2322/AB XX.GP
Die Abgeordnete zum Nationalrat Pollet-Kammerlander, Freundinnen und Freunde,
haben am 6. Mai 1997 unter der Nr. 2358/J-NR/97 an mich eine schriftliche Anfrage
betreffend die Albanien-Politik Österreichs gerichtet, welche den folgenden Wortlaut
hat:
"1 . Hatten Sie im vergangenen Monat Kontakt mit dem albanischen Präsidenten
Berisha und wie gestaltete sich dieser? Wie schätzen Sie dessen Haltung in der
Frage der Neuwahlen ein?
2. Halten Sie Präsident Berisha nach wie vor für die politisch und demokratisch
repräsentative Kraft, die imstande ist, jene von politischem Streit, sozialer und
wirtschaftlicher Krise betroffene Gesellschaft zu integrieren?
3 . Der politische Auftrag der militärischen Kräfte ist nicht wirklich eindeutig. Eine
politische Lösung der Konfliktparteien ist noch nicht wirklich erkennbar. Die
Vorlage der Regierung an den Hauptausschuß gab an, die Soldaten dienten zum
Schutz der humanitären Hilfslieferungen. Der OSZE-Vorsitzende und dänische
Außenminister Petersen meinte, die internationalen Streitkräfte mögen auch die
Entwaffnung der albanischen Bevölkerung herbeiführen. Darüber hinaus wurden
immer wieder Stimmen laut, die die Stärkung der albanischen Ordnungskräfte als
wichtigste Aufgabe der Interventionskräfte vorschlugen. Welches Ziel oder welche
Ziele sehen Sie Herr Außenminister hinter dem Militäreinsatz?
4. Die UN-Sicherheitsratsresolution, die die Basis für den jetzigen Einsatz bildet,
beinhaltet ein Kapitel VII-Mandat, das "Zwangs- und Gewaltmaßnahmen" für die
"Sicherheit und Bewegungsfreiheit der Schutztruppe" vorsieht. Ein ganz ähnliches
Mandat hatte die UN-Truppe in Somalia. Auch dort war das politische Ziel und der
militärische Auftrag nicht eindeutig. Das Ende der Mission ist bekannt. Sehen Sie
nicht bei weitem größere Dringlichkeit politisch-diplomatische, wirtschaftliche,
soziale und kulturelle Maßnahmen mittels Zivilexpertinnen und -experten zu
ergreifen als die Beteiligung Österreichs
am internationalen Militäreinsatz "Alba"?
5 . Welche Maßnahmen sind nun zur Unterstützung und Vorbereitung der Neuwahlen
von österreichischer Seite vorgesehen? Wieviele Experten wird Österreich der
OSZE dafür zur Verfügung stellen?
6. Wie sehen Sie die Kritik eines führenden außenpolitischen Journalisten in "Die
Presse" am Albanien-Einsatz, der diesen wörtlich als "Kanonenbootpolitik"
bezeichnet hat?
7. Die beim österreichischen Albanien-Einsatz auflaufenden Kosten werden den
österreichischen Staatshaushalt 1997 mit zusätzlich bis zu 100 Millionen Schilling
belasten. Hat es keine andere Finanzierungsmöglichkeit - beispielsweise wie bei
anderen Auslandseinsätzen des Bundesheeres aus dem laufenden Verteidigungs-
oder Außenamtsbudget - als diese Budgetüberschreitung gegeben?"
Ich beehre mich, diese Anfrage wie folgt zu beantworten.
ad 1) Nein. Der Abschluß des sog. 'Political Contract, vom 9.Mai 1997, dem auch
Präsident Berisha zugestimmt hat, sowie die darauf folgenden Vereinbarungen
zwischen den albanischen Parteien regeln diese Frage eindeutig: die Wahlen
sollen am 29. Juni 1997 abgehalten werden.
ad 2) Präsident Berisha ist der gemäß der derzeit geltenden provisorischen
albanischen Verfassung gewählte Präsident. Ob er dies weiterhin bleiben soll, hat
bis zum Inkrafttreten einer endgültigen Verfassung alleine das albanische
Parlament zu entscheiden. Dies ist einer der Gründe, warum ich mich immer für
die termingerechte Abhaltung von Wahlen ausgesprochen habe, damit Albanien
möglichst bald diese Frage selbst klären kann.
ad 3 + 4) Der Auftrag der Multinationalen Schutztruppe in Albanien ist in der
Resolution des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen 1101 definiert und lautet:
"...to facilitate the safe and prompt delivery ofhumanitarian assistance, and to
help create a secure environment for the missions of international organizations in
Albania, including those providing humanitarian assistance. ..". Darauf aufbauend
wurden die Aufgaben der Truppe durch Italien, unter dessen Kommando die
Schutztruppe steht, genauer festgelegt: a) Sicherung der wichtigsten Häfen,
Flugplätze und Grenzübergänge, um das sichere Eintreffen und die Verteilung
von internationalen Hilfsgütern zu gewährleisten, b) Herstellen der Sicherheit für
internationale Organisationen, insbesondere jene mit humanitären Aufträgen. Die
Entwaffnung der albanischen Bevölkerung
ist nicht vorgesehen.
Es ist richtig, daß einer der Schwerpunkte des internationalen Engagements in
Albanien die Stärkung bzw. Reorganisierung der albanischen Polizeikräfte ist.
Dies macht aber den Einsatz der Multinationalen Schutztruppe angesichts der in
Albanien herrschenden unsicheren Verhältnisse keineswegs überflüssig.
Vielmehr ist die Anwesenheit der Truppe zur Herstellung minimaler staatlicher
Strukturen, die wiederum ihrerseits die Grundlage für die Wirksamkeit politisch-
diplomatischer, wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Maßnahmen sind,
unerläßlich. Es geht also nicht darum, sich entweder nur an der Multinationalen
Schutztruppe zu beteiligen oder nur politisch-diplomatische, wirtschaftliche etc.
Maßnahmen zu ergreifen; zielführend kann im Falle Albaniens nur beides
zusammen sein.
ad 5) Österreich unterstützt die Vermittlertätigkeit von Altbundeskanzler Vranitzky
voll und wird sich an der von der OSZE organisierten Wahlbeobachtung mit
voraussichtlich 2-3 Langzeitbeobachtern und 20 Kurzzeitbeobachtem beteiligen.
ad 6) Die Kommentierung von Zeitungsartikeln ist kein Gegenstand der Vollziehung
des Bundes, weshalb ich um Verständnis bitte, wenn ich auf diese Frage nicht
weiter eingehe.
ad 7) Die Kosten für einen dreimonatigen Einsatz des österreichischen Kontingents in
Albanien sind mit 20 Millionen Schilling veranschlagt. Da der Einsatz kurzfristig
beschlossen wurde, war er im Budget des Bundesministeriums für
Landesverteidigung nicht vorgesehen. Alle militärischen Auslandseinsätze des
Bundesheeres werden ausschließlich vom Bundesministerium für
Landesverteidigung getragen, das Bundesministerium für auswärtige
Angelegenheiten verfügt über keinen derartigen Budgetansatz.