2328/AB XX.GP
An den
Herrn Präsidenten des Nationalrates
Parlament
Die Abgeordneten zum Nationalrat Rudolf Anschober, Freundinnen und Freunde
haben am 30. April 1997 unter der Nr. 2346/J eine schriftliche Anfrage betreffend
"Tod der Kreuzzugspolitik Österreichs gegen die Kernenergie" gerichtet, welche den
folgenden Wortlaut hat:
1 . Ist es üblich, daß Sektionschefs in den Medien Erklärungen über neue Positionen
Österreichs in wesentlichen Politikbereichen abgeben ?
2. Wurde diese Erklärung des Sektionschef Zluwa, wonach "die Kreuzzugspolitik
Österreichs gegen die Kernenergiepolitik tot ist", mit Ihnen bzw. innerhalb der
Bundesregierung akkordiert ?
3. Welche Konsequenzen ziehen Sie aus dieser Erklärung ?
4. Wurde diese neue österreichische Position gegenüber der EU und den
betreffenden kernenergienutzenden Ländern in Osteuropa bereits dargestellt ?
5. In welchen relevanten nationalen, internationalen und bilateralen Gremien und zu
welchen Anlässen wurden seitens des Sektionschefs Zluwa bereits gleichlautende
Erklärungen abgegeben ?
6. Wann haben Sie sich zuletzt für die Schaffung eines kernenergiefreien
Mitteleuropa ausgesprochen und welche diesbezüglichen Aktivitäten haben Sie
zuletzt gesetzt, bzw. welche konkreten programmatischen und strategischen Punkte
zum Erreichen dieser Zielsetzung sind darin enthalten ?
7. Was ist der genaue Zeitplan zur Behandlung der Frage des Umganges mit den
sogenannten "Ost-AKW" im Rahmen der
geplanten Osterweiterung der EU ?
8. ln welchen nationalen' internationalen' bilateralen und/der EU-Gremien wurde
bzw. wird diese Thematik behandelt' wer nahm bzw. nimmt seitens Österreich daran
teil.
9. Teilen Sie die Einschätzung des EU-Direktors Benavides Salas, wonach
Österreichs Position zur Zukunft der osteuropäischen Kernkraftwerke im Rahmen
der Osterweiterung der EU eine große Rolle spielen werde ("Der Standard",
28.4. 1 997) ?
10. Wie ist Ihre Position zu den Beschlüssen der Landtage Oberösterreichs und
Salzburgs bezüglich Abschluß von "Atomverträgen" als Voraussetzung für eine
Zustimmung Österreichs zu einem möglichen EU-Beitritt Tschechiens oder der
Slowakei ?
11 . Welche Aktivitäten im Sinne diverser Parlamentsbeschlüsse zur Änderung von
EURATOM' zur Widmung von EU-Finanzierungsinstrumenten für die Erstellung und
Umsetzung von Atom-Ausstiegskonzepten in Ostmitteleuropa, bzw. im
Zusammenhang mit dem von verschiedensten Seiten geforderten Abschluß von
Atomverträgen im Rahmen der EU-Osterweiterung werden Sie speziell anläßlich der
österreichischen EU-Präsidentschaft im Jahr 1998 setzen, und welche Vorarbeiten
dazu wurden bereits geleistet ?
12. Was ist die österreichische Position im Rahmen der Erstellung des
"Grundsatzpapieres der EU-Kommission" zur Zukunft der osteuropäischen KKW
bzw. zum neuen Nuklearprogramm der EU-Kommission, PINC, in dem unter
anderem der Bau eines "EuroReaktor-Prototyps" für die nächsten zwei bis drei Jahre
in Aussicht gestellt wird ?
Ich beehre mich, diese Fragen wie folgt zu beantworten:
Zu Fragen 1, 3 und 5:
Die in diesen Fragen behandelten Gegenstände fallen nicht in die Vollziehung des
Bundesministeriums für auswärtige Angelegenheiten, weshalb ich um Verständnis
dafür bitte, wenn ich darauf nicht näher eingehe.
Zu Frage 2:
Nein
Zu Frage 4:
Da sich die österreichische Position nicht geändert hat, bestand auch kein Anlaß,
eine Position gegenüber der EU oder den kernenergienutzenden Ländern
Osteuropas darzustellen.
