2275/AB XX.GP
Die Abgeordneten zum Nationalrat Dipl.lng. Prinzhorn und Kollegen haben am
17. April 1997 unter der Nr. 2313/J an mich eine schriftliche parlamentarische
Anfrage betreffend Rechtsbereinigung gerichtet, die folgenden Wortlaut hat:
„1 . Wurden von der Bundesregierung im Interesse einer umfassenden
Rechtsbereinigung in der XIX. GP und im bisherigen Verlauf der XX. GP
konkrete Maßnahmen ergriffen?
Wenn ja, welche?
Wenn nein, warum nicht?
2. Wurden die in der Anfragebeantwortung vom 27. März 1995 angestellten
Überlegungen durch konkrete Maßnahmen umgesetzt?
Wenn ja, durch welche?
Wenn nein, warum nicht?
3. Wurden bereits Maßnahmen getroffen, um das im Koalitionsüberein-
kommen genannte mittelfristige Ziel einer Bundesrechtssammlung mit
übersichtlicher Gliederung des Bundesrechts zu erreichen?
Wenn ja, welche?
Wenn nein' warum nicht?
4. Teilen Sie die Auffassung, daß im Interesse einer umfassenden Rechts-
bereinigung der gesamte Normenbestand einer Überprüfung nach fol-
genden Grundsätzen zu unterziehen ist:
a) Bedarf es der Regelung?
b) Welche Rechtsqualität soll die Regelung besitzen?
c) Können bestehende Regelungen zusammengefaßt oder vereinheitlicht
werden?
d) lst der Regelungsumfang erforderlich?
e) lst die Regelung verständlich?
Wenn ja, inwieweit und welche konkreten Maßnahmen werden Sie er-
greifen?
Wenn nein, warum nicht?
5. Bestehen konkrete Überlegungen bezüglich einer Rechtsbereinigung im
Bereich des
a) ABGB
b) ASVG
c) des Gewerberechtes
d) des Steuerrechtes
e) des Dienstrechtes des Bundes?
Wenn ja, welche?
Wenn nein, warum nicht?
6. Bestehen bezüglich anderer Rechtsbereiche diesbezügliche konkrete
Überlegungen?
Wenn ja, welche?
Wenn nein' warum nicht?
7. Sind in den letzten Jahren Aspekte der Rechtsbereinigung und Rechtsver-
einfachung bei den Gesetzesanträgen der Bundesregierung beachtet
worden?
Wenn ja' welchen konkreten Regierungsvorlagen lagen welche konkreten
Aspekte der Rechtsbereinigung und Rechtsvereinfachung zugrunde?
Wenn nein, warum nicht?"
Diese Anfrage beantworte ich wie folgt:
Zu Frage 1:
Die Bundesregierung hat in ihrer Sitzung vom 9. Juli 1996 beschlossen, die
Bereinigung der vor 1946 erlassenen und dem österreichischen Rechtsbestand
noch angehörenden Rechtsnormen wie folgt
durchzuführen:
Die Rechtsbereinigung wird - unter Mithilfe des Bundeskanzleramtes - von den
einzelnen Ressorts vorgenommen, was aus folgenden Gründen notwendig ist:
Zum einen verbietet die derzeitige (und sicherlich auch künftige) Ressourcen-
knappheit den Aufbau eines zusätzlichen Apparates für Zwecke der Durch-
führung der Rechtsbereinigung. Zum anderen findet sich nur in den zustän-
digen Fachabteilungen der Bundesministerien jenes Fachwissen, welches, ge-
paart mit der genauen Kenntnis der realen Notwendigkeiten und der politischen
Möglichkeiten, Voraussetzung für eine zielführende Rechtsbereinigung ist.
Ausgehend von der Einsicht, daß die für eine Rechtsbereinigung notwendige
spezielle Expertenkapazität nicht beliebig vermehrbar ist' sind in der ersten
Phase nur die vor 1946 erlassenen Normen in Gesetzes- oder Verordnungs-
rang Gegenstand des Projekts. Es handelt sich hiebei um etwa 500 Stamm-
normen (unter einer Stammnorm ist die Urfassung einer Rechtsvorschrift samt
allen zugehörigen Novellen zu verstehen); davon stehen etwa 350 im Ge-
setzesrang und 150 im Verordnungsrang. Gemessen am Gesamtbestand des
österreichischen Bundesrechtes' das derzeit etwas mehr als 4500 Stammnor-
men umfaßt' betrifft das vorliegende Rechtsbereinigungsprojekt etwa 20 % der
im Gesetzesrang stehenden Normen (unter Außerachtlassung der Staatsver-
träge).
