2186/AB XX.GP
Die Abgeordneten zum Nationalrat Dr. Krüger, Dr. Partik-Pablé, Scheib-
ner, Mag. Dr. Grollitsch und Kollegen haben am 19. März 1997 unter der
Nr. 2178/J an mich eine schriftliche parlamentarische Anfrage betreffend
Reform der Filmförderung in Österreich gerichtet, die folgenden Wortlaut
hat:
"1. Halten Sie eine Reform der österreichischen Filmförderung für not-
wendig und wenn ja, wie soll diese aussehen und wenn nein, warum
nicht?
2. Welche Maßnahmen werden Sie setzen, um den Bekanntheitsgrad
des österreichischen Films international zu erhöhen?
3. Halten Sie das derzeitige System der österreichischen Filmförderung
für zweckmäßig und wenn ja, warum und wenn nein, warum nicht?
4. lst es lhrer Meinung nach vereinbar, daß in Zeiten großer Sparmaß-
nahmen, ca. 80 Prozent der Förderungen für nachgewiesenermaßen
wirtschaftlich erfolglose Filme verwendet
werden?
5. Werden Sie konkrete Schritte gegen den derzeitigen Besetzungsmo-
dus der Auswahlkommission der Filmförderung setzen, nämlich der-
art, daß branchenaktive Produzenten und Regisseure, die über die
Verteilung der staatlichen Förderungen möglicherweise zugunsten
ihrer eigenen Filme entscheiden können, nicht mehr für die Auswahl-
kommission nominiert werden?
6. inwieweit scheint Ihnen ein leistungsorientiertes Modell der Förde-
rung, das heißt, die Vergabe von Förderungen bei offensichtlichem
wirtschaftlichen Erfolg eines Films bzw. eine finanzielle Mitverantwor-
tung des Regisseurs bei einem offensichtlichen Mißerfolg, für sinn-
voll und durchführbar?
7. Könnten Sie zur Behebung der aktuellen Situation der österreichi-
schen Filmförderung dem Modell einer Intendantenlösung (Berliner
Modell) mit alleiniger Kompetenz und Verantwortung nähertreten und
wenn ja, wie und wenn nein, warum nicht?
8. Könnten Sie zur Behebung der aktuellen Situation der österreichi-
schen Filmförderung dem Modell einer Auswahlkommission, beste-
hend aus Experten des Medienbereiches und Verantwortlichen des
einschlägigen Ressorts (Bayrische Filmförderung) nähertreten und
wenn ja wie und wenn nein, warum nicht?
9. Wie könnte Ihrer Meinung nach die für den österreichischen Film
sinnvollste Lösung in Berücksichtigung der Fragen 7 und 8 ausse-
hen?
10. Halten Sie PR-Aktivitäten für den österreichische Film für notwendig
und wenn ja, werden Sie entsprechende Mittel dafür bereitstellen
und wenn nein, warum nicht?"
Diese Anfrage beantworte ich wie folgt:
Das System der Förderung eigenproduzierter Kinofilme wurde 1981 mit
der Errichtung des Österreichischen Filmförderungsfonds (heute: Öster-
reichisches Filministitut) eingerichtet. Entsprechend den Erfahrungen und
Erfordernissen der Praxis wurde das Filmförderungsgesetz novelliert, wo-
bei die 1987 eingeführte Referenzfilmförderung des künstlerisch und/oder
wirtschaftlich erfolgreichen Filmes
hervorzuheben ist.
Aus einer Produktionsstatistik des Statistischen Zentralamtes läßt sich der
Produktionswert der österreichischen Filmwirtschaft für das Jahr 1995 fol-
gendermaßen aufschlüsseln:
Fernsehspiele 21 %
Fernseh-Kurzfilme 30 %
Fernseh-Werbefilme 17%
Kino-Werbefilme 2%
Wirtschaftsfilme 14 %
Kino-Langfilme 15%
Kino-Kurzfilme 1 %
Daraus ergibt sich, daß 85% des jährlichen Produktionsvolumens nicht
dem Bereich des geförderten Filmes zuzuordnen sind und es sich somit
um Produkte handelt, die im Auftrag der Werbewirtschaft, des ORF oder
anderer entstehen. Rückgänge im Bereich der Auftragsproduktion haben
somit direkten und maßgeblichen Einfluß auf den Zustand der Filmindu-
strie in Österreich.
