2187/AB XX.GP

 

Die Abgeordneten zum Nationalrat Dkfm. Bauer, Mag. Schreiner, Dr. Pum-

berger, Mag. Trattner haben am 19. März 1997 unter der Nr. 2185/J an mich

eine schriftliche parlamentarische Anfrage betreffend Aussagekraft des "har-

monisierten" EU-Verbraucherpreisindex gerichtet, die folgenden Wortlaut hat:

"1 . Welche Waren enthielt der bisherige Warenkorb des österreichischen Ver-

braucherpreisindex

a) vor der Konsumerhebung 1993/94,

b) nach der Konsumerhebung 1993/94?

2. Wie wurden die einzelnen Gruppen im Warenkorb des österreichischen

Verbraucherpreisindex

a) vor der Konsumerhebung 1993/94,

b) nach der Konsumerhebung 1993/94

gewichtet?

3. Wie entwickelten sich die österreichischen Verbraucherpreise seit 1986 im

Gesundheitsbereich, insbesondere für

a) Rezeptgebühren,

b) Spitalskosten,

c) Arzneimittel,

d) Zahnarztleistungen

in absoluten Zahlen und prozentuell?

4. Wie entwickelten sich die österreichischen Verbraucherpreise seit 1986 im

Wohnbereich, insbesondere für

a) Wohnungserrichtung,

b) Mieten,

c) Instandhaltung,

d) Beleuchtung und Beheizung

in absoluten Zahlen und prozentuell?

5. In welchem Ausmaß hat der überproportionale Anstieg der Preise im Ge-

sundheits- und Wohnbereich im Sinne der Punkte 3 und 4 zur Erhöhung

des österreichischen Verbraucherpreisindex in den letzten zehn Jahren

beigetragen?

6. Welche Waren enthält der Warenkorb des EU-Verbraucherpreisindex

nach der sogenannten "Harmonisierung" im einzelnen?

7. Mit welcher Begründung wurden die Preise im Gesundheitsbereich aus

den Ermittlungen ausgeklammert?

8. Mit welcher Begründung wurden die Preise im Wohnbereich aus den Er-

mittlungen ausgeklammert?

9. Wer war österreichischerseits an der Entscheidung, die Preise in den Be-

reichen Gesundheit und Wohnen aus dem "harmonisierten" EU-Verbrau-

cherpreisindex auszuklammern, beteiligt?

10. Wie wird in Zukunft die Preisentwicklung in den Bereichen Gesundheit

und Wohnen für Österreich ermittelt?

11 . Welche Berechnungen führten zu dem augenscheinlich unterschätzten

Ergebnis, wonach die Teuerungsraten nach dem neuen "harmonisierten",

um den Gesundheits- und Wohnbereich "bereinigten" EU-Verbraucher-

preisindex nur um zwei bis drei Zehntelprozentpunkte niedriger sein wer-

den als bisher?

12. Wie hoch waren die jährlichen Kosten für die Ermittlung des österreichi-

schen Verbraucherpreisindex 1994, 1995 und 1996?

13. Wie hoch werden diese Kosten jährlich ab 1997 geschätzt?

14, Welchen Beitrag leistet Österreich seit dem EU-Beitritt jährlich für das

Eurostat insgesamt?

15. Wie hoch sind die Budgetmittel, die das Eurostat jährlich für die Ermittlung

des "harmonisierten" EU-Verbraucherpreisindex verbraucht?

16. Welchen Nutzen außer einer unrealistisch niedrig erscheinenden Infla-

tionsrate hat Österreich von diesem "harmonisierten", um wesentliche

Ausgabenanteile wie Wohnen und Gesundheit "bereinigten" EU-Verbrau-

cherpreisindex außerhalb der virtuellen Realität, also im wirklichen Leben

der Bevölkerung?

1 7. Welche Auswirkungen hat diese unrealistisch niedrige Teuerungsrate ins-

besondere

a) bei Lohnverhandlungen,

b) bei Pensionsanpassungen

in den Folgejahren?"