Dadurch ist es möglich, schon nach kurzer Zeit - mit der Durchführung des
Ministerratsbeschlusses wurde im Herbst 1996 begonnen - bereits konkrete
Ergebnisse vorweisen zu können. Die einzelnen Ressorts sind selbstver-
ständlich nicht gehindert (z.B. in einzelnen, besonders wichtigen Rechtsma-
terien)' die Rechtsbereinigung bis in die Gegenwart fortzuführen. Flächen-
deckend wird jedoch zunächst bis 1946 bereinigt.
Eine Sichtung der von Österreich abgeschlossenen Staatsverträge ist einem
gesonderten Bereinigungsprojekt vorbehalten.
Zur Vorbereitung der Bereinigungsarbeit wurden vom Bundeskanzleramt Listen
mit allen vor 1946 erlassenen und noch geltenden Bundesrechtsnormen erstellt
und entsprechend der Zuständigkeitsverteilung des Bundesministeriengesetzes
nach Ressorts geordnet. Diese Ressort-Bereinigungslisten wurden den Bun-
desministerien übermittelt' wo sie von den zuständigen Fachabteilungen im
Hinblick auf Bereinigungsmöglichkeiten geprüft werden. Durch diese Arbeits-
teilung konnte ein zusätzlicher Planstellenaufwand bisher vermieden werden.
Ergebnis der Analyse der Normenlisten sind die sogenannten Ressortarbeits-
programme, in welchen für jede einzelne Norm festgelegt ist, welches Rechts-
bereinigungsschicksal ihr zugedacht ist, ob sie also - zeitlich unbegrenzt oder
begrenzt - aufrecht erhalten oder beseitigt werden soll, und zwar ersatzlos oder
in Form der Einordnung in die sachlich in Betracht kommende Schwer-
punktregelung. Diese Arbeit konnte in Zusammenarbeit zwischen den jeweils
sachlich zuständigen Bundesministerien und dem Verfassungsdienst des
Bundeskanzleramtes für einige Ressorts bereits weitgehend abgeschlossen
werden. Weiterzuführen sind die Arbeiten insbesondere noch mit dem
Bundesministerium für Justiz, dem hinsichtlich der Bereinigung der vor 1946
erlassenen Normen eine überproportionale Belastung aus dem Umstand
erwächst, daß fast die Hälfte der aus dieser Zeit noch in Geltung stehenden
Normen in seinen Kompetenzbereich fällt.
Anhand der Ressort-Arbeitsprogramme wird bei jeder Novellierung aus
aktuellem Anlaß versucht, auch rechtsbereinigende Maßnahmen mitzuer-
ledigen; weiters werden die Weitergeltungslisten im künftigen Rechtsbereini-
gungsgesetz auf der Grundlage der Ressort-Arbeitsprogramme erstellt werden.
Nach Absicht des Bundeskanzleramtes soll schließlich die Zusammenfassung
der Rechtsbereinigungsbemühungen in einem Rechtsbereinigungsgesetz in
folgender Form erfolgen:
- Alle Normen' die in den Listen des Rechtsbereinigungsgesetzes nicht aus-
drücklich angeführt sind' werden als nicht mehr geltend festgestellt.
- Das Rechtsbereinigungsgesetz soll zwei Listen enthalten: eine Liste mit den
zeitlich unbeschränkt weitergeltenden Normen sowie eine Liste, in der Nor-
men anzuführen wären, die zwar noch weitergelten sollen, aber spätestens
mit einem bestimmten Datum (z.B. 1.1.2005) außer Krafttreten.
Auf diese Weise wird die Möglichkeit geschaffen' Rechtssicherheit durch das
Rechtsbereinigungsgesetz bereits zu einem Zeitpunkt zu schaffen' zu dem
noch nicht alle Bereinigungsvorhaben (z.B. Neukodifikationen umfangreicher
Gesetze) abgeschlossen werden konnten.