Der öffentlich geförderte Film muß sich unter schwierigen Rahmenbedin-
gungen (sehr kleiner Inlandsmarkt, schwierige Kinosituation und derzeit
nur ein Fernsehveranstalter als heimischer Partner) bewähren. Dessen
ungeachtet zeigt das österreichische Filmschaffen interessante Ergeb-
nisse, die den internationalen Vergleich nicht zu scheuen brauchen. So
hatten etwa im Jahre 1996 österreichische Filme Teilnahmen an 165 in-
ternationalen Festivals und Filmmärkten zu verzeichnen. Zusätzlich er-
folgten zahlreichen Teilnahmen an EU-Präsentationen, die jedoch keinen
Wettbewerbscharakter haben.
Von 60 zwischen 1990 und 1995 uraufgeführten Kino-Langfilmen erreich-
ten 34 mehr als 5.000 Besucher, davon 25 mehr als 10.000 Besucher und
10 mehr als 50.000 Besucher in österreichischen Kinos. Im Jahr 1995 er-
reichte "Schlafes Bruder" 300.000 Besucher (Golden Ticket), "Freispiel"
174.000 Besucher und "Das sprechende
Grab" 100.000 Besucher.
Darüber hinaus waren Filme mit wenigen Kinobesuchern oftmals heraus-
ragende Festivalerfolge, wie z.B. "Benny's Video", "Der Kopf des Mohren"
oder "71 Fragmente einer Chronologie des Zufalls".
Zu den Fragen 1 und 3:
Die Filmförderung unterstützt, wie in allen europäischen Ländern, die in
Eigenverantwortung österreichischer Filmhersteller produzierten Filme.
Das System der Filmförderung auf der Grundlage des Filmförderungsge-
setzes halte ich im hohen Maß für zweckmäßig.
Die Erfahrungen der Praxis haben gezeigt, daß weitere Anpassungen an
internationale Förderungsinstrumentarien sowie an die Förderungspraxis
anderer Staaten erforderlich sind. Durch Straffung und teilweise Verlage-
rung von Kompetenzen soll mehr Flexibilität erreicht werden, wozu auch
die Ergänzung der selektiven Förderung durch eine automatische Refe-
renzfilmförderung sowie ein Incentive Funding und die Verkleinerung der
Auswahlkommission beitragen sollen.
Bereits im Jahr 1987 wurde eine erste Stufe der Referenzfilmförderung
eingeführt. Dies bedeutet, daß ein wirtschaftlich bzw. künstlerisch erfolg-
reicher Film differenziert "belohnt" wird, indem durch diesen Erfolg Förde-
rungsmittel ausgelöst werden, die in neue Filmvorhaben zu investieren
sind. Seit Einführung der Referenzfilmförderung haben 34 Filme von
einem Sample von 88 Filmen Referenzmittel erreicht, das heißt, rund
40 % der ab 1985 gestarteten Filme waren wirtschaftlich bzw. künstlerisch
erfolgreich. Dies ist ein im europäischen Vergleich hervorragendes Ergeb-
nis. Die Referenzfilmförderung soll numehr ausgebaut und automatisiert
werden; einen weiteren Schwerpunkt wird die Stärkung der Eigenverant-
wortlichkeit der Filmschaffenden und nach Maßgabe der vorhandenen
Mittel eine gezielte Nachwuchs- und
Innovationsförderung bilden.
Zu Frage 2:
Selbstverständlich ist es auch ein kulturpolitisches Ziel, den Bekanntheits-
grad österreichischer Filme im Ausland zu erhöhen. Diesem Ziel dienen -
neben den erwähnten Festivalteilnahmen - jährlich weitere 75 Veranstal-
tungen im Ausland, wie z.B. Filmwochen, die von der nunmehr zum Bun-
deskanzleramt gehörigen Sektion Kunst initiiert und organisiert werden.
