2359/AB XX.GP

 

Die schriftliche parlamentarische Anfrage Nr. 2376/J-NR/97 betreffend freiwillige Frühpen-

sionierungen von Lehrern, die die Abgeordneten Marianne Hagenhofer und GenossInnen am

6. Mai 1 997 an mich richteten, wird wie folgt beantwortet:

1. Halten Sie es grundsätzlich für sinnvoll, Arbeitsmarktpolitik über Pensionsregelungen

zu betreiben?

Antwort:

Wie die Anfragesteller selbst ausführen, ist die Arbeitslosigkeit unter Junglehrern ein gravie-

rendes arbeitsmarktpolitisches Problem. Dieser Herausforderung widmen sich zahlreiche

arbeitsmarkt- und bildungspolitische Maßnahmen der Bundesregierung, darunter auch einige

meines Ressorts. Die geänderte Verteilung der Ressourcen von Mehrdienstleistungen hin zu

Anstellungen oder die Erleichterung der Teilzeitarbeit sind Ausdruck der Zielsetzung, jungen

Menschen die Chance zum Berufseinstieg zu eröffnen.

Dem steht die Erfahrung der Schulverwaltung gegenüber, daß nicht wenige Lehrer und

Lehrerinnen in den letzten Jahren vor dem Pensionsantritt den Wunsch äußern, ihre Lehr-

verpflichtung deutlich zu reduzieren oder sich vorstellen können, ihre aktive Lehrerlaufbahn

unter Inkaufnahme eines entsprechend verringerten Pensionsbezuges früher als vorgesehen zu

beenden.

Dieser Wunsch ist dabei umso realistischer, als durch die zunehmende Doppelverdienereigen-

schaft vieler Familien eine frühere materielle Prosperität erreicht wird. Dies und der relativ

günstige Abschluß der Einkommenskurve im Lehrerbereich machen die Umsetzung des zuvor

beschriebenen Wunsches für den einzelnen auch finanziell möglich.

Dabei ist im Unterschied zu anderen vorzeitigen Pensionierungsmodellen nicht an einen Abbau

bewährter und erfahrener Mitarbeiter zugunsten jüngerer gedacht, sondern entsprechend der

schon eingeführten Regelung zur Teilzeitarbeit an eine freiwillige Entscheidung des einzelnen

Lehrers.

Dieser wesentliche Unterschied zu den von den Anfragestellern angesprochenen arbeitsmarkt-

politisch bedenklichen Pensionierungstendenzen (Frühpensionierungsdruck) läßt die vorge-

schlagene Vorgangsweise als Beitrag zu einer stärkeren individuellen Gestaltungsmöglichkeit

in Fragen der Lebensplanung erscheinen.

Gerade die Freiwilligkeit und die Bandbreite der Entscheidungsmöglichkeiten läßt kein undiffe-

renziertes oder ungerechtfertigtes Privileg einer Gruppe entstehen, sondern trägt den Bedürf-

nissen des einzelnen ebenso Rechnung wie den Anforderungen der Bildungspolitik, der

Volkswirtschaft und der Gleichbehandlung vergleichbarer Gruppen.

Die in Diskussion stehenden Maßnahmen sind deshalb nicht "Arbeitsmarktpolitik durch Pensi-

onsregelungen", sondern Berücksichtigung gesellschaftlicher und arbeitsrechtlicher Wünsche,

die ökonomisch verantwortungsvoll eingebunden werden können.

Eine solche Gesamtlösung bedarf einer Anpassung des Pensionssystems anhand der lehrerspe-

zifischen Einflußgrößen.

Die Möglichkeit von "Vorruhestandsmodellen" wird auch von seiten der Lehrer (Gewerkschaft

Öffentlicher Dienst) selbst gewünscht, insbesondere um dem Burnout-Syndrom entgegenzu-

wirken. Die im Ausgleich dazu angestrebte Anstellung von Junglehrern kann auch einer aus-

gewogenen Altersstruktur des Lehrkörpers an den Schulen dienen und so zur Verbesserung

der arbeitsmarktpolitischen Voraussetzungen in der Zukunft beitragen.