Diese Anfrage beantworte ich wie folgt:

Einleitend ist auf folgende allgemeine Aspekte zur Erstellung von

Verbrauchpreisindizes (VPIs) hinzuweisen:

Die Erstellung von Verbraucherpreisindizes besteht aus der Sammlung und

Aufbereitung von Daten über Preise und Ausgaben auf Grundlage von

spezifischen Konzepten, Definitionen, Methoden und Praktiken. VPIs werden

im allgemeinen als "Lebenshaltungskostenindizes" oder als "Preisindizes"

bezeichnet. Erstere werden vor allem für die Messung der Kaufkraft von

Einkommen verwendet, letztere als genereller Indikator für die Preissteigerung

(Inflation). Die Wahl eines Konzepts und der Gebrauch eines spezifischen

Index für politische Entscheidungen hat wichtige Auswirkungen für die Budget-,

Fiskal- und Währungspolitik.

Es besteht bisher keine international abgestimmte operationale Definition für

die Inflation, wodurch die nationalen VPIs sich in ihren Konzepten, wie auch in

ihren Definitionen, Methoden und Praktiken unterscheiden. Es laufen daher

sowohl im Rahmen der OECD als auch in den einschlägigen Gremien der

Europäischen Union wirtschaftspolitische und wissenschaftliche Diskussionen

über die Möglichkeiten einen auf die jeweiligen Mitgliedstaaten generell

anwendbaren Maßstab für die Preisentwicklung zu finden.

Der mit März 1997 gestartete Harmonisierte Index der Verbraucherpreise zielt

darauf ab, in vergleichbarer Form die Preisentwicklung für die Konsumenten in

den Mitgliedstaaten der Europäischen Union zu messen. Dabei wurden auch

die Qualitätsstandards generell erhöht und diese werden nun auch in die

nationalen VPIs übernommen. .

Der Maastricht-Vertrag stellt klar, daß das Preisstabilitätskriterium und die Wäh-

rungspolitik im Hinblick auf die einheitliche Währung in der Stufe 111 der

Wirtschafts- und Währungsunion auf Grundlage von Konsumentenpreisindizes,

die auf einer "vergleichbaren Basis" unter Berücksichtigung der Differenzen in

den nationalen Definitionen erstellt wurden, zu beurteilen sind.

Der Harmonisierte Index der Verbraucherpreise stellt insofern bereits einen

europäischen Standard dar, als sich dem Konzept nicht nur die derzeitigen

Mitgliedstaaten der EU , sondern auch die EWR-Mitgliedstaaten und

zunehmend auch die 11 beitrittswilligen Staaten anschließen.

Der Prozeß der Harmonisierung ist noch nicht endgültig abgeschlossen. Die

wichtigsten Gründe für mögliche Fehlinterpretationen sind identifiziert und

werden weiter behandelt, um die Methoden laufend zu verbessern und die

Aussagekraft damit zu erhöhen.

Unabhängig davon, daß Österreich an diesen Arbeiten zum Harmonisierten

Index der Verbraucherpreise - seinen Verpflichtungen nachkommend -

laufend mitwirkt, bleibt aber der Verbraucherpreisindex (VPI) der für die

Messung der Preisänderungen in Österreich relevante und sachlich am

besten geeignete Wert. Es ist nicht beabsichtigt, den VPI durch eine andere

Reihe zu ersetzen oder von der laufenden Kontrolle notwendiger

Anpassungen durch die Sozialpartner abzugehen.

Durch die Aufrechterhaltung dieses bewährten Systems wird sichergestellt,

daß die österreichischen Maßzahlen einem allfälligen Versuch einer

ungerechtfertigten Einflußnahme entzogen sind.

Zu Frage 1:

Vor der Konsumerhebung 1993/1994 enthielt der Warenkorb des österreichi-

schen VPI die in der Beilage A (VPI 1986-Warenkorb) angeführten Waren und

Dienstleistungen.