Ich verweise auch hier auf zahlreiche Preise und Auszeichnungen, die
österreichische Filme bei internationalen Festivals, somit an wichtigen
Plätzen internationaler Wahrnehmung, erhalten haben.
lm Mai dieses Jahres wird zum Beispiel bekanntlich der Film "Funny
Games" (Produktion: WEGA-Film, Regie: Michael Haneke) auf dem re-
nommiertesten Filmfestival der Welt in Cannes im Wettbewerb vertreten
sein.
Der mangelnde Bekanntheitsgrad der im Inland hergestellten Filme ist im
übrigen kein österreichisches Spezifikum, da bis zu 95 % der europäi-
schen Filme nicht über die Grenzen des Herstellerlandes hinaus gelan-
gen.
Zu Frage 4:
Die Festlegung absoluter Kriterien für wirtschaftlichen Erfolg oder Mißer-
folg von europäischen Filmen ist sehr schwierig, da das Medium Film ein
langfristiges und mehrfach verwertbares Produkt darstellt. Fest steht aber,
daß die Produktionskosten eines Filmes eine fixe Größe darstellen, unab-
hängig davon, ob der Film für einen Inlandsmarkt von 7 Millionen Men-
schen oder für 70 Millionen Menschen produziert wird. Diese Marktgröße
entscheidet aber meist über wirtschaftlichen Erfolg oder Mißerfolg eines
Filmes. Europaweit können fast ausschließlich Filme im Kino reüssieren,
die stark identitätsgeprägt, somit
kulturell unverwechselbar sind. Aus dem-
selben Grund gelangen diese Filme allerdings einer europäischen Studie
nach über die Grenzen ihrer Ursprungsländer nicht hinaus. Derzeit gilt das
für ca. 95 % aller europäischen Filme. Das ständig zitierte Beispiel des
"jüngst so erfolgreichen deutschen Filmes" spielt, was die Bedeutung des
Exportes betrifft, kaum eine bzw. keine Rolle und erleidet damit das
Schicksal nahezu aller europäischen Filmländer. ln den letzten drei
Jahren hat nur ein "deutscher" Film in Österreich eine bedeutende Rolle
gespielt, nämlich der Film "Schlafes Bruder", eine österreichisch-deutsche
Gemeinschaftsproduktion auf der Grundlage eines österreichischen
Stoffes und hergestellt auf österreichischen Originalschauplätzen, der
aber trotz gigantischen Werbeaufwandes in Deutschland leider keinen mit
Österreich vergleichbaren Erfolg erzielt hat (Österreich:
304.000 Besucher, Deutschland: 800.000 Besucher). Öffentliche
Filmförderung ist daher vor allem auch eine kulturpolitische Maßnahme,
die Film auch als ein identitätsstiftendes Medium begreift, wobei mit der
vorgesehenen Reform wirtschaftliche Anreize verstärkt werden sollen.
Zu Frage 6:
Das Filmförderungsgesetz (FGG) spricht von "fachkundigen Personen aus
dem Filmwesen" und legt Befangenheitsregeln fest. Es kann davon
ausgegangen werden, daß die Absicht des Gesetzgebers darin lag, bran-
chenaktive Experten zu Mitgliedern der Auswahlkommission zu bestellen.
Darüber hinaus ist vorgesehen, die Befangenheitskriterien detaillierter zu
formulieren, um künftig verhindern zu können, daß Gremienmitglieder in
eigener Sache mitbestimmen. Es darf aber auch nicht übersehen werden,
daß sich die Zahl qualifizierter
heimischer Experten in Grenzen hält.
Zu Frage 6:
Ein leistungsorientiertes Förderungsmodell existiert beim Österreichischen
Filminstitut bereits seit 1987 im Rahmen der Referenzfilmförderung. Seit
Anfang des Jahres 1996 können Filmhersteller ohne Befassung von Ent-
scheidungsgremien im Falle eines künstlerisch oder wirtschaftlich erfolg-
reichen Filmes Mittel für die Produktion eines neuen Filmes erhalten.
