2269/AB XX.GP
Die Abgeordneten zum Nationalrat Anschober, Freundinnen und
Freunde haben am 10. April 1997 unter der Nr. 2243/J an mich eine
schriftliche parlamentarische Anfrage betreffend Transitverkehrsrege-
lungen der Schweiz gerichtet, die folgenden Wortlaut hat:
"1 . Welche konkreten Vereinbarungen haben Sie bei Ihrem
Schweizbesuch am 24. Februar 1997 in der Schweiz mit Ihren
Gesprächspartnern Bundespräsident Arnold Koller, Außenmi-
nister Flavio Cotti und Verkehrsminister Moritz Leuenberger im
Zusammenhang mit der Transitverkehrsproblematik getroffen?
2. In den Medien werden Sie mit der Aussage zitiert, daß mit den
anderen 14 EU-Staaten bereits vereinbart worden wäre, daß
jede Transitregelung, die die EU in bilateralen Verhandlungen
der Schweiz zugestehen sollte, auch für Österreich Gültigkeit
haben werde. In welcher Form wurde diese Vereinbarung mit
den 14 anderen EU-Staaten getroffen? Wie ist ihr genauer Wort-
laut und welche rechtliche Verbindlichkeit besitzt diese Verein-
barung?
3. Die Schweiz hat in den Verhandlungen mit der EU eine Maut-
obergrenze von 600 Franken (4.836 Schilling) für LKW vorge-
schlagen. Wie beurteilen Sie die Chancen, daß sich die Schweiz
mit dieser Forderung in der EU durchsetzen
wird?
4. Wo liegt für Österreich die Schmerzgrenze hinsichtlich der zuläs-
sigen Mautobergrenze?
5. Vor Pressevertretern in Bern haben Sie angeblich erklärt, daß
Österreich noch in diesem Jahrtausend eine faire, wegeabhän-
gige Gebührenmaut für LKW auf dem gesamten Straßennetz
einführen will. Heißt dies, daß Sie vom bisherigen Ziel eines
Road-Pricings ausschließlich auf dem hochrangigen Straßennetz
(Autobahnen und Schnellstraßen) abgehen wollen und stattdes-
sen eine flächendeckende Gebührenmaut etwa in Form einer
Kilometerabgabe einführen wollen?
6. Wie beurteilen Sie den derzeitigen Stand der Verhandlungen
innerhalb der EU zur Neugestaltung der Wegekostenrichtlinie?"
Diese Anfrage beantworte ich wie folgt:
Zu Frage 1 :
Bei dem Treffen am 24. Februar 1997 mit Bundespräsident KOLLER,
Außenminister COTTl und Verkehrsminister LEUENBERGER wurden
im Zusammenhang mit den Verkehrsverhandlungen EU/Schweiz kei-
nerlei konkrete Vereinbarungen getroffen, sondern lediglich der aktu-
elle Stand der Verhandlungen diskutiert.
Zu Frage 2:
Eine solche Aussage habe ich nicht getroffen. lch habe allerdings
regelmäßig darauf hingewiesen, daß eine transitverkehrsmäßige
Besserstellung der Schweiz als Nicht-EU-Mitgliedstaat im Verhältnis
zu Österreich nicht akzeptabel sei.
Prinzipiell soll eine Vergleichbarkeit der Gebühren im Alpenraum
ermöglicht werden, um Umwegverkehr zu vermeiden. Dieser öster-
reichische Ansatz wurde von den übrigen Mitgliedstaaten der Euro-
päischen Union sowohl im Rat Allgemeine Angelegenheiten als auch
im Rat der Verkehrsminister zustimmend zur
Kenntnis genommmen.
Zu Frage 3:
Der EU-Verkehrsministerrat hat die Forderung der Schweiz nach Ein-
hebung einer Transitgebühr von 600 SFR ab dem Jahr 2005 bereits
anläßlich der informellen Ratstagung am 31. Jänner und 1. Februar
1997 in Amsterdam kategorisch abgelehnt; diese Haltung wurde an-
läßlich der formellen Ratstagungen vom 11./12 März 1997 in Brüssel
bekräftigt.