Zu Frage 6:
Die Bundesregierung hat sich in der Vergangenheit wiederholt für ein
kernkraftwerks-freies Mitteleuropa ausgesprochen. Gemäß Arbeitsübereinkommen
der Bundesregierung wird die österreichische Energiepolitik ihre Aktivitäten gegen
die Nutzung der Kernenergie in internationalen sowie in bilateralen Gremien und
Institutionen fortsetzen .
Ich habe konkrete Maßnahmen gesetzt, indem ich 1996 das
Nuklearinformationsabkommen mit Slowenien unterzeichnet habe, im selben Jahr
wurde ein ähnliches, unter der Federführung meines Ressorts verhandeltes
Abkommen mit der Ukraine von Bundesminister Bartenstein unterzeichnet, und ein
ebensolches Abkommens mit Belarus von einem Vertreter meines Ressorts
paraphiert. Intensive einschlägige Verhandlungen laufen derzeit mit der Schweiz.
Diese Abkommen sind geeignet, das Sicherheitsbewußtsein im nuklearen Bereich in
den Partnerländern zu stärken und damit auf Sicht zu einem KKW-freien
Mitteleuropa beizutragen.
Bei meinem letzten Zusammentreffen mit dem tschechischen Außenminister
Zieleniec am 10. April dieses Jahres habe ich angesichts der Besorgnis der
österreichischen Öffentlichkeit erneut auch die Frage des Zwischenlagers für
Brennelemente in Dukovany angesprochen.
Zu Frage 7:
Im Rahmen der Vorbeitrittsstrategien für die Reformstaaten Zentral- und Osteuropas
bzw. des "strukturierten Dialogs" mit diesen Ländern mißt Österreich Fragen der
nuklearen Sicherheit große Bedeutung bei. Folglich wird Österreich im Rahmen
seiner Möglichkeiten dafür Sorge tragen, daß diesem Thema auch auf europäischer
Ebene gebührende Achtung geschenkt wird. Die jeweils im einzelnen zu setzenden
Schritte hängen von der weiteren Entwicklung hinsichtlich der Osterweiterung der EU
ab.
Zu Frage 8:
Zu dieser Frage verweise ich auf die Antwort des Herrn Bundeskanzlers.
Zu Frage 9:
Die Kommentierung der Äußerungen von Vertretern der EU-Kommission ist nicht
Teil der Vollziehung des Bundes. Die Bundesregierung ist sich ihrer Verantwortung
sowie der Tatsache bewußt, daß die Lösung der anstehenden Probleme ein hohes
Ausmaß an Konsens unter den
Mitgliedsstaaten der Europäischen Union erfordert.
Zu Frage 10:
Stellungnahmen zu Beschlüssen von Landtagen sind keine Angelegenheit der
Vollziehung des Bundes.
Österreich thematisiert aber konsequent Fragen der nuklearen Sicherheit im
Rahmen der Vorbeitrittsstrategien bzw. des strukturierten Dialogs insbesondere mit
der Tschechischen Republik und der Slowakei. Die Sinnhaftigkeit gesonderter
Vereinbarungen im Nuklearsektor wird zu gegebener Zeit unter den dann
gegebenen Bedingungen zu prüfen sein. Es muß jedoch darauf verwiesen werden,
daß Entscheidungen über Bau und Betrieb von kerntechnischen Anlagen auch nach
europäischem Recht weitestgehend der nationalen Souveränität unterliegen und
Sonderregelungen der Zustimmung aller Mitgliedstaaten der Europäischen Union
sowie des Beitrittswerbers bedürfen.
Zu Fragen 11 und 12:
Wie zu Frage 6 ausgeführt, nutzt das BMaA in Sinne diverser Parlamentsbeschlüsse
alle Möglichkeiten in seinen bilateralen oder internationalen Kontakten, um den
österreichischen Standpunkt hinsichtlich der Ablehnung der Kernenergie und im
Interesse grenzüberschreitender Sicherheitsvorkehrungen zu nutzen. Im übrigen
verweise ich auf die inhaltliche Zuständigkeit und die Anfragebeantwortung des
Herrn Bundeskanzlers.