Eine Sphärentrennung zwischen Regisseur und Produzent verstehe ich
dahingehend, daß der Produzent das wirtschaftliche Risiko im positiven
wie im negativen Sinn trägt, der Regisseur als (angestellter) künstlerischer
Leiter hingegen das Image- und Karriererisiko. Formen von darüber hin-
ausgehenden Beteiligungen von Regisseuren an Filmproduktion (Eigen-
beteiligung, Gagenrückstellung) sind auf privatrechtlicher Basis möglich
und werden auch immer wieder durchgeführt.
Zu Frage 7:
Angesichts der massiven innerdeutschen Kritik am Berliner Intendanz-
modell wäre wohl mit einiger Vorsicht an das Modell heranzutreten. Na-
türlich läßt sich über die Vor- und Nachteile von Intendant bzw. Gremium
diskutieren, jedoch scheint mir die Entscheidungsfindung innerhalb einer
kleinen Personengruppe objektiver zu sein, als eine Einzelmeinung bzw.
überwiegt die Besorgnis, die österreichische Filmszene über eine
längeren Zeitraum durch eine Einzelperson prägen zu lassen.
Zu Frage 8:
Der Charakter deutscher Regionalförderungen, hier das Beispiel des
Bayerischen Film-Fernseh-Fonds, ist ausschließlich durch zwei Nutzer-
interessen geprägt:
Erstens das Interesse der Region, die sich durch Filmprojekte einen mög-
lichst hohen Regionaleffekt verspricht. Die Ausgaben des geförderten
Filmherstellers in der Region haben statutengemäß ein Mehrfaches des
eingesetzten Förderungsgeldes zu betragen ("Umwegrentabilität"). Zwei-
tens sind die Interessen der regionalen Fernsehanstalten, denen Sende-
rechte eingeräumt werden ("Prograrnm"), zu beachten.
Demgemäß sind in diesen Förderungseinrichtungen je nach Belieben die
Vertreter dieser beiden Nutzer repräsentiert. Derartige Modelle lassen sich
auf (länderübergreifende) Bundesförderungen nicht übertragen. Die deut-
schen Regionalförderungen bedürfen zur Erreichung des Regionaleffektes
der "effektfreien" Förderung durch die Filmförderungsanstalt (FFA).
Zu Frage 9:
In europäischen Nachbarländern finden sich verschiedene Formen natio-
naler oder regionaler Filmförderung, die im wesentlichen unabhängig von
Dotierung oder Ursprung der Förderungsmittel bzw. primär wirtschaftlicher
oder kultureller Ausrichtung sind. Formen selektiver und automatischer
Filmförderung bestehen sowohl einzeln als auch nebeneinander. Wo aus-
schließlich selektiv gefördert wird, ist es schwierig, erfolgreichen Produ-
zenten und Regisseuren eine gewisse Kontinuität zu gewährleisten; wo
automatisch gefördert wird, gibt es keine dementsprechende Nachwuchs-
pflege.
In der Schweiz wurde jüngst ein duales System eines selektiven Förde-
rungsmodells mit einer parallelen Förderungsautomatik eingeführt, wobei
für die Förderungsautomatik unter anderem die Regelungen des Österrei-
chischen Filminstituts in die Konzeption aufgenommen bzw. zur Grund-
lage genommen wurde.
Betreffend die Schwerpunkte einer Veränderung der Filmförderung ver-
weise ich auf die Beantwortung der Frage 1 .
Zu Frage 10,:
PR-Aktivitäten werden bereits jetzt von den maßgeblichen filmfördernden
Einrichtungen als Bestandteil der Herstellungskosten anerkannt. Darüber
hinaus gibt es weitere Förderungsmöglichkeiten, an deren Ausweitung ge-
arbeitet wird. Weiters wurde im Rahmen des Österreichischen Filminstitu-
tes ein Förderungsmodell für länderübergreifende PR-Maßnahmen (Ver-
triebs-Förderung) geschaffen, wonach bei Beteiligung eines nicht öster-
reichischen Vertriebs oder Verleihs Budgets bis zu einem Ausmaß von
zwei Millionen Schilling bereitgestellt werden können.