2. Warum werden Alternativen zur Vermeidung von Lehrerarbeitslosigkeit nicht aus-

genützt?

2.1. Wieviele Mehrdienstleistungen werden von Lehrern pro Jahr erbracht?

2.2. Wieviele Junglehrer könnten theoretisch beschäftigt werden, wenn alle Mehr-

dienstleistungen auf Null reduziert würden?

2.3. Welche alternativen Beschäftigungsfelder sehen Sie für Junglehrer?

2.4. Welche Maßnahmen sind geplant, um die Ausbildung von Lehrern so zu gestal-

ten, daß diese auch in anderen Berufen ohne allzu große Umstellungsschwierig-

keiten tätig werden können?

Antwort:

Wie bereits ausgeführt, werden alle Möglichkeiten zur Vermeidung von Lehrerarbeitslosigkeit

zielstrebig genützt, Die Alternative, die Anstellung von Junglehrern durch Abbau von Mehr-

dienstleistungen zu ermöglichen, wird bereits seit einigen Jahren mit Erfolg praktiziert und

wird auch in den kommenden Schuljahren weiter verfolgt: Es muß jedoch festgehalten werden,

daß es im Hinblick auf die festgeschriebene Lehrverpflichtung unmöglich ist, auf Mehrdienst-

leistungen zur Gänze zu verzichten. Von den Lehrern wurden folgende Mehrdienstleistungen

erbracht:

Bundeslehrer: Monatsschnitt 1 07.000 LWSTD durch MDL

Pflichtschullehrer: Monatsschnitt 76.000 LWSTD durch MDL (1996)

Ein theoretisches Modell, welche Beschäftigungswirksamkeit eine Nullvariante bei den Mehr-

dienstleistungen entwickelt, müßte erst entworfen werden. Es hätte die regionale und lokale

Anstellungs- und Bedarfssituation, die Verfügbarkeit, die Teilzeitwünsche und standort-

spezifische Voraussetzungen sowie Ausstattungsfolgekosten zu berücksichtigen.

Für Junglehrer ergeben sich im Umfeld der Schule mehrere Berufssparten, die sie zumindest für

eine Übergangszeit ihre erworbenen pädagogischen Kompetenzen nützen lassen. Aufgaben-

felder ergeben sich in der außerschulischen Betreuung, in der Jugendarbeit sowie in zahlreichen

neu entstehenden Berufen an der Schnittstelle neuer Technologien und Didaktik. Wie für jeden

anderen akademischen Absolventen besteht in diesem Fall auch für Junglehrer die Herausforde-

rung, das eigene Qualifikationsprofil nach den Anforderungen des Arbeitsmarktes weiterzu-

entwickeln und die zahlreichen Weiterbildungsmöglichkeiten aktiv zu nützen.

Die hohe Qualifikation der Absolventen der Lehrerausbildung läßt erwarten, daß der Einstieg

in andere Berufe bereits jetzt ohne große Umstellungsschwierigkeiten gelingen kann. Dennoch

werden im Zuge der Weiterentwicklung der Pädagogischen Akademien auch Ausbildungsteile

der Grundausbildung und Zusatzangebote eingerichtet werden, die neuen pädagogischen

Berufsmöglichkeiten Rechnung tragen.

3. Welche sonstigen Maßnahmen planen Sie zur Vermeidung und Reduktion von

Lehrerarbeitslosigkeit?

Antwort:

Neben den schon angesprochenen Maßnahmen erfolgt auch eine rechtzeitige Information über

die Möglichkeiten am Arbeitsmarkt. Diese Komponente wird künftig verstärkt werden.

4. Wie begründen Sie eine bevorzugende Pensionsregelung für eine bestimmte Berufs-

gruppe, die gegenüber dem ASVG-Pensionssystem weitergehende materielle

Ansprüche hat?

4.1. Ist der Vorschlag gebunden an bestimmte Bedingungen (z.B. Rubens-

bestimmungen)?