Nach der Konsumerhebung 1993/1994 entfielen in den einzelnen Verbrauchs-

gruppen die in der Beilage B (VPI 1996) angeführten Indexpositionen. Die Be-

gründung hiefür ist ebenfalls der Beilage B zu entnehmen. Im Gegenzug wur-

den jedoch neue Waren und Dienstleistungen in den Warenkorb aufgenommen

(siehe Beilage C).

Zu Frage 2:

Die Anzahl der Positionen im Warenkorb und die Gewichtung der Verbrauchs-

gruppen vor und nach der Konsumerhebung 1993/1994 ist der Beilage D zu

entnehmen.

ZZ Frage 3:

Die Entwicklung der österreichischen Verbraucherpreise seit 1986 im Gesund-

heitsbereich allgemein und in den in der Frage 3a bis 3d angeführten Teilbe-

reichen ist der Beilage E (Spalten: "Meßziffer" und "%-Veränderungen im Vor-

jahr") zu entnehmen.

Zu Frage 4:

Die Entwicklung der österreichischen Verbraucherpreise seit 1986 im Wohnbe-

reich allgemein und in den in der Frage 4a bis 4d angeführten Teilbereichen ist

ebenfalls der Beilage E (Spalten: "Meßziffer" und "% -Veränderungen im Vor-

jahr") zu entnehmen.

Zu Frage 5:

Es wird abermals auf die Beilage E (Spalte.. "Einfluß auf den Gesamtindex' )

verwiesen. Der Einfluß drückt den Anteil an der gesamten Veränderungsrate

aus,. die Summe aller Einflüsse aller Waren ergäbe die gesamte jährliche

Veränderungsrate.

Zu Frage 6:

Der Harmonisierte Index enthält 678 Waren und Dienstleistungen, jedoch mit

einer unterschiedlichen Gewichtung, wie aus Beilage F hervorgeht. Jene 32

Waren und Dienstleistungen, die im HVPI nicht enthalten sind, werden in Bei-

lage G angeführt.

Zu Frage 7:

Dies geschah deshalb, da die Ausgaben im Gesundheitsbereich in hohem Ma-

ße von der öffentlichen Hand getragen bzw. bestimmt werden und somit in den

einzelnen EU-Mitgliedstaaten schwer vergleichbar sind.

Jene Ausgaben für Gesundheit, welche zur Gänze vom Konsumenten selbst

bezahlt werden, sind bereits jetzt im HVPI vertreten. Diese haben lediglich

0,4 % Anteil an Gesamtgewicht.

Zu Frage 8:

In den HVPI gehen derzeit nur die Ausgaben für Mietwohnungen ein, nicht je-

doch jene für Eigentumswohnungen (keine Rückzahlungsraten und Zinsen). Er

soll keinerlei Ausgaben enthalten, die spezifisch von Wohnungseigentümern für

die eigene Wohnung getätigt werden, da diese als "Investitionen" anzusehen

sind und Investitionen aus dem Index der Verbraucherpreise ausgeschlossen

bleiben.

Es ist daher nicht der gesamte Wohnbereich ausgeklammert, sondern nur der

eigentümerbenützte Anteil. Der Anteil der Mieten (inkl. Betriebskosten) macht

5,6% des Gesamt-HVPI aus. Die Einbeziehung von eigentümerbenütztem

Wohnraum stellt die letzte im HVPI noch ungelöste Problematik dar.

Im übrigen ist der Erwerb von Eigentumswohnungen und -häusern auch im

nationalen VPI nicht enthalten, sondern nur Umbauten und Reparaturen, sowie

in den monatlichen Zahlungen enthaltene Raten für Eigentumswohnungen.

Zu Frage 9:

Diese Entscheidung wurde in einer Ratsverordnung (VO Nr. 2494/95 des Ra-

tes) und darauf fußenden Kommissionverordnungen (VO Nr. 1749/96 und

2214/96) festgelegt.

Zu Frage 10:

Im VPI sind nach wie vor die wichtigsten von den Konsumenten zu den Be-

reichen Wohnung und Gesundheit selbst getätigten Ausgaben enthalten. Eine

detaillierte Aufstellung der Gewichtung ist der Beilage F (Verbrauchsgruppen 3

bis 5, 7 und 8) zu entnehmen.