Ein diesbezüglicher Ministerratsvortrag wird nach Abschluß der Arbeiten an den
Ressortarbeitsprogrammen eingebracht werden.
Zu Frage 2:
Bezüglich der bereits umgesetzten Maßnahmen verweise ich auf die Beantwor-
tung der Frage 1. Ergänzend ist anzuführen, daß die Ergebnisse aus 7 Res-
sorts zeigen' daß zumindest mittelfristig, d.h. im Lauf etwa der nächsten 5 bis 7
Jahre, 30 - 40 % der Normen aus dem untersuchten Zeitraum aufgehoben
werden können.
Diese Aufhebung soll - anhand der Ressortarbeitspläne - zum Teil im Zuge
laufender Novellierungen oder Neukodifizierungen erfolgen, zum Teil durch das
geplante Rechtsbereinigungsgesetz. Die Einmahnung von Rechtsbereinigungs-
schritten im Zuge laufender Novellierungen geschieht bereits derzeit dort, wo
die Arbeitspläne feststehen - sie sind ein wesentliches Hilfsmittel bei einer
systematisch geordneten und abgestimmten
Vorgangsweise.
Zu Frage 3:
Eine Zusammenstellung der Titel und Fundstellen des gesamten geltenden
Bundesrechts in übersichtlicher systematischer Gliederung besteht bereits in
Form des vom Bundeskanzleramt herausgegebenen "lndex des geltenden
Bundesrechts."
lm Rechtsinformationssystem des Bundes (RIS) werden - nach der Systematik
des lndex geordnet - die österreichischen Bundesrechtsvorschriften im Volltext
dargestellt und zwar in mehrfacher zeitlicher Fassung, d.h. unter Einschluß von
Novellen. Im RIS sind bereits etwa 90 % des geltenden Bundesrechts erfaßt.
Zu Frage-4:
Ja.
Konkrete Maßnahmen in dieser Richtung sind das oben dargestellte Projekt,
aber auch besondere Projekte bezüglich einzelner Gesetzesmaterien. Ich
weise insbesondere auf Bereinigungsarbeiten betreffend das ASVG' das
betriebliche Anlagenrecht, das Verwaltungsverfahrensrecht oder große Gebiete
des Justizrechts (wie z.B. Außerstreitrecht, Genossenschaftsrecht' Insolvenz-
recht), u.a.m. hin.
Zu Frage 5a:
Derzeit bestehen keine konkreten
Überlegungen in dieser Hinsicht.
Zu Frage 5b:
Eine eigens dafür eingesetzte Kommission hat die Bereinigung des ASVG
bereits beraten.
Zu Frage 5c:
Die letzte Gewerberechtsnovelle hatte die Deregulierung auf diesem Gebiet
zum Ziel.
Zu Frage 5d:
Eine Steuerreformkommission zur Neuordnung und Vereinfachung des
Steuerrechts wurde beim Bundesministerium für Finanzen geschaffen.
Zu Frage 5e:
Die Neuordnung des Dienstrechts des Bundes ist, wie bekannt' derzeit in Dis-
kussion; an einem neuen Vertragsbedienstetenrecht wird gearbeitet.
Zu Fraae 6:
Ich verweise auf die Beanfwortung der Frage 4.
Zu Frage 7:
Alle Neukodifizierungen von Rechtsgebieten enthalten auch rechtsbereinigende
Aspekte. Es wird diesbezüglich jeweils auf die Übergangs- und Schlußbestim-
mungen dieser Gesetze bzw. Gesetzesentwürfe verwiesen, in welchen über-
holte Rechtsvorschriften in dem neugeregelten Gebiet ausdrücklich aufgeho-
ben werden (beispielsweise im jüngst
erlassenen Chemikaliengesetz oder im
lnsolvenzrechtsänderungsgesetz 1997, weiters im Entwurf einer Tierseuchen-
gesetznovelle etc.). Die Aufhebung überholter Rechtsvorschriften kann - wie
bereits in Beantwortung der Frage 1 dargestellt - mit Hilfe des jeweiligen Res-
sortarbeitsprogramms noch gezielter vorgenommen werden als bisher.