Antwort :

Zur Aussage, es handle sich um eine bevorzugende Pensionsregelung, sollte festgehalten

werden, daß Beamte einerseits einen Pensionsbeitrag leisten, der an keine Höchstbemessungs-

grundlage gebunden ist, und andererseits keine Abfertigung erhalten. Weiters ist festzuhalten,

daß es sich bei den diskutierten Modellen nicht um Frühpensionierungen handelt, sondern um:

*) Vorruhestands(Abschlags)modell: Die anhand der statistischen Lebenserwartung errechen-

bare Gesamtpensionssumme wird (bei entsprechend niedrigeren Monatsbezügen) auf einen

längeren Bezugszeitraum verteilt, indem der Lehrer vor dem bisher frühestmöglichen

Pensionsantrittsalter in den Ruhestand tritt.

*) Nebengebührenmodell: Die bisher für die Pensionshöhe relevanten Nebengebühren wirken

sich nicht mehr auf diese aus, sondern werden in Zeitguthaben umgewandelt; d.h. der

Lehrer kann um den entsprechenden Zeitraum früher die Pension antreten.

*) Sabbatical-Modell (Freijahr): Freistellung für die Dauer eines Schuljahres in einer Rahmen-

zeit von fünf Jahren; das Entgelt des Lehrers beträgt für alle fünf Jahre 80% des Vollbe-

zuges: Voraussetzung sind eine vorangegangene mindestens zehnjährige ununterbrochene

Dienstzeit und kein wichtiger dienstlicher Grund, der der Freistellung entgegensteht. Zur

Diskussion stehen auch längere Rahmen- und Freistellungszeiträume.

Auch eine Kombination der genannten Modelle wird derzeit mit der Gewerkschaft Öffentlicher

Dienst erörtert.

5. Wie begründen Sie, daß eine derartige Regelung nicht allen unselbständig Beschäftig-

ten, die auch einer immer schwierigeren Arbeitsmarktsituation gegenüberstehen,

angeboten wird?

6. Wie begründen Sie, daß eine solche Regelung nicht zumindest anderen Problem-

gruppen am Arbeitsmarkt offen stellt (älteren Arbeitslosen, vom Strukturwandel

Betroffenen usw.)?

7. Wie wollen Sie vermeiden, daß andere Berufsgruppen (auch aus dem öffentlichen

Dienst), die mit Lehrern vergleichbare Probleme haben, legitimerweise für sich eine

solche Regelung einfordern?

Antwort:

Diese Entscheidungen sind auf Regierungsebene zu treffen, federführend ist hier das Bundes-

ministerium für Finanzen. Es muß jedenfalls die Arbeitsmarktsituation in ihrer Gesamtheit

berücksichtigt werden. Derzeit werden verschiedene Modelle berechnet und diskutiert; die

Ergebnisse der Gespräche müssen abgewartet werden, ehe weitere Entscheidungen getroffen

werden können.

8. Sehen Sie Ihren Vorschlag in Einklang mit dem erklärten Ziel der Bundesregierung,

das faktische Pensionsanfallsalter anzuheben?

Antwort :

Ich verweise nochmals auf die Unterscheidung zwischen dem Vorruhestandsmodell mit gerin-

gerem Pensionsbezug und einer Frühpensionierung wegen Krankheit u.ä.

9. Sehen Sie Ihren Vorschlag in Einklang mit dem erklärten Ziel der Bundesregierung

nach einer Harmonisierung der Pensionssysteme?

Antwort:

Da sich die Harmonisierungsbestrebungen auf die Frage der Bemessungsgrundlage, der Durch-

rechnungszeiträume und der Beitragsgestaltung sowie auf die Steigerungsbeträge konzentrie-

ren, kann kein Widerspruch erkannt werden.

10. Zum Begriff der von Ihnen behaupteten Kostenneutralität: wie weit ist dieser Begriff

gefaßt, welche Einflußgrößen, Variablen und Parameter liegen dem Modell der

"kostenneutralen" Berechnung von Pensionen bei Frühpensionierungen zugrunde?

Antwort:

Es wird nochmals darauf hingewiesen, daß es sich beim Vorruhestandsmodell um keine Früh-

pensionierung handelt. Kostenneutralität bedeutet, daß die längere Pensionsauszahlung durch

die Verminderung der Höhe der Pension ausgeglichen wird.