Zu Frage 4:
Da Österreich (ebenso wie Frankreich) bereits heute vom Umwegver-
kehr aus der Schweiz in hohem Maß betroffen ist, muß im Rahmen
der zu treffenden Regelung sichergestellt werden, daß dieser Umweg-
verkehr von der Schweiz zurückgenommen wird und künftig kein
zusätzlicher ensteht. Hiezu ist es notwendig, sowohl die verkehrs-
politischen Rahmenbedingungen als auch die Gebührenregelungen
im Alpenraum aufeinander abzustimmen.
Die Schmerzgrenze im Gebührenbereich liegt für Österreich daher
dort, wo die Vergleichbarkeit der Gebührenhöhe im alpenquerenden
Güterverkehr, wie sie von der überwältigenden Mehrheit der EU-Mit-
gliedstaaten als unabdingbare Voraussetzung für die Zustimmung der
EU-Verkehrsminister zum Landverkehrsabkommen mit der Schweiz
gefordert wird, nicht gegeben ist.
Zu Frage 5:
Mit dem von der Bundesregierung als Regierungsvorlage eingebrach-
ten und vom Parlament beschlossenen Bundesstraßenfinanzierungs-
gesetz 1996 wurde die Einführung eines fahrleistungsabhängigen
Mautsystems (Road-Pricing) auf hochrangigen Straßen für Lkw ab
dem Jahr 1998 sowie für Pkw ab dem Jahr 2001 festgelegt. Eine
Ausdehnung auf das nichthochrangige Straßennetz ist nicht geplant.
Ergänzend sei angemerkt, daß eine
solche Maßnahme aufgrund des
bestehenden EU-Rechtes nur für in Österreich zugelassene Kraft-
fahrzeuge gelten würde.
lm übrigen verweise ich auf die federführende Zuständigkeit des Bun-
desministers für wirtschaftliche Angelegenheiten für die Einführung
des Road-Pricings.
Zu Frage 6:
Da Österreich bei den Verhandlungen über die Neugestaltung der EU-
Wegekostenrichtlinie auf allen Ebenen immer wieder mit Nachdruck
darauf hingewiesen hat, daß diese Frage in unmittelbarem Zusam-
menhang mit den Verhandlungen der EU mit der Schweiz im Landver-
kehrsbereich steht und daher im Rahmen der neuen Wegekostenricht-
linie jedenfalls eine Sonderlösung für die Brennermaut-Problematik
vereinbart werden muß, legte der zuständige Kommissar KINNOCK
anläßlich der letzten Tagung des EU-Verkehrsministerrates am 11 ./
12. März 1997 in Brüssel einen dementsprechenden Vorschlag vor,
der - wie Kom. KINNOCK mit Nachdruck betonte - auf einen
Kompromiß dahingehend abzielt, die Anliegen aller Mitgliedstaaten so
weit wie möglich zu berücksichtigen, ohne die notwendige
Einstimmigkeit für die Beschlußfassung der Richtlinie zu gefährden.
Aus österreichischer Sicht ist die Tatsache, daß die Kommission so-
wie die überwiegende Mehrheit der EU-Mitgliedstaaten nunmehr be-
reit sind, im Rahmen der neuen Wegekostenrichtlinie einer Sonder-
lösung für den Brenner-Korridor
zuzustimmen, grundsätzlich positiv zu
bewerten. Die von der EU-Kommission vorgeschlagene "Alpenklausel"
stellt jedenfalls eine geeignete Ausgangsbasis für eine künftige
Gesamtlösung dar, die jedoch noch einer weiteren Diskussion sowohl
auf nationaler Ebene wie auf Gemeinschaftsebene bedarf.