften zur Besteuerung von Energieerzeugnissen sieht
aus der Sicht des Bundesministeriums für Finanzen nicht die Einführung einer
"Abwärmeabgabe" vor. Artikel 2 Absatz 2 (Definition des Steuergegenstands) und Artikel 9
(Steuersatz) besagen, daß eine Energiesteuer sowohl elektrischen Strom als auch bei der
Stromerzeugung gewonnene Wärme umfassen soll. Dies weist darauf hin. daß Wärme, die
gleichzeitig mit Strom in einer Kraft-Wärme-Koppelungsanlage produziert wird, im selben
Ausmaß mit einer Steuer belegt werden soll wie Elektrizität. Dabei soll jedoch gemäß
Artikel 13 Absatz 1 lit. b des Vorschlags der Energieinput auch für die Wärmeproduktion in
derartigen Anlagen von der Steuer befreit werden. Damit wird systematisch lediglich ein
anderer Weg gegangen als derzeit in Österreich (teilweise Belastung des Inputs bei Steuer-
freiheit des Wärme-Outputs). Die Bestimmungen werden hingegen nicht als Vorschlag einer
generellen Abwärmeabgabe verstanden.
Eine Abwärmeabgabe, die sämtliche aus der Stromproduktion resultierenden Wärmeverluste
erfassen soll, dürfte großen technischen und administrativen Aufwand verursachen. Die
Feststellung der exakten Wärmeverluste wäre vermutlich technisch nur mit erheblichen
Anstrengungen möglich, und die diesbezüglichen Aufzeichnungen der Anlagebetreiber nur
schwer oder gar nicht nachvollziehbar. Da dem Bundesministerium für Finanzen dazu
bislang keine Erfahrungsberichte aus der Praxis bekannt sind, kann eine abschließende
Beantwortung der Frage nicht vorgenommen
werden.
Zu 8.: ,
Richtig ist, daß eine Plafondierung der Elektrizitäts- und Erdgasabgaben bei 0,35% des
Nettoproduktionswertes aus ökologischer Sicht relativ wenig Sinn macht, weil gerade bei
Betrieben mit dem höchsten Energieverbrauch keine Anreize zur Ernergieeinsparung gesetzt
werden. Auf der anderen Seite betrachte ich Steuerermäßigungen für einzelne
energieintensive Branchen, die mit schwierigen internationalen Wettbewerbsbedingungen zu
kämpfen haben, als unerläßlich. Weder aus arbeitsmarktpolitischen noch aus ökologischen
Gründen kann das Risiko eingegangen werden, daß etwa die Eisen- und Stahlproduktion
oder die Papierindustrie in Länder Osteuropas abwandert, um dort mit wesentlich geringeren
Umweltauflagen billiger produzieren zu können. Diskutabel ist selbstverständlich. in welcher
Weise eine Steuerermäßigung gewährt wird. Grundsätzlich wären zwei Wege denkbar: Ent-
weder es wird für den gesamten Produktionssektor ein ermäßigter Steuersatz gewährt oder
es wird eine fixe Obergrenze - gemessen an der wirtschaftlichen Leistungskraft eines Unter-
nehmens - eingeführt. Die Bundesregierung hat sich für die "Deckelung" entschieden, da auf
diese Weise gewährleistet werden kann, daß vorwiegend die energieintensiven Branchen
von der Energiesteuervergütung profitieren, während jene Betriebe, für die die Energie-
kosten keinen wettbewerbsbedrohenden Faktor darstellen, in voller Höhe von der Steuer
erfaßt werden. Möglicherweise könnte sich nach einer ersten umfassenden Überprüfung der
Auswirkungen ergeben, daß die gewählte Plafondierungsgrenze etwas zu niedrig angesetzt
war oder daß eine Art "Mischsystem" sinnvoller wäre. Denkbar wären etwa niedrigere Steu-
ersätze für bestimmte energieintensive Produktionsprozesse. Dabei könnte es jedoch zu
technischen Abgrenzungsproblemen und zu einem hohen administrativen
Überprüfungsaufwand kommen, insbesondere wenn verschiedene Prozesse innerhalb eines
Unternehmens angewandt werden. Nachbesserungen sind in diesem Bereich aber
grundsätzlich denkbar.