Zu Frage 11 :

Die Berechnung des sog. "Interimsindex" (Phase 1 des HVPI bis 1997) war

dadurch charakterisiert, daß die international besonders schlecht vergleich-

baren Bereiche wie Gesundheit, Erziehung, Versicherungen, Pauschalreisen

und "Imputierte Mieten" (für von Eigentümern selbst genützte Wohnungen)

ausgeklammert blieben, da nicht alle Staaten diese in den lndex einbezogen

haben oder sonst gleichartig handhaben (vgl. Beilage H, Artikel aus den

Statistischen Nachrichten 04/96).

In den HVPI (Phase 11) gehen ein unterschiedliches Gewichtungsschema (vgl.

Beilage F), eine unterschiedliche Berechnungsmethode (geometrisches Mittel)

sowie in Zukunft gewisse Änderungen bei der Aufarbeitung ein (vgl. Beilage 1,

Artikel aus den Statistischen Nachrichten 11/96). Das Resultat sind die vorlie-

genden Berechnungen, die allerdings nur vorläufigen Charakter haben.

Zu Frage 12:

In Summe betrugen die Kosten für die Ermittlung des österreichischen VPI:

- 1994: 11,7 Millionen Schilling

- 1995: 13,9 Millionen Schilling

- 1996: 16,0 Millionen Schilling

gerundet. Eine genauere Aufstellung ist der Beilage J zu entnehmen.

Zu Frage 19:

Aufgrund der Beendigung der Revisionsarbeiten werden die Kosten zur Be-

rechnung des VPI ab 1997 auf rund 15 Millionen Schilling jährlich geschätzt.

Zu Frage 14:

Wie mir vom Österreichischen Statistischen Zentralamt mitgeteilt wird, können

von diesem keine Kostenangaben bzw. -schätzungen gemacht werden, da die

statistischen Arbeiten für das Eurostat mit Arbeiten, die für das Statistische Amt

der UNO, für die OECD, für den Währungsfonds und für die innerstaatlichen

österreichischen Anforderungen durchgeführt werden, derart verwoben sind,

daß für eine Trennung der Kosten auch eine grobe Schätzung nicht gemacht

werden kann.

Zu Frage 15:

Für "Maßnahmen für die Implementierung des HVPI" stellt Eurostat in den Jah-

ren 1996 und 1997 je 1,5 Millionen ECU den Mitgliedstaaten zur Verfügung, so-

fern damit zwei Drittel der nachgewiesenen zusätzlichen Kosten abgedeckt

werden. Auf Österreich entfallen dabei je 105.000 ECU in den Jahren 1996 und

1997.

Zu Frage 16:

Der HVPI ermöglicht eine vergleichbare Messung der Entwicklung der Verbrau-

cherpreise in den EU-Staaten und stellt damit einen Maßstab für das Maa-

stricht-Kriterium "Preisstabilität" für alle EU-Staaten dar.

Zur Formulierung "unrealistisch niedrig erscheinende Inflationsrate" wäre anzu-

merken, daß an den Beratungen, die zur Formulierung der EU-Verordnungen

geführt haben, Preisstatistiker aus 18 europäischen Staaten sowie zusätzlich

von Eurostat beauftragte Experten teilgenommen haben und teilnehmen. In

den Verhandlungen versuchten die beteiligten Preisstatistiker, die in ihrem

Land als gut und wertvoll erkannten Praktiken zu übernehmen und zugleich

einen EU-weit vergleichbaren Preisindex zu erstellen ("best practice").

Zu Frage 17:

Wie bereits einleitend erwähnt, steht für den nationalen Bereich weiterhin der

österreichische Verbraucherpreisindex zur Verfügung. Soweit keine rechtliche

Verpflichtung dazu besteht, bestimmte Werte anzuwenden, ist jedoch davon

auszugehen, daß Verhandlungspartner die Freiheit haben, ihre Forderungen

durch von ihnen gewählte statistische Unterlagen zu untermauern. Allfällige

Auswirkungen können seriöserweise nicht abgeschätzt werden.