Zu 9.:
Das Aufkommen aus der Elektrizitätsabgabe betrug 1.400,2 Mio. S für das Jahr 1996.
Zu 11. und 14.:
Derzeit liegen noch keinerlei statistische Daten vor, welche Auskunft darüber geben könnten,
wie sich die Elektrizitäts- und Erdgasabgaben auf einzelne Gruppen von Abgabepflichtigen
verteilen. Schätzungen - basierend auf dem Energieverbrauch von 1992 (WIFO-Energie-
bilanz) - haben eine Energieabgabenbelastung (Strom und Erdgas) der privaten Haushalte in
Höhe von etwas mehr a)s 2 Mrd. S pro Jahr ergeben (ohne Mwst). Da die Energieabgaben
mit 1. Juni 1996 in Kraft getreten sind, und die Abgabenfälligkeit für das vierte Quartal 1996
erst mit 15. Februar 1997 gegeben war,
dürften die Einnahmen von Seiten der privaten
Haushalte für die verbleibenden 7 Monate des Jahres ,1996 beträchtlich unter 1 Mrd. S
liegen.
Zu 12.:
Das Aufkommen aus der Erdgasabgabe betrug 552,6 Mio. S für das Jahr 996.
Zu 10. und 13.:
Die Elektrizitäts- und Erdgasabgaben wurden im Bundesvoranschlag für 1996 gemeinsam
mit 3 Mrd. S veranschlagt. Insgesamt wurde somit etwa ein um 1 Mrd. S geringerer Betrag an
Einnahmen erzielt. Dieses Ergebnis ist nicht zufriedenstellend, kann aber mit
organisatorischen Anlaufschwierigkeiten, die zwangsläufig bei der Einführung neuer
Abgaben sowohl in der Finanzverwaltung als auch bei den Unternehmen entstehen, sowie
mit den fehlenden Erfahrungswerten erklärt werden. Darüber hinaus können weitere
Vermutungen aufgestellt werden:
* Die Sommermonate bedingen einen stärkeren Einbruch beim Energieverbrauch als
ursprünglich angenommen. ln diesem Fall ist davon auszugehen, daß die Aufkommens-
schwäche 1996 durch entsprechend höhere Einnahmen in der ersten Hälfte 1997 kom-
pensiert wird.
* Ein großer Teil der Industriebetriebe beendet das Wirtschaftsjahr nicht mit 31.12., sondern
zu einem anderen Stichtag im Laufe des Herbstes. Dadurch konnten diese Unternehmen
bereits 1996 die Gelegenheit nutzen, Energieabgabenvergütungen in Anspruch zu
nehmen.
Zu 15. bis 17.:
Dazu liegen dem Bundesministerium für Finanzen bislang keine Angaben vor. Da Energie-
abgabeneingänge und Vergütungen auf den Finanzämtern über dieselben Konten gebucht
werden, können aus den Abgabenerfolgsübersichten keine unmittelbaren Schlüsse gezogen
werden.
Zu 18.:
Derzeit bestehen hiezu im Bundesministerium für Finanzen keine Überlegungen.
Zu 19.:
Der Vorschlag der Kommission für eine Richtlinie zur Harmonisierung der Energiesteuern
wird vom Bundesministerium für Finanzen
ausdrücklich begrüßt, wenn auch aus österreichi-
scher Sicht deutlich ambitioniertere Ziele für notwendig erachtet werden. Realistischerweise
muß jedoch bedacht werden, daß insbesondere die Forderung nach höheren Steuersätzen
derzeit völlig aussichtslos ist, weil das Einstimmigkeitsprinzip in steuerlichen
Angelegenheiten die Berücksichtigung der Wünsche aller Mitgliedstaaten erforderlich macht.
Grundsätzlich halte ich jedoch die Ausweitung der bestehenden Mineralölsteuerrichtlinien auf
sämtliche Energieträger sowie die den Mitgliedstaaten offengelassenen Möglichkeiten für
Ausnahmen und Steuererstattungen etwa für erneuerbare Energieformen für den richtigen
Weg. Österreich wird deshalb gemeinsam mit zahlreichen anderen
"energiesteuerfreundlichen" Mitgliedstaaten alle sinnvollen Initiativen ergreifen, um auf Basis
des neuesten Richtlinienvorschlags der Kommission möglichst bald zu einem tragbaren